Wissenschaftlicher Wettbewerb soll medizinisches Science-Fiction Gerät nacherfinden. Ein mit 10 Millionen Dollar dotierter wissenschaftlicher Wettbewerb will aus Science-Fiction Realität werden lassen. Bis zum Jahre 2015 sollen Forscher und Ingenieure den Tricorder, ein fiktives medizinisches Diagnose-Gerät aus der Fernsehserie „Star Trek“, für echte medizinische Bedürfnisse nacherfunden haben.
Der Arzt des Raumschiffs Enterprise, Dr. Leonard „Bones“ McCoy, führt ein kleines, piepsendes Gerät am Bauch einer hochschwangeren Außerirdischen entlang. Kurz darauf hat der Mann in der hellblauen Uniform der Sternenflotte bereits eine Diagnose: „Das Kind kann jeden Moment kommen“, sagt McCoy mit ernster Miene. Die blonde Damsel aus einer fernen Galaxie ist skeptisch und möchte wissen, wie er sich so sicher sein könne. „Ich bin Arzt. Darum weiß ich das“, tönt der Charakter in der legendären ersten Version der „Star Trek“-Serie aus den 60er Jahren.
Ganz ehrlich war Dr. McCoy mit seiner extra-terrestrischen Patientin jedoch nicht. Sein futuristisches Fachwissen hatte nämlich Hilfe von einem kleinen medizinischen Diagnose-Gerät aus dem 23. Jahrhundert – dem sogenannten Tricorder. Ein Blick auf den kleinen Bildschirm dieses Tricorders erlaubt McCoy in unzähligen Episoden ein blitzschnelles und akkurates Urteil über die Gesundheit von Mensch und Alien. Die rund 50-Jahre-alte Idee war so genial, dass auch die Autoren der neuen Star Trek Versionen bis in das 21. Jahrhundert hinein an dem Gimmick festhielten. Die als „Trekkies“ bekannten Fans der Serie handeln Tricorder-Spielzeuge auf Auktions-Webseiten wie Ebay für astronomische Preise.
10 Millionen Dollar Preisgeld
Doch damit nicht genug – nun soll der Tricorder sogar medizinische Realität werden. Auf der weltweit größten Messe für Unterhaltungselektronik, der CES in Las Vegas, verkündete die „X Prize“-Stiftung zu Jahresbeginn, dass ein mit 10 Millionen Dollar dotierter Wettbewerb Wissenschaftler dazu einlade, bis zum Jahre 2015 einen echten Tricorder zu entwickeln. Die gemeinnützige Stiftung war 1995 ins Leben gerufen worden, um Innovation durch Wettbewerbe zu stimulieren. Laut Ausschreibung müsse das Sieger-Modell in der Lage sein, „medizinische Schlüsseldaten wie Blutdruck, Körpertemperatur oder Atem-und Herzfrequenz zu messen und sofort darzustellen“. Außerdem soll der Tricorder 15 nicht spezifizierte Krankheiten diagnostizieren können.
Gesundheit in die eigene Hand nehmen
Dabei muss der Taschendoktor mobil bleiben und deswegen ein Gesamtgewicht von etwas mehr als zwei Kilogramm nicht überschreiten. Sinn eines solchen Geräts sei es schlichtweg, „jeden Menschen dazu in die Lage zu versetzen, seine Gesundheit buchstäblich in die eigene Hand zu nehmen“, wie es Stiftungsvorstand Peter Diamandis formuliert.
Nach Einschätzung der „X Prize“-Stiftung ist ein solcher Wettbewerb nötig, weil ein „Durchbruch in Bereichen wie medizinischer Technologie und behördlicher Regulierung stimuliert werden muss“ und die Wahrnehmung bekämpft werden müsse, dass Medizin nur von wenigen kontrolliert werden darf. „Wir wollen die Gesundheits-Industrie neu erfinden“, sagt Diamandis. Die Ausschreibung spreche dabei alle Aspekte neuer Technologien an, wie zum Beispiel „künstliche Intelligenz, drahtlose Datenmessung, Cloud-Speicherung oder das Prinzip des Labors auf einem Chip“.
Star Trek inspiriert Forscher
Schon seit langem haben Ideen aus dem Star Trek-Universum Ingenieure und Wissenschaftler in der realen Welt beeinflusst. Aufklappbare Handys, Freisprech-Technologie wie Bluetooth-Geräte und selbst Tablet-Computer weisen in Funktion und Design eine oft verblüffende Ähnlichkeit mit Fantasie-Geräten auf, die erstmals auf dem Raumschiff Enterprise zur fiktiven Anwendung kamen.
