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Trendsportart:

Retrorunning – Einfach mal Rückwärtslaufen

Jogging mal anders: Vorwärtslaufen war gestern – Rückwärtslaufen ist angesagt. Retrorunning ist eine Trendsportart die immer beliebter wird.

Retrorunning - Rückwärtslaufen macht Spaß und hält Fit

Beim Retrorunning wird die Wirbelsäule gestärkt.

Schiedsrichter tun es gezwungenermaßen, manche auch ganz freiwillig: sportliches Rückwärtslaufen. Mittlerweile gibt es sogar Weltmeisterschaften und andere Wettkämpfe, auf denen Geschwindigkeiten gelaufen werden, die schon dem Vorwärtssportler kaum erreichbar scheinen. Das sportliche Laufen hat weltweit Anhänger, sie traben bei Wind und Wetter durch die Landschaft. Und warum auch nicht? Der Materialeinsatz ist gering und als Trainingsgelände reicht einfach ein Boden aus – prima Voraussetzungen, um mit wenig Aufwand Sport zu treiben. Allerdings birgt das Joggen auch recht viele Gesundheitsrisiken. Die meisten Menschen denken sich nämlich: Ich kann gehen, also kann ich auch joggen. Doch weit gefehlt. Wenn es an Technik fehlt, geht das Laufen schnell auf die Gelenke, vor allem Knie und Füße melden sich schnell mit Schmerzen. Dann ist der Traum vom Joggen manchmal schnell vorbei und ein Ausweichen auf andere Sportarten wäre ratsam. Wer aber trotz auftretender Probleme die Finger vom Laufsport nicht lassen kann, der sollte mal über Retrorunning nachdenken – Rückwärtslaufen.

Rückwärtslaufen – Trend in der Laufszene?

Rückwärtslaufen ist mitnichten eine neue Erfindung, hat nur bis vor wenigen Jahren eher einen Ersatzcharakter gehabt. Rückwärts wurde immer dann gelaufen, wenn man im Training die Muskeln anders als sonst belasten oder die Koordination schulen wollte oder auch, um frisch operierte oder schmerzende Knie zu schonen. Einer der führenden deutschen Rückwärtsläufer auf den Kurzdistanzen, Roland Wegner, kam auch auf diesem Wege zum Retrorunning. Als aktiver Leichtathlet war es irgendwann mit dem Vorwärtslaufen vorbei, da die Kniegelenke das nicht mehr tolerierten. Rückwärts ging es aber schon noch. Und so wechselte er nicht den Sport, sondern nur die Richtung. Und nach dem Abklingen des ersten fürchterlichen Muskelkaters war für ihn klar: So kann es gehen mit dem Laufen. Mittlerweile hält er unter anderem den Weltrekord über 100 Meter Sprint rückwärts – er braucht dafür 13,6 Sekunden. Isabella Wagner, eine andere deutsche Rückwärtsläuferin hält mit 16,8 Sekunden den Rekord bei den Frauen über die gleiche Distanz. Und natürlich gibt es auch bei den Rückwärtsläufern Athleten, die Laufen erst schön finden, wenn sie es über Stunden tun. So Achim Aretz, auch er ein Deutscher, dem 3:42 Stunden reichen, um eine ganze Marathondistanz rückwärts zu laufen. Es gibt darüber hinaus natürlich auch alle anderen Streckenlängen im Rückwärtslaufen, inklusive Staffelläufen. Nur Hürden auf der Strecke sind im Wettkampf bislang tabu.

Laufen, ohne zu sehen wohin

Rückwärtslaufen schont die GelenkeDas einzige Problem am Rückwärtslaufen scheint die fehlende Sicht zu sein. Da man mit dem Rücken zur Laufrichtung unterwegs ist, sieht man stattdessen aber die Gegner und sollte einer von denen versuchen, mit einem hinterhältigen Sprint noch kurz vor dem Ziel Boden wett zu machen, kann man das gleich mal unterbinden. Und dass man nach vorne nichts sieht, ficht passionierte Rückwärtsläufer nicht an – sie orientieren sie, wie Rückenschwimmer auch, an den Seiten. Das ist in einem Stadion natürlich recht einfach, die weißen Linien links und rechts einer Laufbahn sind deutlich zu sehen. Im Wald oder im Park ist das aber auch nicht so viel schwerer – immer vorausgesetzt, dass nicht Unmengen von Menschen unterwegs sind. Dann kann man sich nämlich ebenfalls an den Wegrändern gut orientieren. Und es verstößt übrigens auch nicht gegen die Rückwärtsläuferehre, sich gelegentlich mal umzudrehen.

