Dass die Banken mit dem Geld der kleinen Leute spekulieren ist an sich ja nichts Neues. Dass sie dies in den letzten Jahren allerdings zunehmend auf Kosten der hungernden Menschen tun, ist vielen Kritikern zu Recht ein Dorn im Auge. Entsprechend hatte die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch im Oktober 2011 eine Initiative unter dem Motto „Hände weg vom Acker, Mann!“ gestartet, die sich auf ein Beschwerdeschreiben an Herrn Ackermann von der Deutschen Bank richtete. Die Aktion von Foodwatch wurde durch einen 88-seitigen Report des Wirtschaftsjournalisten und Finanzexperten Harald Schumann untermauert. Der Report trägt den passenden Titel „Die Hungermacher“ und steht als kostenloser Download auf der Seite der Verbraucherschützer zur Verfügung. Ein gutes halbes Jahr später, gibt es nun die ersten Reaktionen auf die Aktion.
Wo lag das Problem überhaupt?
Rund eine Milliarde Menschen auf der Welt müssen hungern und alleine im Jahr 2010 haben sich die Lebensmittelpreise um ein Drittel erhöht. Die Folge? Weitere 40 Millionen Menschen wurden in die Armut getrieben. Das Problem ist nun, dass Kapitalanleger wie Versicherer oder Fonds nicht zu knapp von der Spekulation auf Nahrungsmittelrohstoffe profitierten. Um zu erörtern, ob ein Zusammenhang zwischen Spekulation und Preisanstieg besteht, ließ Foodwatch das Thema von dem Experten Harald Schumann prüfen, der sich eigens für den Report ein halbes Jahr von seiner Redaktion befreien ließ und Antworten zu vielen komplexen Fragen lieferte. Das Ergebnis des Experten fiel erwartungsgemäß düster aus.
Die Hungermacher – Der Name ist Programm
Um ein gewisses Maß an Planungssicherheit zu erhalten, schließen Agrarhändler schon heute Verträge über Lieferungen von Morgen ab. Die Verträge, die einen zukünftigen Kauf regulieren werden im Finanzmarkt entsprechend „Futures“ genannt. Auf der einen Seite sind diese Futures sogar wichtig, um Preisstabilität im Handel mit Nahrungsmitteln zu erzielen, doch haben die sogenannten Leerverkäufe enorm zugenommen. Unter Leerverkäufen versteht man den Verkauf von Ware, die überhaupt nicht vorhanden ist, was letztlich das Ausmaß einer Wette annimmt. Um ein Beispiel zu nennen, hat die Chicagoer Börse für das Jahr 2011 rund 76 Millionen Tonnen Weizen einer bestimmten Sorte an Investoren verkauft – auf dem Papier. Denn in Wahrheit betrug die Ernte in jenem Jahr lediglich 9 Millionen Tonnen des verkauften Weizens. Die Folgen dürften klar sein: Es wurde weit mehr Weizen verkauft als existierte – der Preis steigt. Die Investoren freuen sich derweil über den heftigen Preisanstieg und streichen freudig die Renditen ihrer Papierware ein, die sie teuer zurückverkaufen. Die Menschen, die die Ware aber tatsächlich benötigen, schauen bei den Mondpreisen für die Nahrungsmittel dann auch sprichwörtlich in den Mond. Denn dort, wo die Nahrung am dringendsten gebraucht wird, ist sie kaum noch zu bezahlen.
Ein Spielplatz für Erwachsene
Die Börse wird unter Kapitalismuskritikern ja häufiger als Spielplatz für Erwachsene bezeichnet, doch haben die Spiele im Falle der Nahrungsmittel-Spekulationen eben eine verheerende Auswirkung, der man bei Foodwatch aktiv entgegen wirken wollte. So rief man die Menschen dazu auf, ein vorgefertigtes Beschwerdeschreiben massenhaft an den damalig Verantwortlichen der Deutschen Bank Josef Ackermann zu schicken. Warum gerade die Deutsche Bank? Weil diese neben ausländischen Finanzkonzernen wie Morgan Stanley, JP Morgan oder Goldman Sachs ebenfalls im großen Stil auf den Zug des Rohstoffhandels aufgesprungen sind. Im kleinen Rahmen wären die Spekulationen auf Nahrungsmittel dann vielleicht auch weniger dramatisch und gar preisstabilisierend geblieben, doch wurde aus den Wetten im Nahrungsmittelmarkt ein boomender Trend, der sich in den Preisen bemerkbar machte. Beim Weizen lagen die Spekulationen im Jahre 1990 beispielsweise noch bei rund 20% bis 30%, heute sind es gute 80% – eine beunruhigende Entwicklung also, wenn nur noch 20% der verkauften Nahrungsmittel zu überteuerten Preisen bei tatsächlichen Abnehmern landen. Doch manchmal gibt es noch Wunder und die Beschwerden der Menschen, immerhin gut 63.000 an der Zahl, haben eine Signalwirkung erzielt.
Deutsche Bank prüft die Auswirkungen der Spekulation auf die Rohstoffpreise
Einen Tag nach der Aktion hatten sich bereits 10.000 Menschen an den Beschwerden beteiligt und Ackermann versprach, den Rohstoff-Handel zu überprüfen und im Januar 2012 eine Entscheidung zu fällen. Doch was passierte bislang? Ackermann ist selbst Geschichte und bei der Deutschen Bank erklärte man nun erneut, dass man die Spekulationen mit Agrarrohstoffen prüfen wolle und bis Ende des Jahres 2012 einen Bericht vorlegen will. Man darf gespannt sein. Erfahrungsgemäß dürfte man im Falle von profitablen Finanzgeschäften grundsätzlich davon ausgehen, dass die Prüfung positiv für die Investoren ausfallen wird, doch die Reaktion der Deka Investmentfonds gibt Anlass zur Hoffnung.
Investieren in Rohstoffe: Diese Fallstricke sollten Anleger meiden
Deka Investmentfonds steigen aus
Die Fondsgesellschaft der Sparkassen, die DekaBank, hat angekündigt, bis zum Jahresende aus der Spekulation auf Grundnahrungsmittel auszusteigen. Das klingt zwar gut, ist aber nur ein Teilsieg in Hinblick auf die Forderungen von Foodwatch. Denn Nahrungsmittelfonds anderer Banken und Gesellschaften werden weiterhin auch bei der DekaBank gehandelt und auf die Geschäfte mit dem Öl will man auch nicht sein lassen. Wie der Hungermacher-Report zeigte, hat aber auch der Ölpreis Auswirkungen auf die Nahrungsmittel. Entsprechend ist der Ausstieg der DekaBank nur halbherzig erfolgt, aber immer noch besser als gar nichts. Und so fordert Foodwatch auch die anderen Banken und Gesellschaften auf, das Zocken auf Kosten der Ärmsten sein zu lassen. Wenn man schon nichts gegen den Hunger unternehmen will, so sollte man sich doch zumindest nicht daran bereichern. Aber der Trend reich an Geld und arm an Moral zu werden, scheint ohnehin unaufhaltsam seinen Lauf zu nehmen.
© Pixel Trader Ltd. 2013 Alle Rechte vorbehalten