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Lebenserwartung:

Wann werde ich sterben?

Vorherzusagen, wie lange ein Mensch noch leben wird, ist eine schwierige Sache? Nicht unbedingt, wie brasilianische Forscher jetzt herausgefunden haben.

Leichenhalle - Leiche mit Schild am Fußzeh

Kann man den Sterbezeitpunkt vorhersagen? Der Sitting-Rising-Test soll diese Frage beantworten. Bild: © fotolia.de

Trotz aller Aufklärung und Weltoffenheit – der Tod ist bis heute eins der ganz großen Tabus unserer Gesellschaft. Dabei ist wenig so unausweichlich wie das Ende des Lebens und daher lohnt es, sich damit zu beschäftigen. Brasilianische Wissenschaftler haben das auf eine ganz eigenwillige Weise getan: Sie fragten sich, ob ein simpler Bewegungstest darüber Auskunft geben kann, wie lange ein Mensch noch zu leben hat. Die Ergebnisse ihrer Forschung veröffentlichten sie im Dezember 2012 in der Fachzeitschrift der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie – European Journal of Cardiovascular Prevention and Rehabilitation.

Der Sitting-Rising-Test

Der in Rio de Janeiro genutzte Test ist sehr simpel – kaum zu glauben, dass sich Wissenschaftler damit beschäftigen. Für den Sitting-Rising-Test braucht man eine dünne Matte auf dem Boden und maximal zwei Minuten Zeit. Die Probanden in der Studie bekamen folgende Anweisung: „Without worrying about the speed of movement, try to sit and then to rise from the floor, using the minimum support that you believe is needed.“ Ihre Aufgabe bestand also darin, sich auf den Fußboden zu setzen und wieder aufzustehen, dabei so wenig Unterstützung wie möglich zu benutzen und sich keine Gedanken um die Zeit zu machen, die sie dafür brauchen würden. Das war es auch schon. Die Wissenschaftler sind so nett, den Test sogar im Internet zu erklären und per Video zu zeigen, wie er durchgeführt wird.

Fürs Hinsetzen und Aufstehen Punkte kriegen

Die Forschergruppe um Dr. Claudio Gil Araújo beobachteten im Jahre 2002 über 2000 Menschen beiderlei Geschlechts beim Hinsetzen und Aufstehen. Die Teilnehmer waren zwischen 51 und 80 Jahre alt, im Mittel 62 Jahre. Sie absolvierten den Test in nicht einengender Kleidung und barfuß. Aber nicht jeder durfte mitmachen. Regelmäßig an sportlichen Wettkämpfen Teilnehmende waren ebenso ausgeschlossen wie Menschen mit muskuloskeletalen Problemen. Alle Probanden wurden vom Untersuchungszeitpunkt an bis zum Tode oder aber spätestens bis zum 31.Oktober 2011 beobachtet, im Mittel 6,3 Jahre lang.

Für das Erledigen der Bewegungsaufgabe verteilten die Wissenschaftler Punkte – fünf für das Hinsetzen, ebenso viel für das Aufstehen. Die Höchstzahl Zehn erreichte, wer es schaffte, ohne Unterstützung und Balanceschwierigkeiten die Übung zu absolvieren. Zum Abstützen benutzte Hände, Unterarme, Knie oder Unterschenkel kosteten je einen Punkt. Wackeln und fehlende Stabilität wurde mit einem halben Punkt Abzug bestraft. Auf diese Weise erarbeitete sich jeder Proband seine Testsumme.

Wenig Punkte – früher Tod

Im Beobachtungszeitraum starben 159 Testteilnehmer, was einer Rate von 7,9 Prozent entspricht. Die Mehrheit dieser Menschen hatte beim Hinsetzen und Aufstehen niedrige Punktzahlen erreicht, nur zwei von ihnen waren mit der Höchstzahl Zehn bewertet worden.

Die Ergebnisse der Studie zeigten eine hohe statistische Signifikanz zwischen hohen Punktzahlen im Test und der Sterblichkeit – auch nachdem Alter, Geschlecht und Body-Mass-Index heraus gerechnet wurden. Der Unterschied zwischen den Teilnehmern mit den geringsten Punktzahlen zu denen mit den höchsten, ist ein fünf- bis sechsfach erhöhtes Sterberisiko für die erste Gruppe. Jeder einzelne gewonnene Punkt im Test bedeutet eine Reduktion der Gesamtsterblichkeit um 21 Prozent. Um es ganz plastisch zu machen: Wer sowohl das Hinsetzen als auch das Aufstehen zwar stabil bewältigt, aber jeweils Unterstützung von mehr als einer Hand oder einem Knie braucht, hat ein zwei- bis fünffach erhöhtes Risiko in den nächsten 6 Jahren zu sterben.

Für die Brasilianer steht fest: Mit dem Sitting-Rising-Test ist eine zuverlässige Vorhersage der Sterblichkeit von Menschen möglich.

Was kann die Sterblichkeit vorhersagen?

Kann man in Zeiten hochtechnisierter Medizin auf diese einfache Art die Lebenserwartung von Menschen wirklich einschätzen? Bis jetzt galt als bewiesen, dass aerobe Fitness ein lebensverlängernder Faktor ist – also alle Bewegungen, die mit wenig Intensität vonstattengehen, aber von langer Dauer sind. Die vorliegende Studie zeigt, dass aber auch Beweglichkeit des Körpers, Muskelkraft, Verhältnis zwischen Kraft zum Körpergewicht und koordinative Fähigkeiten Indikatoren für die Lebenserwartung sind. Und diese können mit dem Sitting-Rising-Test einfach erhoben werden.

Menschen mit hohen Werten im Test sind auch agiler im Alltag. Und Menschen, die sich gut bewegen können, nutzen das in der Regel auch mehr als diejenigen, denen jeder Handschlag oder Schritt schwerfällt. Was natürlich wiederum einen Trainingsvorteil in Sachen Test bringt. Damit ist der Beweis für die Gewissheit unserer Ahnen erbracht – „Sich regen bringt Segen“, zumindest im Sinne von „Sich zu bewegen ist gesund“.

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Über Manuela Käselau

Manuela Käselau ist Physiotherapeutin und Shiatsu-Praktikerin (GSD). Parallel studierte sie Phonetik, Niederdeutsche Linguistik und Systematische Musikwissenschaft an der Universität in Hamburg. Als freie Autorin schreibt sie für diverse Online- und Printmedien, hauptsächlich im medizinischen Bereich. Seit 2012 ist sie ein Mitglied der Redaktion.