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Bestattungsrecht:

Ist der Friedhofszwang in Deutschland noch zeitgemäß?

Das deutsche Bestattungrecht ist so streng wie kaum ein anderes. Illegale Leichentransporte ins Ausland sind die Folge. Würdelos sei das, meinen die Grünen.

Frau steht am Sarg ihres MannesWer seine Asche einst auf einer Blumenwiese verstreut wissen möchte oder mitsamt Urne unter dem Kastanienbaum im eigenen Garten auch nach dem Tode an seinem Lieblingsort bleiben möchte, stößt in Deutschland an die Grenzen des Gesetzes. Mit den Ausnahmen Seebestattung und Bestattungswälder herrscht hierzulande Friedhofszwang. Die Bremer Grünen wollen das ändern und diskutierten mit Vertretern der Kirche, der Stadt und einem Bestatter.

Individuelle Bestattungsformen als Zusatzangebot

Bei einer Podiumsdiskussion am 15. Oktober 2012 im Café Radieschen erläuterte die umweltpolitische Sprecherin der Bremer Grünen, Dr. Maike Schaefer, den Antrag, das strenge Bestattungsrecht zumindest in der Hansestadt zu novellieren. Nichts Traditionelles solle abgeschafft, sondern ein Zusatzangebot geschaffen werden, das individuelle Wünsche berücksichtigt. Asche auszustreuen, eine Urne zuhause aufzubewahren oder ein Urnenbegräbnis außerhalb der Friedhofsmauern – etwa im eigenen Garten oder an einem anderen besonderen Ort – ist momentan nur mittels illegaler Transporte möglich. Dazu werden Leichname ins Ausland, etwa in die Schweiz oder die Niederlande, gebracht, dort verbrannt – und anschließend die Asche heimlich rückgeführt. Unwürdig sei das, meint Schaefer.

Kirchenvertreter halten nur den Friedhof für geeignet

Pastor Dr. Bernd Kuschnerus hingegen meint, die Urne im Wohnzimmerschrank sei würdelos und berichtet aus seiner Erfahrung, dass Angehörige anonyme Bestattungen mitunter später bereuen und sich eine nachträgliche Markierung des Verstorbenen wünschen. Zudem müsse auch die seelsorgerische Perspektive berücksichtigt werden: wer bestimmt, was mit dem Toten geschieht? Der Friedhof als öffentlicher Ort gewähre die Zugänglichkeit zum Toten für alle Trauernden. „Wer eignet sich den Toten an?“, fragt auch eine Pastorin im Publikum und schießt scharf: „Was wir hier diskutieren – machen wir uns doch nichts vor – ist auch ein Problem des Bildungsbürgertums!“ Bestattung sei ein „Beziehungsgeschehen“, nicht ein Einzelner sollte darüber entscheiden.

Platz zum Trauern muss nicht der Friedhof sein

Schild mit Namen an einem BaumEin Platz zum Trauern muss sein, meint auch Bestatter Heiner Schomburg – und der Name des Verstorbenen müsse genannt werden, alles andere sei würdelos. Er verweist  auf den historischen Aspekt und den Wandel dessen, was als normal gilt. Früher war die Erdbestattung die normale Form; der Anteil an Feuerbestattungen nimmt jedoch immer weiter zu. Zudem erfreuen sich Bestattungswälder zunehmender Beliebtheit. Friedhöfe in ihrer heutigen Form seien für künftige Generationen nicht mehr passend und müssten modernisiert werden. Sein Traum, so Schomburg, sei eine Baumbestattungsecke im Stadtwald, also in einem Park mitten in der Stadt. Trauer sei individuell – und ob mit oder ohne Urne könne es zu einer „Vereisung der Trauer“ kommen. Dazu müsse diese nicht auf dem Kaminsims (ein Bild aus amerikanischen Filmen) oder im Wohnzimmerschrank stehen.

Das Whiskeyglas auf dem Sarg und die Definition von Würde

Was Würde bedeutet, welche Form Trauern haben kann, ist individuell. Das wurde in der Diskussion deutlich. Schomburg nannte ein Beispiel aus Irland, wo die Trauergäste schon mal ihr Whiskeyglas auf dem Sarg abstellen, der im Park aufgestellt ist. Und auch andere christlich geprägte Länder wie etwa Spanien kennen keinen Friedhofszwang. Im Buddhismus gibt es statt einer Trauer- eine Abschieds- und Begrüßungsfeier. Der gesellschaftliche Wertewandel muss berücksichtigt werden. Schließlich, so Schaefer, beruhe die strenge deutsche Handhabung auf dem Feuerbestattungsgesetz von 1934.

Unsere Nachbarn, die Niederländer, könnten einmal mehr als Vorbild dienen. Und dort zeigt die Erfahrung, dass letztlich nur ein geringer Teil, nämlich vier Prozent, die Urne „hinstellen“ möchte. Zudem, ergänzt Schaefer die Diskussion um einen weiteren Aspekt, gewährleiste auch der Friedhof nicht die ständige Erreichbarkeit für alle Trauernden, weil die Angehörigen und Freunde oft andernorts leben. Wenn den Wünschen sowohl des Verstorbenen als auch der Angehörigen Rechnung getragen werde, könne sie daran absolut nichts Würdeloses erkennen, meint auch eine Frau im Publikum, deren Tante sich mittlerweile unter einem Busch in ihrem Garten befindet. Würdelos seien nur die illegalisierten Leichentransporte ins Ausland.

Der Tod als Geschäft – die Kunden ziehen lassen?

Wie könnte es auch anders sein, auch beim Bestattungsrecht geht es mitnichten nur um die Würde des Menschen – sondern wie überall auch um den schnöden Mammon. Steffen Kunkel von der Friedhofsverwaltung findet ein plastisches Bild dafür: „Auch die Post lässt ihre Kunden nicht gerne ziehen.“ Und er verweist darauf, dass beispielsweise Baumbestattungen ja auch auf den städtischen Friedhöfen möglich seien, mitsamt dem Vorteil, dass es dort keine Wildschweine gebe.

Bestattungen sind mit nicht unerheblichen Kosten verbunden. Die Einschränkung der Wahlmöglichkeit derer, die kaum Geld haben, blieb am Ende der Veranstaltung wie ein Herbstnebel im Raum hängen.

Foto: © picture alliance / ZB

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Über Lucy M. Laube

Lucy M. Laube ist eine freie Journalistin und diplomierte Sozialwissenschaftlerin. Zu ihren bisherigen beruflichen Stationen zählen unter anderem Radio Bremen, Greenpeace und das Goethe-Institut. Seit Anfang 2012 schreibt sie als Redakteurin für das Artikelmagazin.