»Heute nicht, Schatz – ich habe Migräne«. Diese beliebte Ausrede, wenn »Mann« oder »Frau« gerade keine Lust zum intimen Beisammensein hat, wird ab sofort noch weniger Gültigkeit besitzen. Denn wenn Sie mal wieder von Kopfschmerzen geplagt werden, sollten Sie vielleicht ins Bett gehen. Doch nicht alleine, wie Neurologen der Universität Münster jetzt herausfanden. Den Forschern zufolge kann Sex Kopfschmerzen heilen. Ein »Schäferstündchen« soll sogar ein besserer Schmerzkiller sein als die üblichen Schmerzmedikamente. Mehr als die Hälfte der Migränepatienten, die während einer Attacke Sex hatten, erfuhren eine Verbesserung ihrer Symptome und bei jedem Fünften verschwanden die Schmerzen sogar ganz.
Erhöhte Endorphinausschüttung?
Eine Theorie ist, dass Sex die Freisetzung von Endorphinen auslöst. Diese natürlichen körpereigenen Schmerzhemmer wirken auf das zentrale Nervensystem und reduzieren oder hemmen die Schmerzweiterleitung.
»Unsere Ergebnisse zeigen, dass sexuelle Aktivität während eines Migräneanfalls die Attacke lindern oder in manchen Fällen sogar stoppen kann und dass Sex bei akuten Kopfschmerzen kein ungewöhnliches Verhalten ist«, meinen die Forscher. »Sex kann Anfälle von Migräne und Clusterkopfschmerzen beenden und sexuelle Aktivität wird von manchen Patienten als akute Kopfschmerztherapie genutzt.«
Lange ging man davon aus, dass Sex Kopfschmerzen auslöst. Aber in der neuen Studie der Universität Münster haben Neurologen Daten von 400 Patienten gesammelt, die sowohl an Migräne als auch an Clusterkopfschmerz litten und über einen Zeitraum von zwei Jahren behandelt wurden. 33 Prozent der Patienten waren während eines Kopfschmerzanfalls sexuell aktiv. Innerhalb dieser Gruppe verbesserten sich bei 60 Prozent der Migränepatienten und bei 36 Prozent der Männer und Frauen mit Clusterkopfschmerz die Symptome.
Männer profitieren stärker
Männer profitierten eher vom Liebesspiel und nutzten zu 36 Prozent sexuelle Aktivität zur Behandlung ihrer Kopfschmerzen. Indessen bekämpften nur 13 Prozent der Frauen ihre Kopfschmerzen mit Sex. Bei den Migränepatienten, deren Symptome sich verbesserten, wurden 19 Prozent ihre Kopfschmerzbeschwerden komplett los, 51 Prozent empfanden eine moderate Erleichterung und 29 Prozent berichteten über eine leichte Verbesserung der Schmerzsymptomatik.
»Insgesamt zeigte sich bei 42,7 Prozent der Migränepatienten zumindest eine 50-prozentige Erleichterung der Beschwerden. Diese Reaktion ist genauso gut wie in Studien mit intensiver Schmerzmedikation«, sagen die Forscher.
Genaue Wirkung noch unklar
Der Neurologe Dr. Nick Silver vom »NHS Walton Centre for Neuroscience and Neurosurgery« in Liverpool gibt zu bedenken: »Dies ist eine vorläufige Studie, die nur begrenzte Rückschlüsse zulässt. Was wir hingegen sagen können ist, dass die Entschuldigung »Nicht heute, ich habe Kopfschmerzen« nicht bei allen Sexualpartnern ernst genommen werden kann.«
Die Forscher sagen, dass eine Reihe von möglichen Erklärungen für ihre Ergebnisse denkbar sind, einschließlich der Freisetzung schmerzhemmender Endorphine während des Geschlechtsaktes sowie Veränderungen des Blutdrucks. Bildgebende Verfahren haben außerdem gezeigt, dass die Region um den Hypothalamus im Gehirn sowohl bei einer Clusterkopfschmerz-Attacke als auch während des Orgasmus aktiv ist.
Wer sich bei Kopfschmerzen und Migräne zu sexuellen Aktivitäten in der Lage fühlt, kann diese einfache und durchaus angenehme Behandlung sicher ausprobieren. Für alle anderen wird es wohl leider beim Griff zur Tablette bleiben.
Quelle: Hambach A, Evers S, Summ O, Husstedt IW, Frese A: The impact of sexual activity on idiopathic headaches: An observational study, Cephalalgia. 2013 Feb 19, DOI: 10.1177/0333102413476374
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