Im Rahmen einer psychotischen Erkrankung kommt es regelmäßig dazu, dass der Patient Dinge wahrnimmt, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Wenn individuelle Wahrnehmung und objektive Realität solcherart in psychopathologisch begründeter Form auseinanderdriften, dann spricht der Kliniker von Halluzinationen. Doch auch jeder psychisch unauffällige Mensch kennt spezielle Situationen im ganz normalen Alltagsleben, in denen er seiner eigenen Sinneswahrnehmung nicht wirklich unhinterfragt vertrauen kann. Werfen wir also einen Blick auf die Halluzinationen im psychotischen Schub, auf die illusionären Verkennungen innerhalb der Grenzen gesunden seelischen Wesens, und auf die konkreten Inhalte dessen, was Menschen diesseits und jenseits der Mauern der Realität so alles zum Narren hält.
Optische Halluzinationen
Wer bei Vollmond mutterseelenallein durch einen dunklen Wald geht, wird mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit dazu neigen, in jedem harmlosen Schatten einen gefährlichen Angreifer zu sehen. Denn die instinktive Angst vor gewaltsamen Übergriffen versetzt den nächtlichen Spaziergänger in eine emotionale Situation der Furchtsamkeit und der extrem gesteigerten Aufmerksamkeit. Da kann dann aus einem Baum schon mal eine bedrohliche Gestalt werden. Auch wenn hier die zum Zerreißen angespannten Sinne zu schlechten Scherzen aufgelegt sind, so hat das Trugbild doch immerhin eine reale physikalische Grundlage. Bei der echten optischen Halluzination dagegen sieht der Betroffene etwas, was de facto nicht existent ist. Das können die berühmten weißen Mäuse im Alkoholdelirium sein, aber auch die scheinbar aus dem eigenen Bauch hervorquellenden Gedärme eines LSD-Konsumenten, der keinen guten Tag für seinen Trip erwischt hat. Sogar ganze Szenerien können dabei einzig und allein vor dem geistigen, aber verwirren Auge entstehen. Dabei sind echte optische Halluzinationen regelmäßig mit heftiger Angst besetzt.
Akustische Halluzinationen
Der Partner wird zuhause erwartet und ist schon seit einiger Zeit überfällig. Dann glaubt man plötzlich, in jedem Knarren und Quietschen die herbeigesehnten akustischen Signale des Eintreffens zu hören. Nur um dann enttäuscht festzustellen, dass es doch nur die üblichen Hausgeräusche waren. Hier tun sich im normalpsychologischen Wahrnehmungsspektrum deutliche Parallelen zur optischen Halluzination auf: Ein real begründeter Sinneseindruck wird aufgrund einer gegebenen starken Erwartungshaltung illusionär verkannt. Bei der akustischen Halluzination hört der Patient allerdings etwas, das außer ihm niemand hören kann. Das sind in aller Regel Stimmen, die sich hämisch bis bösartig oder streng befehlend an ihn richten. Diese Stimmen sind es auch, die viele an Schizophrene Erkrankte zu grausamen Taten antreiben können.
Geruchs- und Geschmackshalluzinationen
Riecht es hier nach Gas? Schmeckt der Kaffee heute nicht viel bitterer als sonst? Es gibt viele Situationen, in denen es seltsam zu riechen oder merkwürdig zu schmecken scheint. Auch das ist völlig normal – wenn die Wahrnehmung eine sinnvolle physiologische Erklärung hat. Haben jedoch weder die Nase noch die Zunge einen real existierenden Grund, sich belästigt zu fühlen, dann liegen olfaktorische oder gustatorische Halluzinationen vor, meist im Rahmen einer Schizophrenie.
Taktile Halluzinationen
Der bloße Gedanke daran, dass man unter der Haut ganze Heerscharen von Maden oder Käfern herumwuseln spürt, ist der blanke Horror. Genau das ist es aber, was ein psychisch Kranker mit einem Dermatozoenwahn (chronische taktile Halluzinose) wahrzunehmen glaubt. Darum gehört diese Form der Halluzination mit zu den grausamsten Erfahrungen im Rahmen einer psychotischen Episode.
Weiterführender Link zum Thema:
Prof. Dr. med. Volker Faust: HALLUZINATIONEN – Sinnestäuschung, Trugwahrnehmungen
http://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychiatrie/halluzination.html
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