Das mitunter größte Problem bei Tinnitus-Patienten ist die Akzeptanz der Erkrankung. Das quälende Ohrengeräusch wird zum ständigen Begleiter und verfolgt den Patienten auf Schritt und Tritt. Doch der Umgang mit dem Handicap lässt sich lernen. Häufig ist eine psychologische Gruppen- oder Einzeltherapie hilfreich, das Geräusch im Ohr zu akzeptieren und dieses in den Alltag zu integrieren. Eine aktuelle Studie belegt nun, dass eine Internet-Therapie ebenso erfolgreich sein kann, wie eine gewöhnliche Psychotherapie auch.
Das Tinnitus Handicap Inventory – kurz THI – ist ein Fragebogen zur Ermittlung des Schweregrades bei Tinnitus. Bei dem Bogen müssen 25 Fragen zum Tinnitus beantwortet werden. Die Einschätzung erfolgt dann vom Patienten selbst und lässt sich mit 0 bis 100 Punkten in 5 Schweregrade einteilen. Die Werte der aktuellen Studie bewegten sich zu Beginn bei Schweregrad 3 (38-56 Punkte) und konnten durch die Internet-Therapie auf Schweregrad 2 (18-36 Punkte) reduziert werden.
Die Studie im Überblick
Die aktuelle Studie wurde von der Abteilung für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Johannes Gutenberg Universität Mainz und dem Departement of Behavioural Sciences and Learning der Linköping University in Schweden durchgeführt. Für die Studie wurden zehn Wochen lang verschiedene Behandlungsmethoden an Patienten erprobt, die an einer mittelschweren bis schweren Tinnitusbelastung leiden. Sowohl die Teilnehmer an einer Gruppen-Therapie als auch die Teilnehmer an der eigens für die Studie durchgeführten Internet-Therapie konnten in der psychischen Bewältigung der Ohrengeräusche deutliche Erfolge erzielen. Die Kontrollgruppe, die lediglich an Diskussionen in einem Online-Forum teilnahm erwies sich dabei als unterlegen. Gemessen an dem Tinnitus Handicap Inventory ging die Belastung der Teilnehmer des Internet-Trainings von 40 Punkten auf 29 zurück und war damit so erfolgreich wie auch eine Gruppen-Therapie, bei der die Belastung von 44 auf 29 Punkte fiel. Die Belastung der Diskussionsteilnehmer fiel lediglich von 40 Punkten auf 37.
Eine Verhaltenstherapie hilft
Rund zwei Prozent der deutschen Bevölkerung fühlen sich durch die Folgen eines Tinnitus stark beeinträchtigt, nicht wenige davon sprechen gar von einer unerträglichen Lebenssituation. In vielen Fällen würde eine Verhaltenstherapie die Situation erleichtern. Das Problem an der Sache ist allerdings, dass viele den Gang zum Therapeuten scheuen. Eine Internet-Therapie könnte die Hemmschwelle für den Beginn einer Therapie jedoch deutlich senken. Und wie die deutsch-schwedische Studie gezeigt hat, kann eine Internet-Therapie genauso erfolgreich sein, wie eine herkömmliche Verhaltenstherapie auch.
Internet-Therapie kann lange Wartezeiten auf Psychotherapie kompensieren
Hirn- und Hörtraining: Die neue Hoffnung für Tinnitus-Patienten
Unterm Strich geht es nicht nur darum eine gewöhnliche Verhaltenstherapie zu ersetzen, sondern diese sinnvoll zu ergänzen. Denn vielerorts sind die Psychotherapeuten ausgelastet, sodass für neue Patienten häufig Wartezeiten von mehreren Monaten entstehen. Für akut betroffene Tinnitus-Patienten kann dies ein geradezu zermürbender Zeitraum sein, der von einer Internet-Therapie kompensiert werden könnte. So sieht Dr. Maria Kleinstäuber ein riesiges Potential in der neuen Form der Internet-Therapie. Die psychologische Psychotherapeutin weist in gleichem Atemzug aber auch auf die Skepsis der Patienten hin. So hätten viele Studienteilnehmer eine Gruppentherapie von Auge zu Auge bevorzugt, während ein großer Teil der Patienten eine Internet-Therapie grundsätzlich ablehnte. Allerdings wurden die Patienten der Studie per Los ihrer jeweiligen Gruppe zugewiesen und viele Zweifler landeten in der misstrauisch beäugten Internet-Gruppe. Doch trotz ablehnender Haltung konnten auch hier sehr gute Erfolge erzielt werden. Der Erfolg der Therapie hielt sowohl bei der Durchführung in einer Gruppe als auch über das Internet noch sechs Monate danach an.
Startschuss für die Internet-Therapie
Nachdem die Studie veröffentlicht wurde, war das Interesse an einer Internet-Therapie unter den Betroffenen sehr groß. Jedoch diente die Studie zunächst nur der Beurteilung der ursprünglich schwedischen Internet-Therapie, ohne dass diese bereits breitflächig in Deutschland angeboten wird. Da die Studie nun jedoch äußerst positiv ausgefallen ist, empfehlen die beteiligten Ärzte die internetbasierte Behandlung auch großflächig anzubieten. Bis das jedoch geschieht, wird es sicherlich noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
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