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Verfolgungswahn:

Paranoia – Der ganz normale Wahnsinn

Ein gesundes Misstrauen hat schon so manches Leben verlängert und so manche Gesundheit erhalten. Denn nicht jeder Zeitgenosse ist so wohlmeinend, wie es vordergründig den Anschein haben kann.

Paranoia: Wahnvorstellungen enden im VerfolgungswahnUnd mancher kleine Alltagsunfall, der zunächst nur nach einem dummen Zufall aussieht, ist in Wahrheit das hinterhältige Werk von Frenemies oder von anderen feindlich gesinnten Fieslingen. Darum gilt: Holzauge, sei wachsam! Allerdings kann man es mit der Wachsamkeit auch bis über die Grenzen der Psychopathologie hinaus übertreiben. Wer dann mitten in der Atacama-Wüste das Gras wachsen, oder tief im ewigen Eis die Flöhe husten hört, der muss sich schon das Label „Paranoide Persönlichkeit“ oder auch „Paranoia“ ans Revers heften lassen. Doch wo liegt der schmale Grat, der nach wissenschaftlichen Maßstäben die normale Wachsamkeit vom krankheitswertigen Verfolgungswahn trennt? Und wie kann man der verschwörungstheoretisch gespeisten „Trust No One“ Falle im eigenen Kopf entgegenwirken?

Wie paranoid ist der normale Mensch?

Die Quote liegt irgendwie beruhigend hoch: Etwa 15 Prozent aller ansonsten psychologisch absolut unauffälligen Mitmenschen beschleicht gelegentlich das Gefühl, verfolgt, bespitzelt oder gemobbt zu werden. Und das ohne konkrete Gründe. Diese Diskrepanz zwischen der friedlichen Realität und der gefühlten „Anmache“ nennt man „Paranoia“. Und die ist, wenn sie nur sporadisch das misstrauische Haupt erhebt, auch völlig in Ordnung. Schließlich kann man mit seiner mulmig murmelnden Intuition ja auch mal goldrichtig liegen.

Was gucksdu denn so?

Paranoide Gedanken als mentale „Laufkundschaft“ sind kein Problem. Doch wenn starkes Unbehagen und persistierender Verfolgungswahn zu Stammgästen im persönlichen Seelenleben werden, dann passiert es ganz schnell, dass ein regulärer und unbeeinträchtigter Lebensvollzug nicht mehr möglich ist. An dieser Stelle spricht der Kliniker von schwerer Paranoia. Davon sind schätzungsweise um die fünf Prozent der Bevölkerung betroffen. In der paranoiden Wahnwelt (siehe auch F22.0: Wahnhafte Störung, nach ICD-10-WHO, Version 2011) sind zum Beispiel chiffrierte Botschaften, die über die üblichen Massenmedien im Dienste finsterer Mächte verbreitet werden, keine Seltenheit. Und auch das Thema „Gedankenkontrolle“ findet sich in ungezählten Verschwörungstheorien (und deren internetten Blogs und Plattformen) wieder. Sei der unbemerkte Angriff auf die eigenen Gedanken nun perfiden Außerirdischen geschuldet, die die Menschheit unter Kontrolle kriegen wollen, oder streng geheimen Geheimdiensten, die mit ihren Strahlenapparaten sämtliche Hirnwindungen zu beeinflussen vermögen. Wer so etwas wirklich grundernst und persönlich nimmt, der hat natürlich keine ruhige Minute mehr. Und so leben Menschen mit paranoiden Wahnvorstellungen zum einen in beständiger panischer Angst und zum anderen in unausweichlicher sozialer und gesellschaftlicher Isolation.

Wie entsteht Paranoia?

Daniel Freeman vom King’s College in London meint, dass Paranoia immer dann entsteht, wenn der Mensch eine unerklärliche und verwirrende Erfahrung zu deuten versucht, und bei diesem Deutungsversuch einen fatalen Fehler macht. Das kann jedem Menschen in persönlichen Erklärungsnöten ganz schnell passieren. Darum ist das beste Mittel gegen aufkeimenden Verfolgungswahn: In unangenehm unbestimmten Situationen so viele handfeste Informationen wie möglich sammeln, um jede potenzielle Erklärungsmöglichkeit zu kennen, bevor man rational abwägt, welche davon die wahrscheinlichste ist. So kann man dem paranoiden Trugschluss gut entgehen. Allerdings nur dann, wenn man kein Patient in einem akuten schizophrenen Schub ist. Denn diese Menschen sind rationalen Argumentationen leider absolut nicht zugänglich.

Weiterführende Links zum Thema:

Der Verfolger im Kopf

Paranoid Thoughts
http://www.iop.kcl.ac.uk/apps/paranoidthoughts/book/authors/authors_paranoia.aspx

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