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Ratgeber:

Nachlassregelung – Richtig erben und vererben

In den kommenden Jahren werden große Vermögen von Generation an Generation vererbt. Zumindest dann, wenn Erblasser und Erbe alles richtig machen. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Erbschaft - die Nachlassregelung sollte noch zu Lebzeiten geregelt werden.

Nachlassregelung – Erbschaftangelegenheiten sollte man frühzeitig zu Lebzeiten regeln. Bild: © fotolia.de

1.484.000.000.000 Euro wurden und werden in den Jahren seit 2007 und noch bis 2016 von Älteren an die jüngere Generation vererbt werden. Das ergaben die Berechnungen von Empirica, einem unabhängigen wirtschafts- und sozialpolitischen Beratungsunternehmen aus Berlin. Reiner Braun, Vorstand: „Wer heute in Rente geht, hat oft ein stattliches Vermögen zusammengetragen: Die Senioren haben den Wirtschaftsaufschwung nach dem Krieg miterlebt, es gab noch keinen Stellenabbau, keine Langzeitarbeitslosigkeit und keine Rentenkürzungen. Sie profitieren von niedrigen Krankenkassenbeiträgen und von der Pflegeversicherung.“ Allerdings: Deren Kinder, die vermutlich das angesparte Vermögen einmal erben werden, sollten darauf nicht bauen. Schließlich kann die Erbmasse schnell schrumpfen, wenn der Ehepartner, Vater oder Mutter zum Pflegefall wird. Dann bleibt am Ende nicht mehr viel übrig, was an die nächste Generation weitergegeben werden kann. „Darum sollten sich die Jüngeren nicht darauf verlassen, einmal zu erben. Vielmehr müssen sie gezielt Altersvorsorge betreiben“, sagt Braun. Doch selbst, wenn das Vermögen bis zum Tod erhalten bleibt, heißt das nicht, dass sich die Erben daran erfreuen. Dazu gibt es zu viele Fallen und Fettnäpfchen, in die der Erblasser und die Erben tappen können. Darum ist es wichtig, sich frühzeitig mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Wer braucht ein Testament?

Wenn der Nachlass nach dem Tod dem Partner oder den Kindern vererbt werden soll, ist eigentlich kein Testament notwendig. Denn sie erben nach dem Gesetz sowieso. Dies regelt das Bürgerliche Gesetzbuch in den Paragrafen 1922 ff. Danach steht bei einem Ehepaar ohne Ehevertrag und mit zwei Kindern dem Partner eine Hälfte zu, die andere wird unter den Kindern aufgeteilt. Bei zwei Kindern bekommt also jedes ein Viertel des Gesamtvermögens. Schwierig wird es erst, wenn von der gesetzlichen Erbfolge abgewichen werden soll, weil möglicherweise ein Teil des Geldes einer gemeinnützigen Institution zufließen soll, oder die Kinder erst dann erben sollen, wenn beide Elternteile verstorben sind. Dann braucht man ein Testament. Auch wenn der Erblasser einzelne Gegenstände bestimmten Personen vererben will, muss er das im Testament festhalten. Nur dann geht die teure Uhr ganz sicher an den Sohn oder die Münzsammlung an die Tochter.

Wie soll das Testament aussehen?

Das Papier muss handgeschrieben und unterschrieben sein. Außerdem sollte es eine Überschrift haben, damit es als das erkannt wird, was es ist: „Testament“ oder „Letzter Wille“ bieten sich also an. Zum Text gehört außerdem eine Ortsnennung und ein Datum.

Was, wenn es sich der Erblasser anders überlegt?

Der letzte Wille ist nicht in Stein gemeißelt: Wer sein Vermögen anders vererben möchte als beim Schreiben des Papiers gedacht, zerreißt die alte Version, und schreibt ein neues Testament. „Das ist besser, als mit Streichungen zu arbeiten“, rät Jan Bittler, Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge (DVEV). „Denn sonst weiß man am Ende nicht, wer die Änderungen vorgenommen hat.“

Wo sollte man das Testament aufbewahren?

