Dieser Krankheitsverlauf kann auch zu gefährlichen Wahnwahrnehmungen führen, die einzig und allein dem Erkrankten selbst zugänglich oder „verständlich“ sind. Dabei kann es auch zu wahnhaften Verkennungen kommen, die mit der eigenen weiteren Existenz nicht länger vereinbar erscheinen. Und das passiert leider ausgesprochen häufig. So wissen entsprechende Statistiken davon zu berichten, dass der Selbstmord das Leben von etwa fünf bis 15 Prozent aller psychotisch Erkrankten jäh beendet. Doch was ist hier, ganz konkret, für den zwingenden Wunsch nach der suizidalen Handlung ursächlich? Und wie unterscheiden sich die beiden großen Psychosen-Formenkreise dabei inhaltlich voneinander?
Die Selbsttötung im manisch-depressiven Formenkreis
Depressive Zustände erfüllen den psychisch Erkrankten mit einer bodenlosen Hoffnungslosigkeit und vernichtenden Verzweiflung. Das absolut überwältigende Gefühl, dass wirklich gar nichts mehr geht, wirkt dabei zunächst auf den Betroffenen ausgesprochen lähmend. Am liebsten wäre er tot; doch er kann sich zu nichts aufraffen. Auch nicht zu der vermeintlichen Erlösung durch den selbst herbeigeführten Tod. Spätestens an dieser Stelle setzt fachkundige Hilfe ein. Sei es durch die Gabe von Antidepressiva oder durch engmaschige Verhaltenstherapie. Durch diese Maßnahmen kehrt nach und nach der vormals komplett versiegte Antrieb wieder in den Patienten zurück. Und genau hierin liegt die tödliche Gefahr. Denn wenn die Stimmung immer noch auf dem absoluten Nullpunkt ist, der Patient aber schon wieder über neuerlich aufkeimende Energien verfügt, dann kann er jetzt endlich das in die finale Tat umsetzen, wozu ihm vorher schlicht und ergreifend der Antrieb fehlte: Die Selbsttötung. Und so trifft es denn auch viele Angehörige und Freunde wie ein Blitz aus heiterem Himmel, wenn der Patient, der sich augenscheinlich wieder zu berappeln schien, durch die eigene Hand aus dem Leben scheidet. Aus diesem Grund ist bei der Einschätzung der Suizidgefahr bei depressiven Patienten ein gezieltes Augenmerk darauf zu legen, ob Antrieb und Stimmungsfarbe bei anschlagender Therapie gleichermaßen wieder einem normalen Niveau zustreben. Fall es hier Zweifel gibt, darf man den Rekonvaleszenten in seinem eigenen Interesse nicht unbeobachtet lassen.
Die Selbsttötung im schizophreniformen Störungsbereich
Werden im Rahmen eines akuten schizophrenen Schubes Stimmen laut, die nur der Erkrankte in seiner Wahnwahrnehmung hören kann, dann droht Gefahr für Leib und Leben. Denn wenn diese Stimmen zwingend befehlen, Handlungen auszuführen, die nur mit dem Tode enden können, dann wird der Kranke dennoch nicht zögern, diesen Befehlen Folge zu leisten. Ganz egal, ob das der Sprung vom Dach oder von der hohen Brücke ist. Aber auch in etwas klareren Momenten sind schizophrene Patienten stark suizidgefährdet. Denn wenn der Schleier des Wahns kurzzeitig vor dem verhangenen Geist aufreißt, und der Erkrankte sich schonungslos mit seiner eigenen Gestörtheit konfrontiert sieht, dann wird das Bestreben, all diesem Elend selbst ein endgültiges Ende zu setzen, auch normalpsychologisch nachvollziehbar. Somit sind schizophren Erkrankte tragischerweise doppelt selbstmordgefährdet: einmal durch ihre Halluzinationen und ein andermal durch deren Abwesenheit.
Um hier Leben zu retten, bedarf es eines geschulten Blickes und einer kompetenten Früherkennung. Bei Ärzten wie bei Angehörigen.
Weiterführender Link zum Thema:
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