Salvia officinalis kennt jeder. Dabei handelt es sich um den gewöhnlichen Salbei, der sich sowohl als Gewürz, wie auch als Heilpflanze schon seit dem Mittelalter bewährt hat und beispielsweise zuverlässig gegen Halsschmerzen wirkt. Doch was hat es mit dem Salvia Divinorum, dem sogenannten Azteken-Salbei auf sich?
Salvia Divinorum – Ursprung und Botanik
Ursprünglich stammt das Salvia Divinorum aus Mexiko, genauer aus dem Sierra Mazateca Gebiet des mexikanischen Bundesstaates Oaxaca. Das indianische Volk der Mazateken nutzt die Pflanze dort schon seit Jahren zu rituellen Zwecken. Sowohl die Schamanen als auch die Heiler machen sich die Wirkung des Salvia Divinorums zu nutzen.
In botanischer Hinsicht handelt es sich beim Azteken-Salbei um eine sehr ungewöhnliche Pflanze. Der besondere Salbei wuchs ausschließlich durch Stecklinge einer Mutterpflanze, die Zucht über Samen war nicht möglich. Daher überrascht es nicht wirklich, dass die Salvia-Kulturen in ihrer mexikanischen Heimat durch ein unterirdisches Netzwerk großflächig miteinander verbunden sind.
Durch Wirkung und Botanik wurde das Salvia Divinorum schnell zum interessanten Objekt für die Wissenschaft und fand insbesondere auch eine große Schar an Anhängern unter den sogenannten Psychonauten. Psychonauten erforschen die eigene Psyche und das Unbewusstsein beziehungsweise Unterbewusstsein mit Hilfe von Meditation oder Drogen. Der gezielte Gebrauch von bewusstseinserweiternden Drogen hat in der Geschichte der Menschheit bereits zu essentiellen Erkenntnissen und vor allem auch zu wichtigen Medikamenten geführt. Die zwei wohl bekanntesten Psychonauten der 1960er Jahre dürften Albert Hofmann und Timothy Leary sein. Der Schweizer Chemiker Albert Hofmann entdeckte das LSD und der US-Amerikanische Psychologe und Autor Timothy Leary ist starker Befürworter bewusstseinserweiternder Drogen, wie eben jenem LSD oder auch Psilocybin oder Meskalin. Heute gilt der unabhängige, US-amerikanische Wissenschaftler und Ethno-Botaniker Daniel Siebert als Koryphäe auf dem Gebiet des Salvia Divinorums. Seit über 20 Jahren erforscht er die Pflanze mit ihren Wirkstoffen und stellt auf seiner Internet-Seite beinahe unerschöpfliche, wissenschaftliche Informationen zur Verfügung.
Das stärkste, natürliche Halluzinogen
Übersetzt bedeutet Salvia Divinorum so viel wie „Göttersalbei“ oder „Wahrsagesalbei“ und die Bezeichnung kommt nicht von ungefähr. Das unscheinbar aussehende Gewächs enthält mit dem Wirkstoff Salvinorin A das stärkste, natürliche Halluzinogen.
Nach der Einnahme von Salvia Divinorum verändert sich das Realitätsempfinden in unterschiedlichem Maße. Abhängig ist die Wirkung zum einen von der Höhe der Dosierung und zum anderen von der Empfindsamkeit des Konsumenten. Im Allgemeinen wird der Salvia-Trip als kurz, aber sehr heftig beschrieben. Auffällig in der Wirkung des Salbeis ist jedoch, dass er im Gegensatz zu anderen Rauschdrogen die Gefühle unberührt lässt. In niedrigen Dosen wurde von Visionen und intensiven Wahrnehmungen beschrieben, während eine hohe Dosis bis hin zu außerkörperlicher Erfahrung, Identitätsverlust und schließlich kompletten Bewusstseinsverlust reichen kann. Während sich bei anderen Drogen, wie Alkohol oder Cannabis also die Gefühle mit dem Rauschzustand aktiv verändern, wird durch das Azteken-Salbei eine Art zweite, neue Realität übergestülpt, die als ultimativ wahr erlebt und nicht als drogeninduzierte Bewusstseinsveränderung empfunden wird. Folglich entsteht eine Grenzerfahrung, die psychisch verarbeitet werden muss und vor allem für labile Menschen zum unkalkulierbaren Risiko werden kann.