Ist das Testament fertig, übergibt man es einer vertrauenswürdigen Person – das kann beispielsweise der Alleinerbe sein. Es bei jemandem aufzubewahren, der durch das Testament schlechter gestellt wird, ist nicht ratsam: „Derjenige könnte, nachdem er das Testament gelesen hat, es verschwinden lassen – auch wenn das unter Strafe gestellt ist. Schließlich wäre es in diesem Fall zu seinem Nachteil“, so Bittler, der Fachanwalt für Erbrecht ist. Ein neutraler Ort für die Aufbewahrung des Testaments ist das Nachlassgericht am Wohnsitz. Dort kostet die Aufbewahrung zwar eine einmalige Gebühr in Abhängigkeit des Nachlasswertes. Aber dadurch ist sichergestellt, dass es nach dem Tod auch verfügbar ist. Zwar verliert das Testament seine Gültigkeit nicht, aber sollte es erst nach Jahren gefunden werden, bringt das oft Probleme mit sich. Schließlich wurde bis dahin bereits im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge geerbt. Sollen nach dem letzten Willen jedoch andere erben, müssen diejenigen, die bereits geerbt haben, das Geld zurückzahlen. Im schlimmsten Fall ist es jedoch bereits ausgegeben.

Ist es sinnvoll, zu Lebzeiten Vermögen zu verschenken?

„Das sollte nur derjenige tun, der es sich leisten kann“, sagt Jan Bittler. Denn dann wird es steuerlich günstiger, da die Freibeträge alle zehn Jahre neu ausgeschöpft werden können. Aber: „Wer schenken will, muss sicher sein, dass seine Altersvorsorge ausreicht.“ Bittler kennt aus seiner Beratungspraxis eine weitere Falle beim Schenken: Eine Frau hatte das Familienunternehmen von ihrem Mann geerbt und schenkte es ihrem Sohn. Der starb jedoch vor ihr, und so erbte die Schwiegertochter die Firma. Zur Schwiegertochter hatte die Frau jedoch keinen guten Kontakt. „Mit nur einem Satz im Schenkungsvertrag hätte man dieses Problem umgehen können, nämlich mit einem Rückforderungsrecht für den Fall des Vorversterbens des Sohnes vor der Mutter“, sagt der Fachmann.

Was ist Nießbrauch?

Beim Nießbrauch verschenkt man etwas, behält aber die daraus resultierenden Einnahmen. Beispiel Eigentumswohnung: „Der Vater verschenkt sie an seine Tochter. Sie ist also Eigentümerin. Aber die Mieteinnahmen fließen an den Vater bis zu seinem Tod“, erklärt Bittler. Vorteil: Die Wohnung gehört später nicht zur Erbmasse, also fällt auch keine Steuer darauf an. Außerdem sinkt der Wert der Wohnung durch den Nießbrauch. „Das sind in diesem Fall die Mieteinnahmen, die an den Vater gehen“, erklärt der Erbexperte. Und das wiederum senkt die Schenkungssteuer. Nachteil: Stellt der Vater fest, dass er dringend Geld benötigt im Alter, kann er die Wohnung nicht mehr verkaufen. „Darum würde ich niemals mein Haus zu Lebzeiten überschreiben, wenn das das einzige Vermögen ist, das ich habe“, warnt Jan Bittler. Denn wird der Senior beispielsweise zum Pflegefall und benötigt dringend Geld für ein Pflegeheim, ist im schlimmsten Fall keines da, weil er das Haus bereits verschenkt hat und jetzt nicht verkaufen kann. Nießbrauch kann man übrigens auch bei einem Wertpapierdepot anwenden. Dabei wird das Depot übertragen, und beispielsweise die Zinsen gehen an den Schenker. Bei Aktien bekomme der Schenker die Dividenden, aber nicht den Kursgewinn, so Bittler.

Worauf sollte man bei einem gemeinsamen Konto achten?

Ehepaare haben oft ein gemeinsames Konto, bei dem beide gleichermaßen darüber verfügen. Zahlt aber nur ein Ehepartner regelmäßig ein, und überlebt er den anderen, so kann es passieren, dass er seine eigenen Einzahlungen versteuern muss. „Das Finanzamt geht nämlich in diesem Fall davon aus, dass beide Partner eingezahlt haben. Hat nur einer eingezahlt, muss er beispielsweise durch Kontoauszüge diesen Nachweis erbringen“, sagt Bittler. Alternative: getrennte Konten führen.

Woher weiß ich, dass ich keine Schulden erbe?

