Der Ensdorfer Peter Altmaier ist nun seit gut eineinhalb Monaten Bundesumweltminister. Ein Berliner Journalist hat den neuen Minister während seiner Einarbeitungsphase konsequent begleitet: Von der Ernennung im Schloss Bellevue über seine Teilnahme an verschiedenen Umwelt-Jahrestagungen und Kongressen der Energiewirtschaft bis hin zum Zusammentreffen mit Vertretern der Bürgerinitiative Asse II.
Gut sechs Wochen nach seiner Amtseinführung zieht Peter Altmaier nun ein erstes Fazit. Für das exklusive Interview nahm sich der Minister an einem durchaus historischen Tag Zeit, stand doch an jenem Freitagabend des 29. Juni die Abstimmung über den Fiskalpakt und den Euro-Rettungsschirm ESM an. Die Zeit zwischen einer Fraktionssitzung der Union und der folgenden Regierungserklärung der Bundeskanzlerin war knapp, so dass Altmaier ein wenig spät zur Rede der Kanzlerin im Plenum erschien.
Wagner: Herr Minister, lassen Sie uns zunächst bitte noch einmal zum Anfang Ihrer noch jungen Karriere als Bundesumweltminister zurückgehen: Die Bundeskanzlerin lud an jenem Mittwoch überraschend ins Kanzleramt und verkündete: Röttgen geht, Altmaier kommt. Wann hat die Kanzlerin eigentlich Sie darüber informiert, dass Sie Minister werden? Hat Frau Merkel Sie direkt an dem Mittwoch angerufen?
Altmaier: Ja, ich war auch überrascht. Ich hatte am Vorabend noch Gäste, und es ist morgens sehr spät geworden. Ich habe mit Vielem für den Tag gerechnet, aber damit wahrscheinlich am Wenigsten. Die Bundeskanzlerin hat mich nach ihrem letzten Gespräch mit Norbert Röttgen angerufen und insofern war mir dann klar, was auf mich zukommt. Ich hatte schon Respekt vor der neuen Aufgabe. Aber wenn man Politik macht, dann muss man auch bereit sein, Verantwortung zu übernehmen.
Wagner: Nun ist Herr Röttgen ja relativ „glanzlos“ aus dem Amt geschieden: Frau Merkel hat den Bundespräsidenten gebeten, ihn zu entlassen. Das ist ja ein Vorgang, den wir seit Rudolf Scharping nicht mehr erlebt haben. Daher gab es auch den Vorwurf, es sei von der Kanzlerin durchaus unchristlich gewesen, Herrn Röttgen auf diese Weise in Anführungszeichen „rauszuwerfen“. Wie sehen Sie das, ist das unchristlich, passt dieses Verhalten zur CDU oder war dieser „Rauswurf“ einfach nötig?
Altmaier: Nein, es ist so, dass nach dem Grundgesetz allein der Bundeskanzler – in diesem Falle die Bundeskanzlerin – darüber entscheidet, wie das Kabinett zusammengesetzt ist. Und das hat einen guten Grund, weil nämlich der Bundeskanzler vor dem Parlament auch die Verantwortung für die Regierung trägt. Einzelne Minister können nicht gestürzt werden, nur der Bundekanzler kann durch ein Misstrauensvotum abgewählt werden. Und deshalb ist es so, dass jeder Bundekanzler frei darüber entscheidet, wer seinem Kabinett angehören soll und wer nicht. Das haben andere Kanzler auch schon gemacht, das hat zuletzt Gerhard Schröder gemacht. Und ich glaube, dass man diese Entscheidung der Bundeskanzlerin respektieren muss.
Wagner: Das heißt, der Vorgang ist für Sie so in Ordnung?
Altmaier: Ich hätte, wenn ich mit dieser Entscheidung ein grundsätzliches Problem gehabt hätte, meine Ernennung nicht angenommen.
Wagner: Sie sind ja Jurist und für diese gilt ja seit je her die Feststellung „Der Jurist kann sich überall sehr schnell einarbeiten“. Wie ist das in Ihrem neuen Ressort Umwelt und Naturschutz, wie schnell können Sie sich da einarbeiten?
Altmaier: Ich bin ja relativ neu als Umweltminister, aber ich bin natürlich nicht neu in der Politik und ich habe in den letzten Jahren schon viele unterschiedliche Funktionen gehabt. Zum Schluss, als Parlamentarischer Geschäftsführer, musste ich mich mit allen Politikbereichen beschäftigen, ebenso wie der Fraktionsvorsitzende. Das hat mir sehr geholfen, mich in dem neuen Amt zurechtzufinden. Ich hab allerdings auch sofort die Ärmel aufgekrempelt und mich in die Arbeit gestürzt. Ich glaube, dass die Menschen ein Recht darauf haben, dass jeder Bundesminister vom ersten Tag an sprech- und arbeitsfähig ist. Das haben vor mir auch schon andere bewältigt, insofern finde ich das gar nicht so dramatisch. Und bisher ist mein Eindruck, dass meine Anstrengungen auch anerkannt werden.
