Wie Forscher der Ruhr-Universität Bochum gemeinsam mit Kollegen aus Basel, Trier und London berichten, wirkt sich akuter Stress direkt auf die Aktivität bestimmter Gene im Körper aus. Mit ihrem Artikel in dem Fachmagazin „Translational Psychiatry“ bieten die Wissenschaftler damit einen ganz neuen Ansatz, wie Stress mit einem höheren Risiko für psychische und körperliche Erkrankungen einhergeht. Untersucht wurden jene Genabschnitte, die für die biologische Stressregulation von Bedeutung sind.
Epigenetik – Der zweite Code
Mit der Genetik werden die Erbinformationen geliefert, die im Prinzip als Bauanleitung für den Körper dienen. Dieser produziert streng nach Anleitung die Proteine, die für unterschiedliche Prozesse notwendig sind. Welche genau das sind, hängt sowohl von der einzelnen Körperzelle ab als auch von der Umwelt. Die Epigenetik ist dabei eine Art zweiter Code – ein biologischer Schalter, der bestimmt, welche Gene abgelesen werden und welche nicht. Es ist bekannt, dass psychische Traumata oder belastende Erlebnisse sich auf bestimmte dieser Schalter auswirken können und zu einer langfristigen Veränderung führen. Bislang unklar war allerdings, wie sich akuter Stress auf diese biologischen Schalter auswirkt.
Ein Gen-Doppel unter der Lupe
Um zu klären, wie sich akuter Stress auf die Epigenetik auswirkt, haben die Forscher zwei bestimmte Gene genau beobachtet. Das erste Gen ist unter anderem an der Regulation des Antistresshormons beteiligt, das zweite ist vor allem für die Entwicklung und Vernetzung der Hirnzellen zuständig. Für die Studie wurden 76 Personen untersucht, die in einem standardisierten Verfahren akutem, psychischem Stress ausgesetzt wurden. Dafür mussten die Probanden ein fiktives Jobinterview durchführen und unter Beobachtung Rechenaufgaben lösen. Für die Analyse der Erbinformationen wurde den Teilnehmern vor der Stresssituation Blut abgenommen, sowie 10 und 90 Minuten danach. Der Stress hatte keine Auswirkung auf das Gen, das bei den Hirnzellen beteiligt ist. Bei dem Gen für die Antistress-Hormone konnten aber bereits nach 10 Minuten deutliche Veränderungen festgestellt werden.
Die Verbindung zwischen Stress und Erkrankung?
Bereits in den vergangenen Jahren gab es Hinweise darauf, dass epigenetische Prozesse an der Entstehung von Krankheiten wie Krebs oder Depressionen beteiligt sind. „Epigenetische Veränderungen sind womöglich ein wichtiges Bindeglied zwischen Stress und chronischen Erkrankungen“, sagt Prof. Meinlschmidt, Leiter der Forschungssektion für Psychobiologie, Psychosomatik und Psychotherapie am LWL-Klinikum. So hofft man nun in Zukunft komplexere epigenetische Stressmuster ausmachen zu können und damit vermutlich einen Schlüssel zu erhalten, der chronischen Erkrankungen vorbeugt oder zumindest für effektivere Behandlungsmöglichkeiten sorgt.
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