Die Alfa Romeo Giulietta 2.0 JTDM Turismo

Ein hohes Drehmoment von Beginn an, eine Stille, wie man sie sonst nur in den zwei Sekunden vor einem klassischen Konzert findet, geringe Kosten für den Kraftstoff – die Diesel-Giulietta erfüllt all diese Anforderungen. Ein Elektroauto ist sie freilich nicht, und so werden ihre Tugenden noch um eine vierstellige Reichweite und einen vertretbaren Preis ergänzt. Die Giulietta? Man muss schon ein italienischer (Alfa) Romeo sein, um seinem Auto einen Mädchennamen zu geben. Aber warum nicht? Alle anderen Autonamen sind männlich, was genauso seltsam ist, wenn man länger darüber nachdenkt. Es ist nicht so, dass die Giulietta schlechter einparken würde.

Leidenschaft ist das Leitmotiv bei diesem Auto, und obwohl unter dem Blech die gleichen schmierigen Teile werkeln, die gleichen Mini-Explosionen stattfinden und die gleichen hartmetallenen Zahnräder brutal ineinander greifen wie in anderen Fahrzeugen auch, erzeugt das Blech selbst doch durchaus Bewunderung für Formen, Linien und Figur. Ja, die Giulietta ist das Model unter den Kompaktautos. Wäre sie ein Mensch, hätte sie große Augen, lange Wimpern, ein enges Kleid und ein Lächeln wie die Mona Lisa – nur weniger schüchtern. Und weil das alles nicht viel sagt, zeigen wir mitten in diesem Bericht ein Foto. Was das Fahren betrifft, so gibt es in der Menschenwelt nur wenige Damen, die ihren Charakter so schnell ändern können wie in der Autowelt die Giulietta. Legt man den Hebel um – nämlich den der Fahrdynamik ”DNA„ – wird aus einer treuen Bibliothekarin (”Neutral„) ein überwaches Szenemädchen (”Dynamisch„). Sie reagiert dann auf jede Millimeterbewegung des Gaspedals, hat mehr Energie und vergrößert dank aktiviertem elektronischen Frontdifferenzial den Unterhaltungsfaktor in Kurven. Beide Einstellungen – es gibt noch ”Allwetter„ was so langweilig ist, wie es klingt – gehen von einer ausgereiften technischen Grundlage aus. Ob ruhig oder angespannt, macht es jederzeit Spaß, die Giulietta zu fahren.

Einzig die Schaltwege könnten noch ein wenig kürzer sein. Das pulsierende Herz unserer Test-Giulietta bildete ein 2-Liter-Diesel, den es mit 140 und 170 PS gibt. Lange war ich mir nicht sicher, welche Version ich da unter den Händen hatte – was ein Kompliment darstellt. Denn es war die kleinere. Doch diese 140 Pferde besaßen muskulöse Beine – und umwickelte Hufe wie bei den Pferden in Karl Mays Indianer-Büchern. Die Lautlosigkeit des Motors war so intensiv, dass ich sogar mein Staunen hören konnte. Außerdem ist der Diesel recht frugal – um mal ein anderes Wort zu verwenden als das so oft wiederholte sparsam. 5,5 Liter waren auf längeren Strecken möglich. Ich weiß das so genau, weil über den Bordbildschirm Dutzende Daten abrufbar waren. So zappte ich begeistert durch die Kanäle: einer zeigte, wie der Turbo arbeitet, der nächste, welche Fliehkräfte wirken, der dritte brachte die gewohnten Reise-Informationen – alles live und in Farbe, oft überflüssig, aber immer unterhaltsam.

Das ausfahrende Navi gehört zu einer trickreichen Innenausstattung, die nach mehr aussieht, als sie wert ist. Das ist positiv gemeint: Es zeigt, dass man keine heilige Kuh schlachten muss, um mit ihrem Leder ein wohnliches, interessantes Ambiente zu schaffen. Mit einfacheren Materialien geht es auch, Geschmack und Kreativität vorausgesetzt. Die Liste der weniger guten Dinge ist kurz: Im Gegensatz zum wahren Verbrauch sinkt die Verbrauchsanzeige nie unter zwei Liter. Die hinteren Türen sind recht klein, der Platz auf der Rückbank eher ausreichend als großzügig. Der Aux-Anschluss versteckt sich im Handschuhfach, und mancher Kunststoff macht nicht den Eindruck, Jahre des täglichen Gebrauchs ganz ohne Spuren überstehen zu können. Aber einer Dame wie der Giulietta würde ich so etwas nicht ins Gesicht sagen.

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