So ist es kaum verwunderlich, dass auch der „Qualcomm Tricorder X Prize“ sich einen kreativen Anschub aus der Welt von Captain Kirk und Mister Spock erhofft. Denn Science-Fiction ist bei den Wettbewerben der Stiftung ohnehin ein zentrales Thema. Im Jahre 2004 bot der „Ansari X Prize“ 10 Millionen Dollar für diejenigen, denen es gelingt, das erste private Raumschiff in den Orbit zu schicken. Das Resultat des Wettbewerbs war „Space Ship One“. Nur wenig später machte sich Milliardär Richard Branson die Erkenntnisse aus dem Wettbewerb zunutze, um „Space Ship Two“ zu bauen und die Weltraum-Reisegesellschaft „Virgin Galactic“ zu gründen.
Energiesparende Autos und Roboter auf dem Mond
Weitere „X Prize“-Projekte suchen nach einem extrem energiesparenden Auto, wollen einen Roboter auf den Mond schicken oder die Meeresreinigung nach einer Öl-Katastrophe effizienter machen.
Die Idee hinter den Wettbewerben ist es dabei, Forschung in einem finanziellen Volumen zu stimulieren, welches das eigentliche Preisgeld bei weitem übersteigt. Historisches Musterbeispiel für diese Idee war der erste Flug über den Atlantik 1927, bei dem die Wettbewerber zusammen gerechnet rund 400 000 Dollar ausgaben, um ein 25 000-Dollar Preisgeld zu gewinnen. „Das Ziel des X-Prizes ist es nicht, ein Produkt in die Geschäfte zu bringen oder ein Museumsstück zu entwickeln, sondern vielmehr einen völlig neuen Industriezweig zu erschaffen“, erläutert Diamandis. Die Idee scheint aufzugehen, denn schon bei dem Raumschiff-Projekt des Ansari-Preises investierten 26 Teams zusammen rund 100 Millionen Dollar im Kampf um ein 10 Millionen Dollar Preisgeld.
Erste Smartphone-Erweiterungen
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Die Industrie verfolgt die „X Prize“-Ausschreibungen jedenfalls aufmerksam. Der Sponsor für den Tricorder-Wettbewerb ist zum Beispiel der Chiphersteller für Smartphones Qualcomm. Das kommt nicht von ungefähr, denn Smartphones gelten als eine Art logischer Zwischenschritt auf dem Weg zum Tricorder. Besonders Hardware-Erweiterungen für Geräte wie das iPhone sind derzeit populär. So wurden unlängst in Frankreich und den USA mit den schlauen Handys verbindbare Erweiterung vorgestellt, die zum Beispiel schon den Blutdruck oder Glucose-Level im Blut mobil messen und verwerten können.
Solche Innovationen beweisen aber auch, dass im Gesundheits-Bereich ein großes Bedürfnis zur praktischen, schnellen und kostengünstigen Selbstdiagnose besteht. Die „X-Prize“-Stiftung beklagt, dass in jedem Industriezweig mit Ausnahme des Gesundheitswesens die Nachfrage des Endkunden Innovation und Erfindungen bestimmen. In der Medizin führten solche Bedürfnisse immer zwangsläufig in ein Wartezimmer. „Die Mutter mit einem kranken Kind um zwei Uhr morgens oder jemand auf einer langen Autofahrt könnten den Tricorder nutzen, um sich selbst zu diagnostizieren, ohne dabei einen Arzt oder ein Krankenhaus aufsuchen zu müssen“, sagt Diamandis. Die einzigen handlichen Geräte für Laien, die es für solche Situationen bislang gebe, seien mehr oder weniger das Thermometer und das Telefon.
Mediziner sind skeptisch
Noch zeigen sich Mediziner skeptisch. So sagt der Londoner Krebsforscher Professor Jeremy Nicholson dem britischen Sender BBC: „Wie kann mit dem Gerät etwas spezifisch festgestellt werden? Wie werden die Proben entnommen und wie passt das alles in ein kleines Gerät?“
Doch die Organisatoren des Wettbewerbes betonen, dass es ihnen nicht darum gehe, Ärzte zu ersetzen, sondern eine logische Ergänzung im medizinischen Dienstleistungsangebot zum Nutzen des Patienten zu bieten. Als Vergleich nennen sie Online-Banking – denn auch die elektronische Verwaltung des Kontos von zuhause haben Banken und deren Angestellte nicht überflüssig gemacht, sondern lediglich Kunden mehr Komfort und Möglichkeiten eröffnet.
Fotos: © Qualcomm Tricorder X Prize
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