Es ist ein ermutigendes Zeichen: Immer wieder versteht es die Wissenschaft, Brücken zu schlagen und Verbindungen zu schaffen über alle ideologischen und geographischen Gräben hinweg. Ein signifikantes Beispiel gibt derzeit die Justus-Liebig-Universität im mittelhessischen Gießen. Nach vorausgegangenen höhenmedizinischen Forschungen in Kirgisien, Nepal, Indien und Chile haben die Lungenforscher der medizinischen Fakultät nun im Einvernehmen mit der chinesischen Regierung in Peking einen wichtigen wissenschaftspolitischen Erfolg erzielt. In einem bislang weltweit einmaligen Kooperationsabkommen zwischen der Giessener Universität und der Universität Lhasa in Tibet wurde ein permanentes Höhenforschungslabor am Mount Everest in 6.000 Meter Höhe begründet. Ende September hat die Zentralregierung der Volksrepublik China ihr endgültiges Plazet zu diesem Abkommen gegeben.
Auch für die Breitenmedizin von großer Bedeutung
Von den zu erwartenden medizinischen Erkenntnissen vor allem im Hinblick auf Lungenkrankheiten infolge von Sauerstoffmangel sollen die Höhenbewohner – nicht nur im tibetanischen Gebirgsland -, aber auch die Menschen in „normalen“ Breitengraden profitieren. Die Giessener Wissenschaftler erklären ihr Forschungsvorhaben so: in 6.000 Meter Höhe erkrankt jeder Menschen mit tödlichem Ausgang. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der eintretende Sauerstoffmangel wichtige Organe wie Herz, Lunge und Gehirn versagen lässt. Diese Situation in solcher Höhe gleicht der von chronisch Lungenkranken, aber auch der Lage intensivmedizinisch betreuter Patienten – und ist für die Breitenmedizin von großer Bedeutung. Frühere Experimente der Giessener Lungenforscher haben indessen gezeigt, dass die Mechanismen, die zu diesem Organversagen führen, keinesfalls unabwendbar sind.
Resistenz gegen Sauerstoffmangel
Die Giessener Forscher wollen nun in 6.000 Meter Höhe am Mount Everest ergründen, wie im menschlichen Körper eine Resistenz gegen Sauerstoffmangel entsteht, und wie sich eine solche Akklimatisierung an einen Sauerstoffmangel beschleunigen lässt. Dabei geht es aber nicht allein um das Wohl von Bergsteigern. Denn Sauerstoffmangel tritt auch bei Krankheiten wie Schlaganfall und Herzinfarkt auf. Ergo: Eine solche medizinische Notfallsituation könnte mit Therapien, die auf Erkenntnissen der Höhenforschung beruhen, besser überstanden werden.
Schäfer-Gümpel zog die Fäden zur KP in Peking
Das neue Höhenforschungslabor wird durch die Regierung der autonomen chinesischen Region Tibet und die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanziell unterstützt. Auch Forscher des kürzlich gegründeten und von Gießen aus koordinierten Deutschen Zentrums für Lungenforschung sowie Arbeitsgruppen des Gießen-Marburger Lungenzentrums (Universities Gießen and Marburg Lung Center) werden an dem Projekt beteiligt. Den politischen Weg für das Everest-Projekt hatte Thorsten Schäfer-Gümpel, SPD-Fraktionsvorsitzender im Hessischen Landtag, gegeben. Er hält persönliche Kontakte zur KP Chinas in Peking.
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