Seit gut sechs Jahren weiß das berühmte Online-Rollenspiel World of Warcraft nun schon zu begeistern und ein Ende der spannenden Spielstunden vor dem Bildschirm scheint nicht wirklich in Sicht zu sein. In mehr oder weniger regelmäßigen Abständen werden immer wieder neue Spielinhalte hinzugefügt, damit die Abenteuer in der bunten Fantasy Welt nicht langweilig werden. Doch nicht für alle bedeutet World of Warcraft nur ein wenig Spaß am Computer, um dem Alltag mal für ein paar Stündchen entfliehen zu können, nein, immer häufiger wird das Spiel zum einzigen Lebensinhalt vieler Spieler, bei manchen zur Sucht, oder mancherorts sogar zur Arbeit und entsprechend zum bitteren Ernst. Man liest zunehmend von „Aussteigern“, besorgten Eltern und alarmierten Behörden. Doch kann ein Computerspiel wirklich zur ernsthaften Gefahr werden?
MMORPG oder wie war das?
Mit World of Warcraft erschien Anfang des Jahres 2005 in Deutschland das erste Massive Multiplayer Online Role-Playing Game – kurz MMORPG oder zu Deutsch: Massen-Mehrspieler-Online-Rollenspiel –, das im Gegensatz zu anderen Spielen dieser Art von Beginn an wahre Begeisterungsstürme auslöste und bereits in den ersten fünf Wochen 200.000 mal verkauft wurde. Der Erfolg kam aber nicht von ungefähr, wusste der Hersteller Blizzard doch schon in der Vergangenheit mit Strategiespielen im Warcraft Universum zu begeistern und verlegte das phantasiereiche Szenario rund um Orcs, Untote und Menschen in eine Welt, in der sich die Spieler plötzlich vollkommen frei bewegten beziehungsweise entwickelten und gegen oder zusammen mit anderen Menschen aus ganz Deutschland spielen konnten.
Spieler gegen Spieler oder Mensch gegen Computer?
Ein besonderer Reiz von World of Warcraft liegt in der vielfältigen Art der Spielweisen. Zum einen ist es durchaus möglich bis zu einem gewissen Grad alleine die Herausforderungen des Spieles zu bewältigen, auf der anderen Seite lassen sich die wirklich reizvollen Aufgaben jedoch nur gemeinsam mit anderen Spielern erledigen, was Kommunikation, Teamgeist und teilweise auch Vertrauen erfordert. Ein Kräftemessen in verschiedenen Spieler gegen Spieler Modi ist allerdings ebenso möglich und kann in erhöhtem Maße Stolz und Ehrgefühl ansprechen. Derartige soziale Komponenten bilden als Kern des Rollenspieles ein zweischneidiges Schwert, das oftmals in die Kritik gerät und auch zu Problemen im alltäglichen Leben führen kann. Denn einerseits lassen sich soziale Kompetenzen dadurch fördern, andererseits entstehen aber auch eigene soziale Regeln, die das reale Leben außerhalb der Spielewelt bestimmen können. So sind beispielsweise Termine für gemeinsame Unternehmungen in der Phantasiewelt wahrzunehmen, um keine Nachteile innerhalb der Gemeinschaft zu erfahren. Auch Gilden des Spieles – Zusammenschlüsse menschlicher Spieler also – repräsentieren gemeinsame Interessen und spiegeln diese mal mehr und mal weniger stark nach außen hin wider. Es entstehen soziale Gemeinschaften mit unterschiedlichem Ansehen, je nach vorzuweisenden Erfolgen. Mit zunehmendem Ansehen werden für Außenstehende teilweise hohe Bewerbungsanforderungen gestellt und in letzter Konsequenz auch ein Erfolgsdruck ausgeübt, um der Wunschgilde beitreten zu können.
Eine ganz eigene Welt also
Doch nicht nur innerhalb von Gilden wird nach erfolgsorientierten Regeln gespielt, sondern auch in Bezug auf die restliche Welt des Spiels werden Wechselwirkungen zwischen Gemeinschaften, Einzelpersonen und Außenwelt entfaltet. So existiert beispielsweise eine spielinterne Marktwirtschaft, die sich unter realen Bedingungen entwickelt und durch Angebot und Nachfrage reguliert wird. Durch die meist zeitintensive Beschaffung von Rohstoffen mit anschließend geschicktem Handel lassen sich beachtliche wirtschaftliche Erfolge erzielen, die das Ausbleiben realer Erfolge emotional kompensieren können. Übertragen ließe sich dies ebenso auf sämtliche Erfolge des Spiels, wie das Erarbeiten respektabler Ausrüstung, das Bezwingen besonders schwerer Gegner oder auch die Ausdauer ein besonders langwieriges Ziel zu erreichen. In geregelten Bahnen sind dies natürlich wünschenswerte und positive Errungenschaften, in Relation zu einem labilen Leben allerdings Gefahren, die zu einem regelrechten Rausch oder letzten Endes gar zur Sucht werden können. Denn im Spiel ist alles besser, man hat Spaß, ist erfolgreich, wird geschätzt, respektiert, womöglich gefürchtet und befindet sich unter Gleichgesinnten zwischen denen man sich einfach wohl fühlt.
