Das US-amerikanische Magazin „Wired“ hält seit 1993 unsere Kommunikationsgesellschaft über News, Trends, Tops und Flops auf dem Laufenden. Zu diesem journalistischen Auftrag gehört auch das Beobachten und bekannt geben bemerkenswerter neuer Verhaltensmuster in der Benutzerlandschaft. In diesem Zusammenhang wurde jüngst berichtet, dass viele junge dynamische Geschäftsleute an ihren hypermodernen Handys jede Funktion mit verbundenen Augen aktivieren können. Nur eine nicht. Und zwar die zum Telefonieren. Sehen wir in diesem Symptom den Beginn einer neuen Entwicklung? Gehört das Telefon ab sofort auf die Liste der bedrohten Technik-Arten?
Sprechen ist gut – Schreiben ist besser
Das gute alte Telefonat wird nach und nach aus der alltäglichen Kommunikationskultur verschwinden. Dafür wird die derzeit heranwachsende „Generation Facebook“ zuverlässig sorgen. Denn schon jetzt können einschlägige Statistiken deutlich belegen, dass die Anzahl herkömmlicher Telefonate schon seit Jahren rückläufig ist, während Chaträume jeglicher Couleur aus allen Nähten platzen. Wer sich heute sprachlich mitteilen möchte, muss Simsen, Twittern und Chatten können, wenn er „gehört“ werden will. Bald werden sich nur noch die betagten Silver Surfer an jene guten alten Zeiten erinnern können, in denen aus echten Telefonhörern echte menschliche Stimmen drangen.
Warum der neue Sprachverlust sich wirtschaftlich rechnet
Man sitzt in seinem Büro am Schreibtisch, möchte konzentriert arbeiten – und wird ständig von störenden Anrufen genervt. Oder man muss ganz dringend jemand erreichen, der aber momentan nicht am Platz ist. In beiden Fällen erweist sich der Anruf als höchst kontraproduktiv. Mit einer „Instant Message“ sieht das schon ganz anders aus. Diese Nachricht erreicht den Adressaten auf jeden Fall, und er kann darauf reagieren, sobald es sich einrichten lässt. So treffen Effektivität und Effizienz sinnvoll aufeinander. Oder anders gewendet: Telefonieren ist ineffizient und verursacht unnötige Kosten, in dem es den Workflow empfindlich stört. Und so haben moderne Manager mehrheitlich beschlossen, das ewig nervige „Störe ich gerade? Oder haben Sie ein paar Minuten für mich?“ durch eine diskret anklopfende SMS zu ersetzen. Deshalb gehört die wirtschaftliche Zukunft der getippten Nachricht.
Stimmgewaltige Gegenbewegung
Jeder Trend ruft auch einen Gegentrend auf den Plan. In diesem Fall lautet das Motto der Smartphone Verweigerer: zurück zu den klangvollen Wurzeln der Telefonie. Denn während es dem jungen, dynamischen und aufstrebenden Geschäftsmann fast schon egal ist, ob er mit seinem aufgebrezelten Handy auch telefonieren kann, fordern immer mehr Puristen das monofunktionale Mobiltelefon. So gilt einmal mehr: Chacun à son goût. Selbstverständlich hat die Industrie auch darauf schon längst reagiert. Und so liegen Hightech-Handys in friedlicher Nachbarschaft zu einfachen Geräten in den Regalen der Anbieter. Allerdings braucht es im Geschäft schon ein gerüttelt Maß an Selbstbewusstsein, wenn man nach einem einfachen Handy verlangt. Denn die firmieren hier oft unter „Seniorenhandy“. Und wenn der Verkäufer diesen schlichten Kundenwunsch mit einem Lächeln quittiert, muss das nicht unbedingt freundlich gemeint sein.
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