Fast vierzig Jahre lang ging mit dem Eisernen Vorhang ein tiefer Schnitt durch Europa. Vor allem in Deutschland bekamen die Menschen die Auswirkungen zu spüren und lebten mit Mauer, Stacheldraht und verminten Grenzzonen. Über eine Länge von insgesamt mehr als 12.500 Kilometer hinweg, davon rund 1.400 Kilometer in Deutschland, trennte die zehn bis 500 Meter breite Linie zwischen Ost und West Familien, Freunde, wirtschaftliche und ökonomische Systeme und freie Informationsflüsse.
Doch was so viel Leid und Schwierigkeiten brachte, hatte tatsächlich auch eine gute Seite: Im Bereich der Grenzgebiete entstand ein grüner Gürtel, in dem Pflanzen und Tiere ungestört von menschlichem Einwirken blieben und die Natur sich selbst regenerieren konnte. Aus dem einstigen Todesstreifen wurde nach der Wiedervereinigung eine Lebenslinie: Das Grüne Band Deutschland
Hier gibt es Lebensraum für Pflanzen und Tiere in ganzer Bandbreite
Freie Flächen werden in Deutschland fast ausnahmslos intensiv genutzt. Acker reiht sich an Acker, Weideland an Weideland, Nutzwald an Nutzwald. Mit nur rund 3,6 Prozent ist die Gesamtfläche aller deutschen Naturschutzgebiete verschwindend gering. Und oft sind sie nur sehr kleine Inseln inmitten pestizidverseuchter, von Gewerbegebieten malträtierter Umgebung, so dass ihre erhaltenswerte Flora und Fauna sich nur unzureichend den negativen Einflüssen entgegenstämmen kann.
Das Grüne Band stellt eine direkte Verbindung unterschiedlichster Biotope und Lebensräume dar. Niedermoore reihen sich an Auenwälder, Zwergstrauchheiden an Nasswiesen und Streuweisen an Magerrasen. Hier ist die Natur, sind verschiedene Lebensräume verzahnt und der natürliche Austausch und eine gesunde Wechselwirkung zwischen unterschiedlichen Lebensformen findet statt. Viele Naturschutzgebiete können davon profitieren, dass sie direkt an das Grüne Band angrenzen.
Das Grüne Band muss erhalten bleiben
Auch 2012, mehr als 20 Jahre nach der Wiedervereinigung, sind noch 85 Prozent der Fläche der einstigen innerdeutschen Grenze in ihrem ursprünglichen Zustand belassen, sind noch nicht in Nutzland umgewandelt worden.
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Doch es gilt, dem Landhunger und allmählichen Einverleiben der wertvollen natürlichen Flächen durch Agrar- und Industriebetreiben zu trotzen und auch dem fortschreitenden Straßenbau Einhalt zu gebieten.
Der Bund für Umwelt- und Naturschutz BUND setzt sich bereits seit 1989 sehr engagiert dafür ein, die Flächen des Grünen Bandes als Biotope zu erhalten. Schwarzstorch, Heidelerche oder Braunkehlchen, Neuntöter, Birkhuhn, Ziegenmelker oder Raubwürger finden hier Nahrung, Fischotter tummeln sich im Wasser und heimische Orchideen wie z. B. Knabenkräuter blühen im Verborgenen.
Experten registrierten die verschiedenen Biotoptypen, erfassten Tier- und Pflanzenarten und stellten fest, dass mehr als 600 dieser Arten auf der Roten Liste stehen, weil sie stark vom Aussterben gefährdet sind. Sie entdeckten sogar Exemplare, die bereits als ausgestorben galten.
Mit vielen Projekten, Konferenzen und Informationsveranstaltungen wollen neben dem BUND auch der Nabu und andere Naturfreunde klar machen: Das Grüne Band muss erhalten bleiben. Es ist ein Symbol unserer tragischen Zeitgeschichte und Hoffnungsträger für die Zukunft zugleich.
Foto: © Th. Stephan
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