In China zum Beispiel sieht die Sache ein wenig anders aus. Dort gibt es nicht nur Spieler auf der Suche nach Erfolg, sondern solche, die sich täglich beruflich vor den Computer setzen und für das Spielen bezahlt werden. Der Faktor, der World of Warcraft für kommerzielle Zwecke so attraktiv macht ist der reale Handel mit Spiel-Gold. Zwar lässt sich das Gold im Spiel relativ einfach erwirtschaften, oftmals dauert dies allerdings einiges an Zeit und Arbeit. Um das Wachstum des Reichtums zu verkürzen, gibt es Angebote, von denen man Spiel-Gold gegen echtes Geld erhält. Obwohl ein derartiger Handel gegen die Nutzungsbedingungen des Herstellers verstoßen, werden sie weltweit rege betrieben und haben sich zum lukrativen Geschäft entwickelt. Aber ist das nun alles eine essentielle Bedrohung der modernen Jugend?
Die Menge macht‘s
Niemand spielt, um zu verlieren. Nirgendwo. Insofern kann man World of Warcraft kaum die Orientierung auf Erfolg vorwerfen. Wenn der Drang danach aber Überhand gewinnt und dazu führt, das reale Leben zu vernachlässigen, ist durchaus Vorsicht geboten, wobei hiervon nicht nur Jugendliche betroffen sein können. Dass man im Eifer des Gefechts einmal die Zeit vergessen kann ist normal, wenn man aber merkt, dass World of Warcraft so viel Zeit verschlingt, dass man vielleicht sogar das Essen, Schlafen und den Gang zur Arbeit oder zur Schule „vergisst“, dann wird es höchste Zeit das eigene Spielverhalten zu überdenken. Denn auch wenn rückwirkend schon Beziehungen an dem Spiel zerbrochen sind und einige Spieler eine Suchtklinik aufsuchen mussten, liegt es letztlich nicht am Spiel, sondern an jeder einzelnen Person selbst.
Der Mensch steht im Mittelpunkt, nicht das Produkt
Grundsätzlich ist World of Warcraft sicherlich nicht schädlich, vor allem dann nicht, wenn in Maßen gespielt wird. Fast jede Sucht ist eine Flucht, die meist mit komplexen Problemen behaftet ist. Ein einzelnes Computerspiel dafür verantwortlich machen zu wollen ist geradezu vermessen und vor allem gegenüber den abertausenden Spielern, die weit von einer Sucht entfernt sind absolut unangebracht. Bei gesellschaftlich akzeptierten Drogen wie dem Alkohol, wird klar zwischen Genuss und Missbrauch differenziert. Warum sollte dies bei Computerspielen nicht möglich sein? Die Gefahr einer Sucht oder Isolation lässt sich nicht auf ein einzelnes Produkt einschränken, sondern gilt für alle potentiellen Suchtmittel entsprechend. Insofern hat es auch keinen Sinn, Jugendlichen das Spielen von World of Warcraft gänzlich zu verbieten, nur dass dieses dann durch ein anderes Spiel ersetzt wird. Die Forderung mancher Behörden, einfach die Altersfreigabe von World of Warcraft zu erhöhen ist gewiss auch nicht der richtige Weg, da solch ein Vorhaben lediglich die Eltern aus der Verantwortung zieht und an potentiellen Problemen nicht viel ändern wird. Viel wichtiger und nützlicher sind die Vermittlung medialer Kompetenzen schon im frühen Alter und das Verdeutlichen von Grenzen, welche nicht willkürlich wirken, sondern die Jugendliche auch nachvollziehen können. Dass einfache Verbote meistens genau das Gegenteil bewirken, sollte jeder noch von seiner eigenen Jugend kennen, ein Phänomen, das sich bis heute wohl nicht verändert hat und auch nie verändern wird. Ein bewusstes Spielen in Maßen hat jedenfalls noch niemandem geschadet und wird es auch nicht – garantiert.
Weiterführende Links zum Thema:
Verloren in der WoW-Welt
http://www.focus.de/schule/familie/medien-tipps/tid-17423/deutschland-verloren-in-der-wow-welt_aid_485859.html
Verkehrte Netzwelt: Weh oh Weh, WoW
http://www.netzwelt.de/news/75604-verkehrte-netzwelt-weh-oh-weh-wow.html
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