Nicht zu sehen, wohin man läuft, birgt auch gleichzeitig die Lösung für ein Problem, das viele Freizeitläufer haben – Langeweile. Wie anders ist sonst zu erklären, dass die meisten Jogger Kopfhörer tragen oder gar telefonieren, während sie laufen? Beim Rückwärtslaufen hat man für so was keine Kapazitäten mehr frei: Im Grunde ist das die beste Verbindung von Ausdauersport und Achtsamkeit. Der Erholungseffekt ist enorm. Nur wenn es um die Muskeln geht, dann ist das so eine Sache mit der Erholung.

Retrorunning – schonender kann man nicht joggen

Jogging im RückwärtsgangAufgrund der menschlichen Anatomie gestaltet sich das Rückwärtslaufen ungemein gelenkschonend. Die Schrittlänge nach hinten ist begrenzt, da die Hüfte nicht mehr Streckung hergibt. Und außerdem kommt man auf dem Vorfuß auf. Dies ebenfalls gezwungenermaßen, da auch die Streckung im Fuß und die Länge von Achillessehne und Unterschenkelmuskulatur nicht ermöglichen, auf der Ferse zu landen. Die bei vielen Vorwärtsläufern allgegenwärtigen Knieprobleme treten beim Rückwärtslaufen nicht auf: Bei jedem Schritt muss weniger Gewicht abgefangen werden und das, was abgefangen werden muss, wird muskulär erledigt – zur Freude der Gelenke. Gleichzeitig ist der Effekt auf die Muskulatur enorm. Schon nach einigen Metern ambitioniertem Rückwärtslaufen wird klar, dass es da Muskelgruppen gibt, von denen man noch gar nicht wusste. Neben den Beinmuskeln ist nämlich auch der Rumpf gefragt, auch die Arme müssen sich anstrengen. Wenn man rückwärts nicht einfach nur ein bisschen traben, sondern Tempo machen will, sind die kleineren Schritte dafür verantwortlich, dass der Rumpf sehr viel schneller gegenrotieren muss als beim Vorwärtslaufen. Das treibt nicht nur den Läufer an, sondern auch die Atmung. Und macht nach ein bisschen Übung einen definierten Oberkörper. Der passt dann irgendwann auch ganz gut zu den kräftigen Beinen.

Rückwärts laufen heißt auch aufrecht laufen

Ein weiterer Vorteil des Rückwärtslaufens liegt in der Aufrichtung des Oberkörpers. Sieht man beim Freizeitvorwärtsläufer gelegentlich Exemplare, die vornüber von einem Schritt in den nächsten stolpern, ist das rückwärts nicht möglich. Wer sich so weit beugt, dass er die eigenen Schuhe sieht, kommt rückwärts nicht voran. Und in Richtung Rücken ist die Beugung anatomisch begrenzt. Stattdessen kommt es zu einer Aufrichtung im Rumpf, die man auch jedem Vorwärtsläufer und -geher wünschen würde. So wird auch der Rücken nicht mehr belastet, als es sein muss.

Beim Retrorunning läuft man zwar ungefähr 30 Prozent langsamer als vorwärts, aber im Schnitt schafft der trainierte Rückwärtsläufer immer noch 26 km/h, was ja für den Freizeitsport mehr als genug ist. Wenn man nun noch dazu bedenkt, dass der gleiche Trainingseffekt auf kürzerer Strecke und in kürzerer Zeit erzielt wird, muss man sich ja fast schon fragen, warum immer noch so viele Menschen vorwärts laufen. Ach, und eins noch: Wer häufiger mal sportlich rückwärts läuft, wird auch vorwärts schneller.

Buchtipp: Roland Wegner: Retrorunning: Rückwärts zu neuen Zielen Verlag: Spomedis, 144 Seiten, ISBN-13: 978-3936376401, Preis: 16,95 Euro

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Über Manuela Käselau

Manuela Käselau ist Physiotherapeutin und Shiatsu-Praktikerin (GSD). Parallel studierte sie Phonetik, Niederdeutsche Linguistik und Systematische Musikwissenschaft an der Universität in Hamburg. Als freie Autorin schreibt sie für diverse Online- und Printmedien, hauptsächlich im medizinischen Bereich. Seit 2012 ist sie ein Mitglied der Redaktion.

Ein Kommentar

  1. Das sieht beim Jogging ein wenig seltsam aus. Aber ich werds auf jeden Fall mal ausprobieren. Auf dieses Weise kann man seinen Orientierungssinn ein wenig schärfen und ich bin mir sicher, dass es vom Kraftaufwand ein Tick höher ist.