Da hilft nur eigene Recherche. Jeder Erbe hat die Möglichkeit, innerhalb von sechs Wochen das Erbe auszuschlagen. Diese Zeit ist jedoch sehr kurz, um die finanzielle Situation des Verstorbenen zu durchschauen. „Wer zu spät bemerkt, dass er Schulden erbt, kann einen Antrag auf Nachlassinsolvenz stellen“, erklärt Jan Bittler.

Wie schlage ich ein Erbe aus?

Man geht innerhalb von sechs Wochen zum Nachlassgericht und sagt, dass man nicht erben möchte. Dann werden die nächsten Erben gesucht. Wer eigene Kinder hat, sollte im Falle von Schulden für sie das Erbe ebenfalls ausschlagen.

Worauf muss ich achten, wenn ich ein Depot erbe?

Die Erbschaftssteuer wird anhand der Kurswerte am Todestag des Erblassers berechnet. Der Erbe bekommt den Erbschein, mit dem er auf das Depot zugreifen kann, jedoch frühestens sechs Wochen nach dem Tod. „Im schlimmsten Fall sinken die Kurse in diesen sechs Wochen so weit, dass der Erbe die Erbschaftssteuer nicht mehr mit dem Wert des Depots begleichen kann“, weiß Bittler. Sein Rat: Früh genug das Depot mit Nießbrauch verschenken oder eine Vollmacht ausfüllen.

Was hat es mit dem Pflichtteil auf sich?

„Der Pflichtteil steht Kindern, Lebenspartnern und Ehegatten oder unter Umständen den Eltern zu, wenn sie enterbt wurden, und beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils“, erklärt Jan Bittler. Seit Januar 2010 gilt nun das neue Erbrecht. Dadurch haben sich die Gründe geändert, mit denen der Pflichtteil entzogen werden kann. Den Pflichtteil entziehen, also komplett enterbt werden, konnte vor der Reform, wer beispielsweise dem Erblasser, seinem Gatten oder seinen Kindern nach dem Leben trachtet oder sie körperlich schwer misshandelt. Jetzt gilt diese Regelung auch für „ähnlich dem Erblasser nahestehende Personen“. Auch wer zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt worden war, kann komplett enterbt werden.

Was ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch?

Im Juristendeutsch ist die Rede von der „Gleitenden Ausschlussfrist für den Pflichtteilsergänzungsanspruch“. Gemeint ist damit das Folgende: Ein Vater hat vier Jahre vor seinem Tod 10.000 Euro an einen Freund verschenkt. Die fehlen in der Erbmasse, die jetzt nur noch 40.000 Euro beträgt. Außerdem sieht das Testament vor, dass die Mutter alles erben soll, der Sohn nichts. Also steht dem Sohn die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils zu, das sind 25 Prozent der 40.000 Euro: 10.000 Euro. Weil die Schenkung vom Vater an den Freund aber erst vier Jahre her ist, hat der Sohn nun noch einen Ergänzungsanspruch, allerdings nicht mehr wie bisher auf die gesamten verschenkten 10.000 Euro. Denn seit der Reform gilt, dass der Anspruch jedes Jahr um zehn Prozent sinkt, bis die Schenkung nach zehn Jahren verjährt ist. Von den 10.000 Euro stünden dem Sohn als Pflichtteil also 25 Prozent oder 2.500 Euro zu. Nach vier Jahren ist der Anspruch um 40 Prozent gesunken – also bekommt er davon noch 1.500 Euro. Seine Forderung muss er aber nicht an den Beschenkten, sondern an seine Mutter stellen. „Denn sie haftet mit dem gesamten Erbe, lediglich ihren eigenen Pflichtteil darf sie behalten“, weiß Bittler. Erst wenn bis auf den Pflichtteil alles Geld weg ist, kann sich der Sohn an den Beschenkten wenden. Besteht das Erbe aus einem Unternehmen oder einer Immobilie, so muss der Erbe gegebenenfalls verkaufen, um die Pflichtteile der anderen auszahlen zu können. Das ist nicht immer einfach. Darum sieht das Erbrecht die Möglichkeit vor, die Auszahlung bei Härtefällen zu stunden.

Hilfe beim Erben und Vererben

Auf Erbrecht spezialisierte Notare oder Rechtsanwälte finden Sie beispielsweise beim Deutschen Anwaltverein (www.anwaltverein.de) oder bei der DVEV (www.dvev.de).

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