Sie wollten gerade ein Brot kaufen? Das da hinten sieht doch gut aus – aber, wie bitte, heißt das? Dann doch lieber schnell umschwenken auf ein klassisches Graubrot. Unsere Welt wimmelt heute geradezu von Werbetextern, PR-Strategen und Kreativköpfen aller Art. Auch im Bäckerhandwerk haben sie längst Einzug gehalten – vorbei die Zeit, als es Weiß-, Grau- und Schwarzbrot gab, Weizen- oder Roggenbrot. Auch Brote tragen heutzutage oft originelle Namen – so originell, dass man sich vorm Kauf lieber erst einmal verstohlen umsieht, wer sich alles in Hörnähe befindet.
Darf’s ein scharfer Grieche sein?
Es wäre jetzt genau das Richtige: ein kleines rundes Weißbrot mit eingebackenem Schafskäse und Peperoni. Doch in der Schlange an der Theke der Bäckerei Rolf steht ein knackiger junger Mann – das macht es geradezu unmöglich, den „Scharfen Griechen“ zu ordern. In welcher grammatischen Form überhaupt? „Ein scharfer Grieche, bitte“? „Ich hätte gern einen scharfen Griechen“? Verdammt: „Ein Ciabatta, bitte.“
Vor ähnlich peinliche Situationen sieht sich womöglich gestellt, wer andernorts ein „Lecker Mädchen“, eine „Starke Hilde“ oder gar ein „Erotik-Brot“ bestellen möchte, aber nicht kann, weil die Namen gar zu blöd sind. Nun ja, man könnte es ja als Mutprobe betrachten – bei Jugendlichen ist so was ja angesagt. Auch der „Rauchfangkehrer“, der „Bauernstubs“ oder die „Mönchstange“ haben sexuelle Konnotationen. Hat sich Besuch angekündigt oder wartet daheim eine hungrige Familie, so sind womöglich zwei Mönchstangen vonnöten. Nein, das macht es auch nicht besser.
Brot mit politischem Hintergrund?
Gewiss, nicht alle skurrilen Brotnamen sind sexuell vorbelastet; auch die ethnologisch-politische Sphäre kommt zu teils fragwürdigen Ehren. Da gibt es den „Deutschen Michel“ und – Achtung Zungenbrecher! – das „Aboriginesweckerl“. Tschechisch ist vielleicht keine einfache Sprache, aber wer bei unseren österreichischen Nachbarn aus der „Topfenkolatsche“ eine „Topfengulatsche“ gemacht hat, hatte wahrscheinlich gerade einen Wahnsinnsappetit auf etwas Herzhaftes. Denn mit Gulasch haben die Quarktaschen nun gar nichts zu tun.
Einen zweifelhaften Gefallen hat sich auch die Berliner Bäckerei SoLuna getan, die eines ihrer Brote „Ostblock“ getauft hat. Bloggerin „Rosa“ hat sich daran zwar nicht die Zähne ausgebissen, war aber von dem Geschmack nach „muffigem Sägespan“ dennoch enttäuscht. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Ein „Kronprinz“ oder ein „Pain-Parisien“ zum Frühstück tragen vielleicht zu einer geraderen Körperhaltung bei.
Fitness und Wellness auch beim Bäcker
Der Gesundheitstrend hat auch vor den Bäckereien nicht Halt gemacht. Es ist ja nichts Ehrenrühriges dabei, vor dem Frühstück 50 Kniebeugen zu machen oder nach Sonnenuntergang keine Kohlehydrate mehr zu sich zu nehmen – doch eine leichte Beklommenheit mag man doch empfinden beim Bestellen eines „Calcius D3-Brotes“ oder „Omega-3-Brötchens“. Oder darf es doch ein „Kornsteak-Brot“ sein? Dieses richtet sich mit seinem hohen Gehalt an Proteinen an Vegetarier und Veganer.
Fantasienamen allein genügen nicht
Natürlich – künstlerische Freiheit soll auch bei Brotnamen gelten, wieso auch nicht? Bäcker dürfen ihren Backwaren Fantasienamen geben, doch die so genannte Verkehrsbezeichnung gehört immer dazu. Diese gibt dem Kunden Auskunft über die enthaltenen Mahlerzeugnisse, also ob es sich beispielsweise um ein Weizenbrot oder ein Roggenmischbrot handelt. Weiterhin gibt es noch Gattungsbezeichnungen (etwa Landbrot) und Herkunftsbezeichnungen wie „Original Schwarzwälder Brot“, wobei das Wörtchen „Original“ auf die Echtheit der Bezeichnung verweist und sich damit von der Gattung abhebt. Eine geschützte geografische Herkunftsangabe wie etwa beim „Bremer Klaben“ bedeutet, dass das Produkt nur in der jeweiligen Stadt oder Region hergestellt werden darf.
Bäckerei vom Verein für Deutsche Sprache ausgezeichnet
Mitunter juckt es in den Fingern, manch einer Bäckerei oder doch den für die Namensfindung Zuständigen ein Berufsverbot zu erteilen. Die Bäckerei Hesse aus Kirchhundem ist aufgrund ihrer Brotnamen zum „Sprachvorbild 2008“ gekürt worden. Kein Wunder, könnte man meinen, hieß doch der Firmengründer des Familienbetriebs wie der berühmte Schriftsteller Hermann Hesse. In der Begründung des Vereins für deutsche Sprache heißt es: „Die Backwaren tragen deutsche Bezeichnungen und einfallsreiche Namen. Dies zeigt, dass ein Unternehmen auch ohne Anglizismen kundenorientiert und unternehmerisch erfolgreich sein kann“. Inhaber Reinhard Hesse dazu: „Dass wir auf die deutsche Sprache setzen, ist gewollt. Das Bäckergeschäft ist etwas Bodenständiges und Traditionelles, da passt unsere Sprache einfach.“ Wie nun das „Gourmet-Ciabatta“ da hinein passt, bleibt indes unklar.
Bernd – das lizensierte Dreikornbrot
Niemand kommt in die Verlegenheit, in einer Bäckerei ein „Fettes Brot“ zu bestellen, da es sich dabei um eine Musikgruppe handelt. Doch KiKa-Figur Bernd das Brot, ein fatalistisches und meist deprimiertes Kastenbrot, zu dessen Gepflogenheiten es gehört, das Muster seiner Raufasertapete auswendig zu lernen, ist vor einigen Jahren als Lizenzprodukt in Bäckereien erhältlich gewesen. Wie nun also, ohne das Gesicht dabei zu verlieren, ein solches Brot bestellen, das sich selbst als Angehörigen der Gattung Homo Brotus Depressivus („depressiver Brot-Mensch“) bezeichnet?
Die Oma aus dem Touché-Comic von Thomas Körner alias Tom, die beim Bäcker „Zwei Brötchen, bitte“ bestellt und sich durch die barschen Nachfragen der Verkäuferin genötigt sieht, immer mehr zu bestellen – und am Ende fleht: „Bitte nicht! Mehr Geld hab ich wirklich nicht dabei!“, ist allerdings auch nicht besser dran.
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