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Klimawandel:

Narwale – Furcht um die letzten Einhörner der Meere

Inuit-Eskimo nachdem er einen Narwal erlegt hat.

Narwale sind gefährdet! Ein Narwal nach Abschuss.
Bild: © picture alliance / A.Visage/WILDLIFE/G.Williams

Rückgang des arktischen Eises gefährdet Überleben der Narwale. Eine neue kanadische Studie hat erstmals den direkten Zusammenhang zwischen dem Rückgang des arktischen Eises und dem Jagdverhalten der Killerwale belegt. Die neue Situation könnte den Narwal, gleichermaßen gejagt von Inuit-Gemeinden und Killerwalen, nun an den Rande der Ausrottung bringen.

Sie gelten als die „Einhörner der Meere“. Die Narwale aus den arktischen Regionen des Nord-Atlantiks haben diesen Spitznamen einem bis zu zwei Meter langen Stoßzahn aus Elfenbein zu verdanken, der sich spiralförmig aus dem Kopf des Meeressäugers windet. Wissenschaftler wie Martin Nweeia von dem „Narwal-Forschungsprojekt“ zeigen sich fasziniert von den sechs Millionen Nervenenden des Zahnes und wollen das Tier unbedingt weiter erforschen: „Wir sind überzeugt, dass der Stoßzahn sogar ein Wahrnehmungsorgan ist.

Doch Nweeia und seinen Kollegen könnte die Zeit ausgehen. Denn genau wie die mythischen Einhörner könnten Narwale auch bald nur noch der Stoff  für Legenden und Kindergeschichten sein. Naturschützer warnen nämlich, dass die kuriose Wal-Spezies demnächst vom Aussterben bedroht sein wird.

Vormarsch des natürlichen Feindes von Narwalen

Orcas jagen häufig Narwale.

Orcas sind die wichtigsten natürlichen Feinde der Narwale. Bild: © Lazareva / iStockphoto.com

Als Grund für die Warnung gelten neue Erkenntnisse über die Folgen des Klimawandels. In einer Ende Januar veröffentlichten Studie der Universität von Manitoba im kanadischen Winnipeg verzeichnen die Forscher um Projektleiter Steven Ferguson einen besorgniserregenden Anstieg von Killerwal-Sichtungen in der Nähe von Inuit-Gemeinden zu ungewöhnlichen Jahreszeiten. Die auch als Orca bekannten Meeres-Raubtiere sind die wichtigsten natürlichen Feinde der Narwale.

Das Schwinden des arktischen Eises ist laut Ferguson die Hauptursache für die Invasion der raublustigen Orcas. Normalerweise sei diese Spezies im Gegensatz zu den Narwalen nicht für eine Existenz unter dem Packeis ausgestattet und meide es deswegen. „Wenn jetzt aber all das Eis verschwindet, dann werden sich die Narwale plötzlich auf dem offenen Meer wiederfinden und alle Fluchtstrategien verlieren, die sie sonst anwenden, um den Orcas unter dem Eis zu entkommen“, erläutert Ferguson. Der Meeresbiologe prophezeit ein maritimes Massaker.

Es wird geschätzt, dass weltweit noch rund 80 000 Narwale existieren. Allein 90 Prozent davon leben in der Baffin-Bucht, dem arktischen Randmeer zwischen Kanada und Grönland. Die größten Exemplare werden knapp fünf Meter lang und können bis zu 1600 Kilogramm auf die Waage bringen.  Die Regierung Kanadas gestattet seinen arktischen Ureinwohnern, den Inuit, jährlich rund 500 Narwale zu töten. Die Inuit verwerten die Tiere hauptsächlich zu ihrer Ernährung, darüber hinaus kann der Elfenbein-Stoßzahn einen Marktpreis von rund 1000 Dollar erzielen.

