Mit dem Stereoskop aus Großvaters Zeiten fing es an, und mit dem Kinokassenknüller „Avatar“ hat es eine High-Tech-Wiedergeburt erfahren: Das unbeschreiblich räumliche und deshalb als dreidimensional (3D) bezeichnete Seherlebnis. Doch was sind eigentlich die physiologischen und neurologischen Grundlagen, die uns beim Betrachten von Bildern oder Kinofilmen mitten drin statt nur dabei sein lassen? Und welche technischen Tricks helfen den Augen dabei auf die Sprünge?
Immer reichlich Abstand halten
Ein Wort vorab: Echtes räumliches Sehen ist nur jenen Menschen möglich, die über zwei voll funktionsfähige Augen verfügen. Wer, aus welchen Gründen auch immer, nur mit einem einzigen Auge etwas sehen kann, muss auf den Genuss der echten Stereoskopie leider verzichten. Warum das so ist, wird gleich verständlich werden.
Die beiden Augen im Gesichtsschädel des Menschen liegen in einem gewissen Abstand voneinander. Deshalb liefern sie auch perspektivisch leicht unterschiedliche Bilder in die Sehrinde des Gehirns. Wer sich diesen Effekt verdeutlichen möchte, kann dies unschwierig mit dem so genannten „Daumensprung“ nachvollziehen. Das Gehirn verarbeitet die leicht divergierenden Impulse und interpretiert die festgestellten Differenzen in Aspekten der räumlichen Ausdehnung und der Entfernung, die die angeschauten Objekte voneinander haben. Aus dieser Interpretation erwächst das räumliche Sehen. Und wie aus dem Physikunterricht noch bestens präsent sein dürfte, werden die stereoskopischen Wahrnehmungsergebnisse umso besser, je weiter die beiden sehenden Augen auseinanderliegen. Rein theoretisch würde also ein Mensch mit einem Augenabstand von drei Metern seine Welt jeden Tag in hyperplastischem 3D sehen. Ob er daran allerdings im flachen Alltag viel Freude hätte, darf angezweifelt werden.
Zwei Kameras – zwei Perspektiven – drei Dimensionen
Mit etwas Tricksen und etwas Technik kann man den natürlichen Augenabstand auf diese erforderliche Größe bringen. Dazu muss man den Gegenstand, der später in 3D zu sehen sein soll, mit zwei unterschiedlichen Kameras einfangen, die tatsächlich drei Meter voneinander entfernt aufgestellt sind. Später muss man dann dafür sorgen, dass im rechten Auge ausschließlich das Bild aus der rechten und im linken Auge ausschließlich das Bild aus der linken Kamera landet. Die beiden unterschiedlichen Bildeingänge werden dann im Gehirn zwangsläufig so ausgewertet, als kämen sie aus entsprechend weit voneinander entfernten Augen. Und schon ist der Kinosaal voller abenteuerlicher Figuren, die aus der Leinwand herausfliegen und direkt auf die Nasenspitze zuzurasen scheinen. Das einzige Problem bei dieser im Grunde genommen einfach genialen und genial einfachen Lösung besteht darin, den sensorischen Input in die beiden Augen absolut sauber und getrennt zu realisieren.
Trennwand, Komplementärfarben und Polarisierungsfilter
In den alten Stereoskopen wird dieses Problem schlicht dadurch gelöst, dass zwischen den beiden Augen eine blickdichte Trennwand errichtet wird. Dann kann jedes Auge tatsächlich nur noch „sein“ Bild sehen, und die Illusion ist beeindruckend. Später kamen dann die Rot-Grün-Brillen auf, die sich die optischen Eigenschaften der Komplementärfarben zunutze machen. Hat man diese Brille auf der Nase, dann sorgen die Farbfilter dafür, dass jedes Auge nur das geliefert bekommt, was es weiterleiten soll. Obwohl dieser Ansatz funktioniert, hat er sich doch nie so recht durchsetzen können. Denn zum einen kann man bei dieser Technik keine Farbenpracht genießen, und zum anderen führt der gewöhnungsbedürftige Input rasch zur Ermüdung der Augen und zu Kopfschmerzen.
Wesentlich eleganter und praxisorientierter sind dagegen die so genannten „Pol-Brillen“, die mit polarisiertem Licht arbeiten. Die gewünschte Filterwirkung ist optimal, und auch die Farben haben ungehinderten Zutritt zum Auge. Darum versprechen sich Filmemacher und Fernsehhersteller von diesem visuellen Aufbruch in eine neue Dimension erhebliche zu erwartende Umsatzmöglichkeiten. Ob das allerdings nur ein sehnsuchtsvoller Blick durch eine rosarote Brille bleibt, oder ob 3D die nächste Generation der Unterhaltungsindustrie dominieren wird, muss die Zukunft zeigen.
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