Es war Deutschland, im Jahr 1982, als ein junger, innovativer und kreativer Kopf sich seiner Diplomarbeit widmete, mit der er seinen ganz speziellen Beitrag zur alternativen Energiegewinnung leisten wollte. Seine Idee war brillant, die technische Umsetzung realisierbar, die Basis vorhanden – doch die Behörden schalteten auf stur und schmetterten den Genehmigungsantrag ab.
Weniger, um nicht zu sagen, gar keine Probleme hatten dieselben Behörden allerdings zwei Jahre zuvor damit gehabt, dem Atommeiler Philippsburg ihren strahlenden Segen zu geben; einem Kernkraftwerk, das in seinem Funktionsprinzip baugleich mit Fukushima ist. Und mit Harrisburg. Und mit Tschernobyl. Da muss man schon mal fragen dürfen, nach welchen okkulten Entscheidungskriterien die deutschen Prinzipienreiter im Paragraphendschungel die Hürdenhöhe festlegen.
Was haben die Kernkraftwerke in Fukushima, Philippsburg, Harrisburg und Tschernobyl gemeinsam?
Es sind (oder vielmehr waren) allesamt Siedewasserreaktoren. Das bedeutet: ein einziger Wasserkreislauf, der im Zustand zunehmender Verstrahlung durch fast die ganze Anlage saust. Was das im Ernstfall für ein enormes Sicherheitsrisiko darstellt, hat die Geschichte inzwischen mehrfach bewiesen. Fast überall auf diesem Globus.
Wer war der angehende Diplom-Ingenieur, und was hat er sich ausgedacht?
Die Rede ist von Hajo Stotz, der sich im Rahmen seiner Ausbildung für die Sparte Maschinenbau interessiert hatte. Seine Diplomarbeit trägt den Titel „Wärmerückgewinnung aus Abwässern kleiner Wohneinheiten“. Im Rahmen dieser Diplomarbeit stellt er eine raffinierte Wärmetauscher-Anlage vor, die aus den Abwässern von etwa 50 Häusern so viel Wärme hätte zurückgewinnen können, das eines dieser Häuser ein ganzes Jahr lang damit würde versorgt werden können.
Der einzige Nachteil dieses innovativen Recycling-Gedankens: Die „ausgebeuteten“ Abwässer würden um ca. 1,5 Grad Celsius abgekühlt. Und in diesem Umstand sahen die Behörden eine derartig immense Gefahr für die Umwelt, dass das kleine Ingenieurbüro, welches aus dieser theoretischen Diplomarbeit gerne ein praktisches Pilotprojekt mit grünem Zukunftspotenzial gemacht hätte, keine Genehmigung bekam. Zu diesem Zeitpunkt war der wenige Kilometer flussabwärts gelegene Siedewasserreaktor Philippsburg schon seit zwei Jahren am Netz. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Ein Traumtänzer, wer es nicht tut.
Hajo Stotz hat aus dieser Erfahrung seine ganz persönlichen Konsequenzen gezogen. Die Atomlobby mitsamt ihrer ganzen politischen Wendehalstruppe wird es ihm nun wohl oder übel gleich tun müssen. Denn jetzt stehen nicht nur die Kühlwasserbehälter unter Druck, sondern auch die durch stündliche verstrahlte Horrormeldungen entfesselte Volksseele. Bleibt nur zu hoffen, dass das durch Fukushima erzwungene Umdenken nicht zu spät kommt.
Quelle:
Hajo Stotz: Wankende Dogmen
Nachzulesen in: Scope – Industriemagazin für Produktion und Technik, Ausgabe 3 / März 2011, Seite 1 (Editorial).
http://www.scope-online.de/Meinung/Editorial—displayAction-575675.htm
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