Des einen Freud ist des anderen Leid: Mit der anstehenden roten-grünen Landesregierung in Niedersachsen werdenden künftig die Berliner Oppositionsparteien stärker denn zuvor indirekt mit am Berliner Kabinettstisch sitzen. Der Bundesrat macht es möglich. Mit der neuen Koalition in Hannover nämlich haben die derzeitigen Berliner Regierungsparteien CDU/CSU und FDP ihre gestalterischen Möglichkeiten im Ländergremium endgültig und deutlich verloren und müssen bei genehmigungspflichtigen Gesetzen der Zustimmung auch der jetzt insgesamt in zehn Ländern regierenden Sozialdemokraten und Grünen sicher sein. Die in Berlin Regierenden verfügen jetzt nämlich nur noch über 26 der insgesamt 69 Stimmen im Bundesrat.
Die mühsame Suche nach Konsens
Wenn es jetzt also in gesetzgeberischen Fragen unterschiedliche Auffassungen zwischen Bundestag und Ländervertretung gibt, kommt der so genannte Parlamentarische Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat zum Zuge. Er besteht aus je 16 Vertretern der beiden parlamentarischen Gremien. Seine Aufgabe besteht darin, einen Konsens zwischen dem Berliner Parlament und dem Bundesrat zu finden, wenn vom Bundestag beschlossene Gesetze im Bundesrat keine Mehrheit finden. Weichen dann Kompromissbeschlüsse des Vermittlungsausschusses von denen des Bundestages ab, geht das umstrittene Gesetz zur erneuten Beratung und Beschlussfassung in den Bundestag zurück.
Immer nur Steinbrück oder Rösler
Die Prozedur ist in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in der Vergangenheit immer wieder auch bis zum Exzess durchgespielt worden. Bis hin zur Blockade gesetzgeberischer Vorlagen. Die Bundesrepublik Deutschland ist ein föderal aufgebauter Staat. Aber es ist immer wieder erstaunlich, wie leicht dies übersehen wird. Während des niedersächsischen Wahlkrimis am 20. Januar 2013, der bis kurz vor Mitternacht dauerte, gaben auch die Berichterstatter und Kommentatoren der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kaum Hinweise darauf, wie das Wahlergebnis von Hannover Bundespolitik zu beeinflussen in der Lage sein wird. Mit Blick auf Berlin wurde immer wieder nur gefragt, welche Zukunft SPD-Kanzlerkandidat Steinbück oder FDP-Chef Rösler haben könnten.
Berliner Koalition hat nur noch 26 Stimmen
Vor der Niedersachsenwahl konnten sich die in Berlin regierenden CDU/CSU und FDP noch auf 32 der 69 Stimmen im Bundesrat stützen. Mit einer neuen Koalition in Hannover gehen aber die sechs Stimmen des Landes für das schwarz-gelbe Regierungslager verloren. Somit kommen Union und FDP nur noch auf 26 Stimmen – und das ist eine arge Minderheit. Damit sehen die Mehrheitsverhältnisse in der Länderkammer ein gutes halbes Jahr vor der Bundestagswahl für Bundeskanzlerin Angela Merkel vor allem deshalb nicht gut aus, weil Gesetzgebungsvorhaben, die auch Wahlgeschenke sein könnten, rasch zu blockieren sind. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier hat sich am Tag nach der Niedersachsen-Wahl auch wenig missverständlich dazu geäußert.
Ein Instrument zur Profilierung
Die Konstellation heißt unter dem Strich, dass für die Berliner Koalition das Regieren in der Endphase der Legislaturperiode ziemlich schwierig wird. Im Wahljahr 2013 – aber so war es schon immer in der mehr als 60-jährigen parlamentarischen Geschichte – wird der Vermittlungsausschuss von den in Berlin opponierenden Parteien als Profilierungsinstrument zu gerne genutzt. Die Entwicklung hat natürlich auch psychologische Bedeutung: Mit Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg stellt Rot/Grün die Regierungschefs in drei der vier größten Bundesländer, die über jeweils sechs Stimmen im Bundesrat verfügen. Dagegen steht nur noch die CSU mit Bayern. Die CDU hat als größtes Bundesland lediglich Hessen – mit fünf Sitzen im Ländergremium – aufzuweisen.
© Pixel Trader Ltd. 2013 Alle Rechte vorbehalten