Er schaut ihr tief in die Augen. Von dort glitzert es viel versprechend zurück. Da reißt ihm das unaufhaltsame Bedürfnis zu gähnen den Mund auseinander, dass die Kieferknochen schier knacken. Die Stimmung ist im Eimer. Er gähnt – das ist ihr ein Zeichen von Langeweile, Müdigkeit, Mattigkeit und Schlafbedürfnis. Was so hoffnungsvoll begann, endet in Missmut. Doch dies ist eine totale Fehleinschätzung, denn Gähnen, das haben niederländische Wissenschaftler erkundet und bekräftigt, wird vom Glückshormon Dopamin ausgelöst. Das heißt, Gähnen signalisiert im partnerschaftlichen Beisammensein sexuelle Stimulation.
Das Glückshormon Dopamin
Der niederländische Forscher Wolter Seuntjens hat das Phänomen entdeckt und erforscht. Demnach sind in den Prozessen des Gähnens und sexueller Stimulation ähnliche neuronale Botenstoffe beteiligt, wie es in der Fachsprache heißt. Eine erhöhte Konzentration des Glückshormons Dopamin löst regelrechte Gähnsalven aus. Gleichzeitig werden Neuronen im Zwischenhirn angeregt, das „Kuschelhormon“ Oxytocin auszuschütten. Und zu einem Ocytocin-High kommt es regelmäßig beim Austausch von Zärtlichkeiten und beim Orgasmus. Der Wissenschaftler verweist auch gerne darauf, dass klinische Studien immer wieder zeigen, wie über Antidepressiva zwei Nebenwirkungen gemeinsam auftreten: Gähnen und sexuelle Erregung.
Wichtig auch bei geistiger Tätigkeit
Das alles ist aber nur die eine Seite der Medaille. Lange dachte man, dass der Mensch gähnt, wenn er müde ist, weil dem Körper Sauerstoff fehlt. Dem widersprechen amerikanische Wissenschaftler. Nach ihren Untersuchungen muss der Mensch immer dann gähnen, wenn sich die Aktivität des Körpers ändert – das heißt, wenn er erst schläfrig ist und dann wach wird, oder umgekehrt. Deshalb gähnt der Mensch am meisten nach dem Aufstehen und vor dem Schlafengehen. Zwei US-Psychologen von der University of Albany sagen außerdem ziemlich profan, das Gähnen ersetze auch die Klimaanlage für das Hirn. Wer also bei anstrengender Grips-Gymnastik, also verstärkter geistiger Tätigkeit der Kopf nachgerade raucht, der will mit einem kräftigen Gähnen für die nötige Abkühlung sorgen. Immerhin verbraucht die Aktivität der grauen Zellen etwa ein Drittel des menschlichen Kalorienbedarfs, der dabei in Wärme umgewandelt wird. In einer Studie sind die Wissenschaftler zu dem Schluß gekommen, dass „durch die temperaturregulierende Funktion des Gähnvorgangs die Aufmerksamkeitsfähigkeit sogar gesteigert wird. Insgesamt: Alle Wirbeltiere gähnen, zum Beispiel Vögel, Hunde, Katzen, Affen und sogar Fische.
Das heißt, gegen genussvolles Gähnen, verbunden mit Räkeln und Strecken aller Gliedmaßen, ist nichts einzuwenden. Muskulatur und Kreislauf werden auf Trab gebracht. – Und auch die Liebe.
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