Zum ersten Mal überhaupt konnte die Schweiz (Auswandern) im Jahr 2005 die Vereinigten Staaten als beliebtestes Einwanderungsland der Deutschen ablösen. Diese sind damit absoluter Spitzenreiter im Land der Eidgenossen und stellen immerhin schon rund 11 Prozent der dort lebenden Ausländer. Die Gründe sind dafür sind offensichtlich: Arbeit, sichere Sozialsysteme, guter Verdienst. Bei deutlich höheren Lebenskosten, allerdings. Und im Ausland gelten die Deutschen – den Diskussionen im eigenen Land zum Trotz – als qualifiziert und engagiert.
Aber wissen die Schweiz-Einwanderer auch, was sie erwartet? Zuerst einmal sollte man nicht glauben, in ein Land zu ziehen, dessen Sprache man beherrscht. Die Tücken des Dialekts sind für ungeübte Ohren kaum zu durchdringen. Da trifft es sich sehr gut, dass der Schweizer an sich ein höflicher Mensch ist und in der Regel auf die gemäßigte „Schriftdeutsch“-Variante umstellt, wenn er merkt, dass es sich bei seinem Gesprächspartner um einen Zugereisten handelt. Wissen sollte man, dass dies für einen Einheimischen eine echte Fremdsprache ist, die sie sicher gut verstehen, die aber nicht den natürlichen Gepflogenheiten entspricht.
Da bleibt nur der Trost, das auch Zürcher und Basler in Schwierigkeiten kommen, wenn sie es mit Menschen aus dem Wallis oder aus der Landeshauptstadt Bern zu tun bekommen. 26 Kantone heißt zwar nicht unbedingt 26 verschiedene Dialekte, aber die Anzahl ist trotzdem hoch.
Der Schweizer mag aussehen wie ein Deutscher, sein Verhalten ist aber durchaus anders. Er wird zum Beispiel mit dem Ausdruck der eigenen Meinung viel vorsichtiger umgehen, als dies hierzulande üblich ist. Dabei wissen Schweizer mit der eigenen Leistung durchaus offensiv umzugehen – nicht nur was Kräuterbonbons betrifft. Aber angegeben wird nicht. Das überlässt man – nach landläufiger Meinung – eher den Deutschen. Und ist gleichzeitig durchaus fasziniert von deren Zurschaustellung hemmungslosen Selbstbewusstseins. Wer aber glaubt, die Schweiz sei keine Ellenbogengesellschaft, der sei eindringlich vor größeren Menschenansammlungen gewarnt. Der Schweizer kann seinen Platz behaupten – und scheut auch vor körperlicher Präsenz nicht zurück. So diskussionsfreudig diese Gesellschaft sonst ist – manchmal muss eben auch damit Schluss sein.
Wer in der Schweiz leben will, für den ist der Erhalt einer Aufenthaltsbewilligung heutzutage nicht mehr ganz so kompliziert wie zu Emil Steinbergers „Schweizermacher“-Tagen. Bis vor zwei Jahren mussten Schweizer Firmen den Nachweis führen, dass ein Arbeitsplatz nicht mit einem Einheimischen besetzt werden konnte. Mittlerweile können EU-Bürger, zumindest mit Sondergenehmigung, sogar ohne Arbeit bis zu einem Jahr in der Schweiz leben.
Und wer nach 12 Monaten noch nichts gefunden hat, für den ist das Leben wahrscheinlich sowieso zu teuer. Das gilt natürlich nicht für Pensionäre wie Michael Schumacher, die zusammen mit ihrem Geld überall willkommen sind. Wer in einem Land leben möchte, das die Diskussion und den Ausgleich in allen Lebensbereichen fast zur Religion erhoben hat, wer in seinem Auto ein Fortbewegungsmittel und nicht ein Statussymbol sieht, und wer vor allem das „e“ in „Grüezi“ mitsprechen kann, der ist in der Schweiz sicher gut aufgehoben. Viel näher ans Paradies kann man es von Deutschland aus kaum schaffen.
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