Bereits 2008 untersuchte eine von dem Magazin „Ecological Adaptations“ veröffentlichte Studie die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf 11 arktische Säugetiere und kam zu dem Schluss, dass Narwale gefährdet seien. Die „Internationale Union für die Bewahrung der Natur und Natürlicher Ressourcen“ (IUCN) bewertet die Lage der Narwale derzeit als „nahezu gefährdet“.

Ureinwohner halfen bei Studie

Das besondere an der jetzt von der Uni Winnipeg veröffentlichten Studie: anstatt jahrelang Messungen vorzunehmen und Daten zu sammeln haben Steven Ferguson und sein Team stattdessen die Jäger von 11 Inuit-Gemeinden im kanadischen Territorium Nunavut in über 100 Interviews befragt. Ferguson nennt den Erfahrungsschatz dieser Jäger „eine Goldmine“ und ergänzt: „Es würde uns sonst Jahrzehnte kosten, um solche Einblicke zu gewinnen.

Trotz der ungewöhnlichen Methode werden die Schlussfolgerungen von anderen Wissenschaftlern als seriös anerkannt. „Dies ist ein exzellentes Beispiel, welche Rolle traditionelles Wissen in der Forschung spielen kann“, sagt zum Beispiel Alan Springer, Maritim-Ökologie an der Universität von Alaska.

Streit um Jagdquoten

Die Ironie des Forschungsbericht für die Inuit ist jedoch, dass die Erkenntnisse ihrer Jäger den Ureinwohnern nun einen Rückgang in den Fangquoten bescheren könnte. In den vergangenen Jahren ist es Regierungsforschern gelungen, insgesamt acht Brut-Gruppen von Narwalen in kanadischen Gewässern auszumachen. Als die Daten dieser Wale in den Jagdgenehmigungen verarbeitet wurden, sahen sich die Ureinwohner plötzlich mit drastisch reduzierten Quoten konfrontiert. Die Inuit-Organisation „Nunavut Tunngavik Inc.“ (NTI) drohte mit Klage, konnte aber zunächst mit der Regierung zu einer außergerichtlichen Einigung kommen.  NTI-Vertreter Gabriel Nirlungayuk bekräftigt die kulturelle Bedeutung: „Für Inuits gibt es den Walfang seit Beginn unserer Erinnerung.

Doch die kanadische Regierung könnte bald ihre Kontrolle über Fangquoten und öffentliche Meinung ohnehin verlieren. Das Washingtoner Artenschutzabkommen CITES hat angekündigt, 2013 die Situation der Narwale zu begutachten. Sollte CITES zu dem Schluss kommen, dass die kanadischen Regelungen zum Schutz der Narwale nicht ausreichen, könnte es zu internationalen Bestimmungen und Exportverboten kommen.

Furcht vor Horror-Bildern

Zudem könnte eine CITES-Ächtung Kanada ein weiteres Image-Problem verschaffen. Internationale Tierschutzorganisationen haben wiederholt traditionelle Jagdmethoden der Inuit aber auch kommerzielle Methoden wie zum Beispiel bei der alljährlichen Robbenjagd in Neufundland heftig kritisiert. Nun fürchten kanadische Politiker, dass wenn der so fotogene Narwal erst einmal als bedrohte Spezies eingestuft ist, schon bald Horror-Bilder von geschlachteten Meeres-Einhörnern in Inuit-Dörfern um die Welt gehen.

Der WWF bietet einen Tracker zum verfolgen der Wale an, hier können Sie ihn erreichen.

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Über Roman Goergen

Roman Goergen kann auf 20 Jahre Berufserfahrung als Journalist, Syndikations-Agenturleiter und Korrespondent zurückblicken. In vier Ländern auf drei Kontinenten - Deutschland, Namibia, Südafrika und Kanada sind seine Publikationen veröffentlicht worden. Seine Reportagen sind auf Deutsch und Englisch in über 70 führenden Zeitungen und Zeitschriften erschienen. Derzeit arbeitet er von Toronto aus für amerikanische, südafrikanische und deutsche Publikationen.