Der Hauptwirkstoff des Salvia Divinorums war zunächst auch für die Wissenschaft ein Buch mit sieben Siegeln. Man wusste, dass die Pflanze stark psychoaktiv wirkt, aber nicht wie sie dies tut. Erst 2002 konnte herausgefunden werden, dass das Salvinorin A an die Opioid-Rezeptoren im Gehirn andockt und dort für starke Halluzinationen sorgt. Das ist insofern ungewöhnlich, weil die Opioid-Rezeptoren ihrem Namen entsprechend eigentlich Opiate aufnehmen und in der Schmerzbehandlung eine tragende Rolle spielen. Unterschieden wird weiter zwischen den mü-, delta- und kappa-Rezeptoren. Während Opiate, wie Heroin oder Morphium an die mü-Rezeptoren andocken, beruhigend wirken und den Schmerz abstellen, werden durch das Salvinorin A an den kappa-Rezeptoren Halluzinationen ausgelöst. Aus diesem Grund lässt sich die Pflanze auch nicht mit anderen psychoaktiven Drogen vergleichen, da diese mit anderen Rezeptoren in Verbindung stehen.
Neben der vermehrt berichteten Eigenschaft, dass Salvia Divinorum Symptome einer klinischen Depression deutlich lindern konnte, wurde gleichermaßen davon berichtet, dass die Pflanze versteckte depressive Erkrankungen auslösen könne. Eine körperliche oder psychische Abhängigkeit von den Wirkstoffen der Pflanze konnte nicht bestätigt werden, sodass die Pflanze in der Zukunft zum nützlichen Medikament gegen psychische Erkrankungen werden könnte. Das Hauptproblem des Salvia Divinorums dürfte sein, dass zwar viele experimentelle Erfahrungen vorliegen, aber nur die wenigsten davon unter wissenschaftlichen Bedingungen geführt wurden und entsprechend keine aussagekräftigen Rückschlüsse zulassen.
Fluch oder Segen?
Neben offiziellen, wissenschaftlichen Experimenten erlangte das Salvia Divinorum aber auch den Durchbruch in sogenannten Head Shops, kleinen, spezialisierten Läden, die alles Legale rund um psychoaktive Substanzen und deren Zubehör anbieten. Durch den wachsenden Bekanntheitsgrad des Salvias wuchs entsprechend auch das allgemeine Interesse an dem frei zugänglichen Rauschmittel und die heilige Pflanze aus Mexiko wurde immer häufiger als Partydroge missbraucht. Der gedankenlose Missbrauch vieler Konsumenten endete jedoch nicht in der gewünschten Partylaune, sondern vielmehr in Horror-Trips. Nicht zuletzt hierdurch wurde der Azteken-Salbei in ein zweifelhaftes, öffentliches Licht gerückt und zog viele Blicke der Kritiker auf sich.
Nachdem die deutschen Verantwortlichen das Salvia Divinorum schon von Beginn an sehr kritisch betrachteten, wurde die Pflanze und sämtliche ihrer Produkte 2008 schließlich in die Liste illegaler Betäubungsmittel aufgenommen. Bleibt nur zu hoffen, dass sich neben dem Amerikaner Daniel Siebert aber auch die deutsche Wissenschaft weiterhin ernsthaft mit der Pflanze auseinandersetzt und das heilende Potential des Salvia Divinorums ausschöpft. Denn schließlich sollte man nicht vergessen, dass es sich bei Drogen um nicht mehr und nicht weniger, als arzneilich wirksame Pflanzenstoffe handelt, zu denen die Kamille ebenso zählt, wie die Pfefferminze oder das Koffein.
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