Die Berliner Agentur ET-Media hatte den Ex-Titanic-Chefredakteur zur aktuellen politischen Situation in Italien sowie zum Wahlsieger Beppe Grillo befragt. Sonneborn arbeitet für die ZDF-Satiresendung „heute show“ und tritt daneben auch als Bundesvorsitzender der Spaßpartei „Die Partei“ auf.
Interview mit Martin Sonneborn
Acht Fragen zur politischen Situation in Italien und zum Wahlsieger Beppe Grillo an Martin Sonneborn:
Herr Sonneborn, der Clown, Satiriker und Populist Beppe Grillo hat unlängst die Parlamentswahlen in Italien gewonnen. Frage an Sie als Bundesvorsitzender und GröVaZ (i.e. in Ihrem Parteijargon: „Größter Vorsitzender aller Zeiten“) der Partei Die PARTEI: Haben Sie eigentlich jemals eine Clownschule besucht?
Sonneborn: Nein. Aber ich habe ja auch noch keine Bundestagswahl gewonnen, das kommt erst im September.
Was glauben Sie, warum hat Beppe Grillo die Wahlen in Italien gewonnen?
Sonneborn: Weil die Verdrossenheit der Italiener, der Unmut in Bezug auf die politische Klasse, noch größer ist als die der Deutschen. Aber geben Sie Kauder, Steinbrück und Seehofer noch ein wenig Zeit, dann wird es auch hierzulande interessante Wahlergebnisse geben.
Welche Bedeutung hat der Wahlsieg Beppe Grillos als Komiker und Satiriker für die Demokratie?
Sonneborn: Über Populismus und die Schattenseiten von Mehrheitsentscheidungen will ich hier nicht sprechen. Aber er belegt u.a. auch deutlich, dass die Demokratie funktioniert. Übrigens noch einen Deut besser als in Deutschland: Die OSZE-Wahlbeobachter haben ja 2009 deutliche Kritik daran geübt, dass Die PARTEI (und auch die ungleich unseriösere „Pauli-Partei“ Freue Union) nicht zur Bundestagswahl zugelassen wurden – mit fadenscheinigen Begründungen.
Wir würden Sie Ihr Verhältnis als Parteichef und „Größter Vorsitzender aller Zeiten“ (GröVaZ) der Partei Die PARTEI zu Grillo als Chef der Fünf Sterne Partei sehen? In wie weit gibt es Ähnlichkeiten oder gar persönliche Beziehungen?
Sonneborn: Ich sehe wenig Ähnlichkeiten, ich kann leider überhaupt nicht herumschreien. Beziehungen werden wir aufnehmen, sobald wir alle über die notwendigen Ämter verfügen. Und dann wird es lustig in Europa!
Der Bürgermeister der isländischen Hauptstadt Reykjavik, Jon Gnarr, ist ebenfalls Komiker und forderte in seinem Wahlprogramm u.a. die offene statt der heimlichen Kooperation, einen Eisbär für den Hauptstadtzoo und kostenlose Handtücher in allen Schwimmbädern. Auch Londons Bürgermeister Boris Johnson wird immer wieder als „Clown“ bezeichnet. Im Erfurter Ortsteil Tiefthal ist mit Helmut Besser ein echter Clown Bürgermeister geworden. Würden Sie sagen, dass aktuell eine gesamteuropäische, kraftvolle Clown- bzw. Satirikerbewegung entsteht, die mehr und mehr wichtige Ämter erringt?
Sonneborn: Klar, die Reihe ließe sich ja beliebig fortsetzen: Rösler, Kubicki, Brüderle… Fehlt nur noch, dass die Deutschen in der Wahlkabine etwas weniger schwermütig entscheiden, damit endlich seriösere Satiriker an die Macht kommen. Ich spiele auf Die PARTEI an.
Mittelfristig könnte es im Europäischen Parlament auch eine entsprechende Gruppierung (Europäische Clownpartei o.ä.) geben. Gibt es denn inzwischen wenigstens schon eine Art europäische Politkomiker-Vereinigung oder sind Sie bestrebt, eine zu gründen?
Sonneborn: Wir arbeiten sogar global. Beziehungen nach Georgien und zum Vatikan haben wir bereits geknüpft… Übrigens gibt es in den USA, in Spanien, in Neuseeland und in der Schweiz bereits Auslandsorganisationen der PARTEI. Und der Landesverband Österreich steht kurz vor der Gründung…
In wie weit stufen Sie Steinbrücks Äußerung über Politclowns als diffamierend ein?
Sonneborn: Diffamierend? Steinbrück? Nein, ich glaube, dass das Empörungspotential im Internet und unter deutschen Journalisten ein wenig zu stark ausgeprägt ist. Steinbrück ist ein Idiot, aber das dauernde Einprügeln auf ihn ist so geistfrei und trostlos.
Warum bekommt die Partei Die PARTEI in Deutschland keine 25 Prozent der Wählerstimmen: Ist die Partei Die PARTEI nicht witzig genug, oder ist die aktuelle Politik in Deutschland so gut, dass es hier keine Protestwählerstimmen in einer Größenordnung von 25 Prozent gibt?
Sonneborn: Die Piraten haben zu viele Protest-Stimmen abgegriffen bei den vergangenen Wahlen. Wer konnte auch ahnen, dass uns eine Partei in Bezug auf das von uns schon seit langem öffentlich geforderte „Überwinden von Inhalten“ aus dem Stand überholt? Zum Glück ist der Spuk nach der nächsten Wahl vorbei…
Hinweis: Die Aussagen Martin Sonneborns spiegeln nicht die Meinung des Autors wider.
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Man sollte dies mit einem Augenzwinkern lesen. Indessen stimmt es: Die Parteienverdrossenheit der Italiener ist größer als hierzulande; die Menschen haben auch allen Grund dazu.