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Bräunungssucht:

Tanorexie – Wenn das Sonnenstudio zum Suchtmittel wird

Es gibt nicht wenige Menschen, die ihr Selbstwertgefühl unter der Sonnenbank auftanken. Tanorexie oder Bräunungssucht: Wenn das Bräunen unter dem Solarium zur Sucht wird.

Tanorexie - auch unter Bräunungssucht bekanntErfahrene Psychiater und klinische Psychologen wissen, dass wirklich jede menschliche Leidenschaft süchtig entarten kann. Bei Alkoholmissbrauch, Sex- oder der Spielsucht kann das jeder Laie wahrscheinlich noch problemlos nachvollziehen. Doch wie steht es um den Wunsch, die eigene Haut permanent mit nahtloser Tiefenbräune zu Markte zu tragen?

Tatsächlich lauert auch hier ein gefährliches Suchtpotenzial auf alle, deren psychisch eher labile Konstitution anfällig für seelische Störungen macht. Was von verständnislosen Spöttern oft als „Grillhähnchen-Syndrom“ betitelt wird, kennen einfühlsame und empathische Therapeuten unter dem Fachbegriff Tanorexie: Das deutlich übersteigerte Verlangen, die Haut exzessiv zu bräunen. Doch was ist daran eigentlich so problematisch? Und wo können Betroffene Hilfe finden?

Schlank und schön um jeden Preis

Der medizinische Fachbegriff „Tanorexie“ bringt die Bedeutungskomponenten „Tan“ (englisch: Die Bräune) und „Anorexie“ (Magersucht) unter einen Hut. Die Assoziationen an ein im Geiste von „Pro Ana“ krankheitswertig verzerrtes Selbstkonzept und gestörtes Selbstwertgefühl sind dabei absichtlich gewollt. Denn die Bräunungssucht kommt für die Betroffenen selten allein. Meist befindet sie sich in der gefährlichen Gesellschaft anderer psychischer Störungen, die ebenfalls auf einem pathologisch derangierten Selbstbild fußen. Und so erscheinen die permanent hyperkaribikgebräunten Tanorektiker meist auch als XXXS-Magermenschen. Eine in mancherlei Hinsicht potenziell lebensgefährliche Kombination.

Brown is no longer beautiful

Solarium - jeder vierte Sonnenstudiobesucher leidet unter einer TanorexieSonnengebräunte Haut galt einstmals als ultimatives Anzeichen von Sportlichkeit und jugendlicher Attraktivität. Wer eine nahtlos gleichmäßig gebräunte Haut herzeigen konnte, demonstrierte damit sowohl seine Fitness als auch seine finanzielle Freiheit. Denn schließlich musste man es sich damals durchaus leisten können, so hemmungslos hüllenlos und ohne Limit in südlicher Sonne zu braten.

Doch die Zeiten, in denen ein flächendeckend tiefbraunes Hautbild als schick und schön galt, sind zum Glück längst dunkle Geschichte. Inzwischen ist es nämlich in den Köpfen angekommen, dass braune Haut bei weißen Menschen nicht von Gesundheit, sondern von einer viel zu starken Sonneneinwirkung nebst vielen schmerzhaften Sonnenbränden zeugt. Und die Haut vergisst keinen einzigen davon. Wer also für seine Hautgesundheit etwas nachhaltig Gutes tun will, der bleibt blass und liegt damit derzeit voll im Trend. Allerdings gibt es in diesem Zusammenhang auch noch die ewig Gestrigen, denen die eigene helle Haut gar nicht schwarzbraun genug sein kann. Solcherart einem überkommenen Schönheitsideal verhaftet, finden derzeit etwa 16 Millionen deutsche Kunstsonnenanbeter regelmäßig den Weg ins Sonnenstudio.

Etwa jeder Vierte davon bringt vermutlich, neben anderen psychosomatischen Störungen, auch eine ausgewachsene Tanorexie mit auf die Bräunungsbank. So ähnlich schätzte es jedenfalls Prof. Wolfgang Harth auf einer Fachtagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft ein. Das sind mehr als alarmierende Zahlen, wenn man bedenkt, dass mit jedem Drücken der Sonnenbank das Risiko für Hautkrebs steigt. Ganz abgesehen davon, dass zu oft zu intensiv bestrahlte Haut schnell sehr alt aussieht. Und da Alter ja bekanntlich nicht vor Torheit schützt, hilft es auch nicht wirklich viel weiter, dass der Solariumsbesuch in Deutschland seit einiger Zeit nur noch Volljährigen erlaubt ist.

Tanorexie ist eine ernstzunehmende, wissenschaftlich anerkannte und sehr schwerwiegende psychische Erkrankung, deren Behandlung ausschließlich in die Hände erfahrener ärztlicher oder psychologischer Therapeuten gehört. Wer dabei dann blass wird, ist definitiv auf einem guten und gesunden Weg.

Weiterführende Links zum Thema „Tanorexie“:

Helmut Erb: Bräunungssucht: Jeder 4. Solariumsbesucher psychisch gestört

Lars Germann: Tanorexie:Die Sucht nach dem Solarium
http://www.stern.de/tv/sterntv/tanorexie-die-sucht-nach-dem-solarium-591476.html

Tanorexie: Bräunungssucht – wenn Bräune nie tief genug sein kann
http://www.gesundheit.de/krankheiten/haut-und-haare/sonnenschutz-und-sonnenbrand/tanorexie-braeunungssucht-wenn-braeune-nie-tief-genug-sein-kann

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Ein Kommentar

  1. Tanorexie oder Tanerexie, also Bräunungssucht oder allgemeiner: Sonnen-Sucht, hat in etwa die gleiche Bedeutungsstufe wie Schokolexie (eben erfunden). Als eine Art Wiederholungszwang bei lustbesetzten Tätigkeiten (dazu gehört definitiv das Sonnen, das Schokoladen-Essen oder Sex). Wie bei Schokolade oder Sex kann diese Lust an der besagten Tätigkeit zu positiven oder negativen gesundheitlichen Folgen führen. Wie immer: Die Dosis macht das Gift.

    Nun könnte man unentwegt weiter derartige Trivia spinnen. Will hier stattdessen verweisen auf eine Studie, in der die „Erfinder“ der Tanorexie selbst eine interessante Erklärung und gleichzeitig Relativierung ihrer Wortschöpfung liefern.