Müssen knifflige Fragen und komplizierte Denkaufgaben gelöst werden, dann müht man sich gerade mit einem Intelligenztest ab. Und wenn es um Fragen geht, die auf bestimmte individuelle Vorlieben, Abneigungen oder Gewohnheiten abzielen, dann füllt man gerade einen Persönlichkeitsfragebogen aus. Aber was will der psychologische Gutachter damit bezwecken, wenn er zu einem bunten Tintenklecks wissen will, was man da sieht? Oder wenn man zu einem Bild auf einer Papptafel eine Geschichte erfinden und erzählen soll? Auf jeden Fall weiß man dann als Proband, dass man gerade mit einem projektiven Test konfrontiert wird. Doch was bedeutet das genau? Und wie soll man sich verhalten, wenn man beim Psychologen das Gefühl hat, aufs persönlichkeitsdiagnostische Glatteis geführt zu werden?
Die Theorie hinter der Projektion
Soll man eine Rechenaufgabe lösen oder eine konkrete Gedächtnisleistung erbringen, dann ist die Aufgabe absolut klar und strukturiert. Dann weiß jeder sofort ganz genau, was man von ihm erwartet, und was getan werden soll. So viel Präzision lässt der Phantasie im allgemeinen und dem Unterbewusstsein im Besonderen keine Spielräume. Wenn man als Gutachter aber gerade an diesen beiden „flatterhaften“ Komponenten der Psyche interessiert ist, dann muss man sich Aufgaben ausdenken, die betont unklar und gewollt schemenhaft sind. Denn je nebulöser und mehrdeutiger eine Aufgabe daherkommt, desto mehr muss der Proband das Fehlen des klaren äußerlichen Gerüstes mit seiner ureigensten und individuellen psychischen Struktur kompensieren, wenn er eine Lösung finden will. Er muss quasi sein eigenes Seelenleben und die Art, wie er „tickt“, in die unbestimmt wirkenden Aufgaben hineinlegen. Oder anders gewendet: Er muss seine individuelle und einzigartige Sicht der Dinge in das dehnbare Testmaterial hineinprojizieren. Daher stammt dann auch der Name „Projektive Testverfahren“.
Richtig oder falsch?
Da der Proband mit projektiven Tests auf indirekte (und sowohl ethisch als auch testtheoretisch ziemlich fragwürdige) Art dazu gebracht werden soll, sein komplettes Seelenleben offen zu legen, ohne es überhaupt zu bemerken, gibt es bei solchen Tests keine richtigen oder falschen Antworten. Jeder Mensch sieht die Dinge nun mal auf seine Weise. Problematisch wird es allerdings, wenn der psychologische Gutachter damit beginnt, die Antworten seines Kandidaten zu interpretieren. Denn dann fängt in aller Regel das hemmungslose Spekulieren an. Zwar gibt es so etwas wie Normstatistiken zu der Frage, welche Antworten zu welchen Tafeln wie häufig gegeben werden. Und was diese Antworten in aller Regel über die Persönlichkeit des Probanden aussagen würden. Doch diese Statistiken können keinerlei Anspruch auf die seriösen Testgütekriterien der Objektivität, der Reliabilität und der Validität erheben. Mit anderen Worten: Das, was der Gutachter aus dem projektiven Testergebnis herauszulesen meint, könnte mehr über ihn selbst als über den befragten Kandidaten aussagen.
Welche Antworten soll man also geben?
Das Beste, was man im Angesicht eines projektiven Testverfahrens machen kann, ist, die Bearbeitung strikt und konsequent zu verweigern. Denn wirklich seriöse Psychologen arbeiten weder mit Rorschach noch mit TAT-Tafeln. Seriöse Personalentscheider übrigens auch nicht.
© Pixel Trader Ltd. 2013 Alle Rechte vorbehalten