Auf dem Schmerz- und Palliativtag in Frankfurt sollen nun Umfrage- und Untersuchungsergebnisse präsentiert werden, die diesen Missstand nicht nur verdeutlichen, sondern gleichzeitig als erster Schritt für die „Schmerzoffensive Deutschland“ betrachtet werden dürfen.
Schmerztherapien bislang nicht zufriedenstellend
Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie und gleichzeitig Leiter des Deutschen Schmerz- und Palliativtags in Frankfurt Dr. Gerhard H. H. Müller-Schwefe zeigt sich betrübt darüber, dass die Arbeit der Gesellschaft bislang nur wenig Früchte getragen hat und sich an der Situation deutscher Schmerzpatienten noch nicht viel zum Vorteil geändert hat. Doch mit der „Schmerzoffensive Deutschland“ soll sich dies nun ändern. Denn unterm Strich sind es nicht die Bemühungen der Schmerzgesellschaft, die versagen, sondern gesundheits- und standespolitische Rahmenbedingungen, die eine Besserung der Situation verhindern.
Die medizinische Grundlage für Schmerzpatienten fehlt
Schmerzpatienten leiden. Daran gibt es kaum einen Zweifel. Woran allerdings immer größere Zweifel aufkommen, ist das medizinische System, das den Schmerz an sich bisweilen unzureichend betrachtet. So sind Experten und Schmerzpatienten selbst überwiegend unzufrieden mit den Behandlungen, wie sie tagtäglich stattfinden. 86 Prozent der 2860 befragten Patienten gaben an, dass sie sich trotz Schmerztherapie im alltäglichen Leben eingeschränkt fühlen und Defizite in der Lebensqualität hinnehmen müssten. Drei Viertel der Befragten leiden unter schmerzbedingten Schlafstörungen und rund 90% gaben zu Protokoll, dass die Intensität der Schmerzen deutlich höher ausfiele als es bei einer Therapie sein dürfte. Da hilft kein Schönreden mehr, denn hierbei handelt es sich zweifelsfrei um ein massives Problem, das nun aktiv angegangen werden soll.
Schmerzmedizin als eigenes Fach gefordert
Die Defizite in der Schmerzmedizin lassen sich darauf zurückführen, dass das Medizinsystem dem Schmerz bislang keinen festen Platz zu bieten hat. Denn dieser wird nach wie vor als Symptom betrachtet und entsprechend behandelt. Und zwar nicht nur auf Seiten der Mediziner, sondern auch auf Seiten der Krankenkassen, die keine entsprechenden Einträge bezüglich des Schmerzes in ihren Leistungskatalogen vorweisen können. Entsprechend sind Schmerzpatienten meist auf einer jahrelangen und vor allem auch frustrierenden Odyssee durch diverse Arztpraxen unterwegs, bis ihnen endlich halbwegs geholfen werden kann. An spezialisierten Fachärzten mangelt es jedenfalls enorm, da der Schmerz kein Pflichtteil der ärztlichen Ausbildung darstellt. Demzufolge fordert die Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie e.V. ganz klar die Schmerzmedizin als eigenständiges und gleichwertiges Fach im Rahmen des Medizinstudiums. Ferner sollen auch die Krankenkassen dem Schmerz im wahrsten Sinne des Wortes Leistung tragen und eine angemessene Vergütung für eine Behandlung vorsehen. In dem aktuell vorliegenden Entwurf des Gesundheitsministeriums für die neue Zulassungsregelung der Ärzte ist die Schmerzmedizin zumindest als Querschnittsfach vorgesehen – ein kleiner Teilerfolg.
Pilotprojekt war bereits erfolgreich
Um die Erfolgsaussichten zu untermauern hat die Gesellschaft für Schmerzmedizin bereits ein Konzept gestartet, das als Vorreiter für bessere Versorgungsmodelle dienen soll. Die integrierte Versorgung von Rückenschmerzpatienten hat sich dabei als besonders erfolgreich erwiesen. „Dieses Projekt zeigt“, erklärt Müller-Schwefe, „wohin die Reise grundsätzlich in der Schmerztherapie gehen muss: Hin zu einer rechtzeitigen und intensiven Versorgung, bevor es zu tiefgreifenden Chronifizierungsprozessen gekommen ist, deren Behandlung dann sehr viel höhere Kosten verursacht.“ Zu diesem Schluss sind auch die Techniker und die Hanseatische Krankenkasse gekommen, die das Modell mittlerweile an 36 Stellen Deutschlands unterstützen. Das Konzept des Projektes, das von der IMC GmbH durchgeführt wird, ist dabei so einfach wie effektiv. Die Krankenkassen sprechen gezielt ihre Patienten an, die sich wegen Rückenschmerzen in Behandlung befinden und mindestens für vier Wochen arbeitsunfähig geschrieben wurden, wobei eine längere Arbeitsunfähigkeit droht. Bei diesen Patienten ist die Gefahr nämlich besonders groß, dass der Schmerz chronisch werden könnte. Stimmen die Patienten zu, so erhalten sie eine vier- beziehungsweise maximal achtwöchige Intensivbehandlung von Ärzten, Psychologen und Physiotherapeuten, die sich Hand in Hand um den Schmerz kümmern. In der sogenannten multimodalen Therapie werden die Patienten also von mehreren Experten gleichzeitig behandelt, ein Modell, das sich auszahlt. Denn bei den Rückenschmerzpatienten zeigt die Behandlung Wirkung und die Lebensqualität konnte wieder nachhaltig gesteigert werden. Unter diesem positiven Vorzeichen soll der Schritt in Richtung adäquater Schmerztherapie nun fortgesetzt werden. „Es ist unser erklärtes Ziel, diese Versorgungsform für alle Schmerzformen gleichermaßen und flächendeckend zu etablieren“, versichert Müller-Schwefe.
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