Ein bisschen in vorsichtiger Distanz, zugleich mit latentem Wohlwollen, ist im Ausland, speziell im katholischen Italien, die Wahl des protestantischen Pastors Joachim Gauck zum 11. Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland registriert worden. Dabei haben sich die Blicke der Südländer auf einige Details gerichtet, die in Deutschland selbst marginal erscheinen mögen:
Zuvorderst wird in dem seit Jahrzehnten vom Parteienstreit zerfledderten Italien der Tatsache breiter Raum gegeben, dass der neue Präsident parteilos war und ist. Eine auf der Apennin-Halbinsel bislang kaum nachvollziehbare Vorstellung, obwohl doch hierzulande nunmehr seit mehr als 100 Tagen mit Mario Monti ein Ministerpräsident das Sagen hat, der gar nicht gewählt worden ist und einer nicht an die Parteien des Parlaments gebundenen Expertenregierung vorsteht. Denn alle Staatspräsidenten in Rom waren und sind parteipolitisch gebunden – und zum Teil auch eingebunden. Der amtierende Giorgio Napolitano war Kommunist und später Sozialdemokrat; er hat sich allerdings deutlich „freigeschwommen“.
Besondere Beachtung findet daneben die Tatsache, dass der neue Bundespräsident ein „DDR-Dissident“ ist, wie sich die Gazetten ausdrücken. Einer also, der kommunistischer Diktatur die Stirn geboten hat. Und Applaus findet die Tatsache, dass ihn – jedenfalls nach ersten Ankündigungen – seine erste Auslandsreise nach Polen führen wird. Und zwischen Polen und italien gibt es seit den Zeiten faschistischer Unterdrückung ganz besondere emotionale Beziehungen.
Aber alle politischen Betrachtungen wurden am Montag nach der Wahl in Italien überlagert von den Berichten über das Persönliche im Leben des „Nonkonformisten“, wie ihn beispielsweise Andrea Tarquini, Berliner Korrespondent der liberalen Mailänder Tageszeitung „La Republica“, bezeichnete. Er beschrieb einen „Nonkonformisten“, einen, der sich weigere, seinen Wohnsitz in Schloß Bellevue zu nehmen. Und einen, der, obwohl nicht geschieden, mit einer jüngeren Frau zusammenlebe, die eine „volksnahe Persönlichkeit“ sei. Eine Frau, die am liebsten in Jeans und leichtem Pullover herumlaufe. Der Berliner Korrespondent von „La Repubblica“ konnte sich hier einen leichten Seitenhieb nicht verkneifen. Andrea Tarquini vermerkte mit Fleiß: Ganz im Gegensatz zum kostspieligen Outfit der „Amtsvorgängerin“ Bettina Wulff.
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