Salicylsäure, einst aus Weidenrinde gewonnen, gehört zu den ältesten Arzneimitteln der Welt. Damit wurde auch die Basis für die heute verwendete Acetylsalicylsäure, besser bekannt als ASS oder Aspirin, gelegt. Doch das traditionsreiche Medikament zeigt in Untersuchungen noch immer neue gesundheitsfördernde Eigenschaften.
Acetylsalicylsäure wird vor allem als Schmerzmittel und als Blutverdünner bei Patienten mit erhöhtem Risiko auf Herzinfarkt und Schlaganfall eingesetzt. Sie nehmen in der Regel täglich eine niedrige Dosis Aspirin ein. Es wirkt zuverlässig und ist kostengünstig.
Wissenschaftler der Universität Göteborg fanden nun heraus, dass diese Therapie besonders Frauen zugute kommt. Denn eine tägliche Aspirindosis kann sie nicht nur vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen, sondern verzögert auch die Verschlechterung der Gehirnfunktionen.
Die Wissenschaftler untersuchten fünf Jahre lang 500 Frauen zwischen 70 und 92 Jahren, bei denen ein erhöhtes Risiko auf Herz- und Gefäßkrankheiten bestand. Zu Beginn und zum Ende der Studie wurden die kognitiven Fähigkeiten der Teilnehmerinnen gemessen. So wurden die intellektuellen Fähigkeiten und auch das Orientierungsvermögen getestet.
Bessere Testergebnisse
Bei den Teilnehmerinnen, die während dieser fünf Jahre täglich eine niedrige Dosis Aspirin einnahmen, verschlechterten sich die Testergebnisse deutlich weniger als bei den Frauen, die kein Aspirin schluckten. Aspirin scheint also bei Frauen mit erhöhtem Herz-Kreislauf-Risiko die Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten hinauszuzögern. Es wurde auch auf die Entwicklung einer Demenz geachtet, aber darauf scheint die Wirkung von Aspirin keinen Einfluss zu haben.
Dauertherapie noch nicht empfohlen
Vorläufig empfehlen die Wissenschaftler noch nicht, täglich Aspirin einzunehmen. »Wir wissen noch nichts über die Risiken bei der Langzeitanwendung. Die Vorteile wiegen die Nachteile wie Magengeschwüre und schwere Blutungen im Verdauungstrakt vielleicht nicht auf. Weitere Forschungen sind notwendig und deshalb untersuchen wir die Frauen weitere fünf Jahre«, sagt Wissenschaftlerin Dr. Silke Kern. Die Studienergebnisse wurden im Fachmagazin BMJ Open veröffentlicht.
Aspirin präventiv bei Krebs und Diabetes?
Schon im April 2012 berichtete ein britisch-kanadisches Forscherteam im Fachjournal »Science« über einen neuen Wirkmechanismus des Aspirins, der die präventive Wirkung bei Krebs und Diabetes erklären könnte. Bei Mäusen aktivierte ein hoher Acetylsalicylsäurespiegel im Blut ein Enzym AMPK, das wesentlich für die Regulierung von Zellwachstum und Stoffwechsel ist. Dieses Enzym steuert unter anderem den Fettabbau, beeinflusst aber auch den Zuckerstoffwechsel. Die Forscher konnten im Tierversuch zeigen, dass Salicylsäure die Fettverbrennung ankurbelt und das Leberfett bei übergewichtigen Mäusen senkt.
Das orale Standarddiabetikum Metformin wirkt in vergleichbarer Weise auf dasselbe Enzym. Sowohl Metformin als auch Aspirin geben in klinischen Studien Hinweise auf einen krebsvorbeugenden Effekt. Dieser Effekt könnte durch die Wirkung auf das Enzym AMPK erklärt werden. Eine weitere groß angelegte Studie soll untersuchen, ob durch eine Therapie mit dem Acetylsäurepräparat Salsalat einem Typ 2-Diabetes vorgebeugt werden kann. Unklar ist auch noch, wie viel Salicylsäure im Blut vorhanden sein muss, um bei einem Patienten eine zufriedenstellende Wirkung auf das Enzym zu erreichen.
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Aspirin wirksam bei bestimmten Darmkrebstumoren
Eine neue Studie, die im Fachmagazin »The New England Journal of Medicine« veröffentlicht wurde, berichtet über eine mögliche Wirkung von Aspirin bei Darmkrebs. Die Wissenschaftler untersuchten fünf Jahre lang 964 Patienten mit Darmkrebs. Eine Gruppe schluckte Aspirin, die Kontrollgruppe nicht.
Aus der Aspirin-Gruppe lebten nach fünf Jahren noch 97 Prozent der Teilnehmer. In der Kontrollgruppe lebten nur noch 74 Prozent der Probanden. Die Mediziner entdeckten aber, dass das Aspirin nur bei Darmkrebspatienten positiv wirkt, deren Tumore eine bestimmte Genveränderung (PIK3CA) haben. Bei Patienten, deren Tumore diese Genveränderung nicht aufweisen, wirkt Aspirin nicht lebensverlängernd. Diese spezifische Genveränderung liegt in 15 bis 20 Prozent der Darmkrebsfälle vor.
Die Wissenschaftler betonen, dass weitere Studien nötig sind, um mehr Klarheit über die Wirkung von Aspirin bei Darmkrebspatienten zu erhalten.
Quellen: Silke Kern et al.: Does low-dose acetylsalicylic acid prevent cognitive decline in women with high cardiovascular risk? A 5-year follow-up of a non-demented population-based cohort of Swedish elderly women, BMJ Open 2012;2:e001288 doi:10.1136/bmjopen-2012-001288
Simon A. Hawley et al.: The Ancient Drug Salicylate Directly Activates AMP-Activated Protein Kinase, Science 18 May 2012: Vol. 336 no. 6083 pp. 918-922 doi: 10.1126/science.1215327
Xiaoyun Liao et al.: Aspirin Use, Tumor PIK3CA Mutation, and Colorectal-Cancer Survival, N Engl J Med 2012; 367:1596-1606, October 25, 2012, doi: 10.1056/NEJMoa1207756
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