Wagner: Das kann ich sogar bestätigen. Ich habe Sie auf dem Kongress des Bundesverbandes der Energiewirtschaft begleitet und mit diversen Teilnehmern gesprochen. Diese Fachleute für das Thema Energiewende waren voll des Lobes und haben gesagt: „Der Altmaier hat frei von der Leber weg über 30 Minuten gesprochen und alles, was er gesagt hat, wies die für das Thema notwendige Tiefe auf“. Offenbar kamen Sie dort also sehr gut an. Gestern Nachmittag hatten Sie einige Vertreter des Koordinationskreises Asse II in Ihr Ministerium eingeladen und auch dort war das Feedback wieder positiv, es hieß: „Herr Altmaier ist gesprächsbereit, das ist gut“. Sie legen demnach also besonderen Wert auf inhaltliche Qualität und auch auf Sympathie?
Altmaier: Nun, ich glaube, dass man als Minister langfristig nur Erfolg hat, wenn man drei Dinge vereinen kann. Das erste ist: Man muss selbstverständlich in der Sache drin sein und muss bereit sein, auch die Details zu bearbeiten und sich ein eigenes Bild von den Problemen machen. Zweitens: Man muss den Mut haben, bei wichtigen Fragen auch Entscheidungen zu treffen. Man darf sich vor schwierigen Problemen also nicht wegducken. Drittens: Politiker müssen ja immer auch mit Menschen umgehen. Deshalb glaube ich, dass es ganz wichtig ist, dass man einen Draht zu den Menschen findet. Das ist nicht sehr einfach, weil die meisten Bürger einen nur über Fernsehen und Zeitung erleben können. Und trotzdem habe ich immer versucht, meine eigene, unverwechselbare Persönlichkeit nicht zu verlieren, nicht zu verleugnen. Ich habe versucht, auf die Menschen zuzugehen, mit Ihnen zu reden und auch so zu reden, dass man es verstehen kann, wenn man sich nicht jeden Tag acht Stunden mit diesem Thema beschäftigt. Das sind aus meiner Sicht die drei grundlegenden Anforderungen und denen versuche ich gerecht zu werden.
Wagner: Sie sagen, man müsse mit den Menschen reden. Das galt insbesondere auch für Ihren Besuch in der Asse.
Altmaier: Ich glaube, dass es richtig war, dass ich meinen ersten größeren Besuch als Umweltminister in dem radioaktiv verseuchten Bergwerk Asse gemacht habe, weil es einer der größten Schandflecke ist, die der Mensch der Natur in Deutschland angetan hat. Dabei ist mir zu Gute gekommen, dass ich als Saarländer weiß, was Bergbau ist. Ich weiß auch, wie Bergleute denken und unter welch schwierigen Umständen sie arbeiten müssen. Das hat mir dann einen Zugang und einen Draht zu den Beschäftigten dort ermöglicht. Ich habe auch im Hinblick auf die Proteste gegen die Primsmulde Süd beim Bergwerk Ensdorf 15 Jahre lang erlebt, wie es ist, wenn Bürger sich nicht ernstgenommen und getäuscht fühlen. Das hat es mir ermöglicht, auf die Bürgerinitiativen zuzugehen. Darüber hinaus glaube ich, dass es mir gelungen ist, dort eine Gesprächsatmosphäre zu schaffen, die Vertrauen entstehen lässt. Dieses Vertrauen will ich auch auf jeden Fall rechtfertigen und deshalb arbeiten wir jetzt mit Hochdruck daran. Wobei alle Beteiligten wissen, es wird viele, viele Jahre dauern, bevor die ersten Fässer aus der Asse herausgeholt werden können. Wenn es überhaupt noch Fässer sind. Alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass wir es in den meisten Fällen mit einer großen, amorphen Masse zu tun haben. Aber ich habe klar gemacht, wir werden den Beitrag leisten, den wir mit irdischen und menschlichen Mitteln irgendwie leisten können, um diesen Schandfleck zu beseitigen.
Wagner: Wenn Sie von einer amorphen Masse sprechen, könnte es sich natürlich um ein Stadium handeln, das vielleicht schon lange irreversibel ist. Glauben Sie dennoch, dass man in einigen Jahrzehnten einen Erfolg verzeichnen kann?
Altmaier: Nun, wir haben in Deutschland ja Gott sei Dank eine sehr hochentwickelte Bergbautechnik, da gehören wir weltweit zu den führenden Ländern. Wir haben ganz spezielle Maschinen und sind jetzt dabei, das alles im Hinblick auf die Besonderheiten dieses Salzbergwerks weiter zu entwickeln. Dafür gibt der Bund über die Jahre verteilt auch viel Geld aus. Deshalb glaube ich: Wenn es irgendwo ein Land gibt, wo man ein solches Problem lösen kann, dann ist es Deutschland. Ich weiß allerdings auch, dass das Bergwerk in einem sehr maroden Zustand ist, und dass mehrere andere Bergwerkschächte in der Nähe bereits abgesoffen sind. Und deshalb arbeiten wir unter sehr, sehr schwierigen Bedingungen.
Wagner: Apropos „schwierige Bedingungen“: Lassen Sie uns bitte nochmal auf Ihre Zeit vor dem Startschuss zum Ministeramtes zurückkommen. Als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag waren Sie ja DER Strippenzieher schlechthin. Ich habe gelesen, Sie laden Parteifreunde nach Hause zum Essen ein und am Ende steht dann die Mehrheit, die man braucht. Können Sie jetzt als Umweltminister immer noch Menschen motivieren, ist Ihnen dies zeitlich überhaupt noch möglich?
Altmaier: Ich habe bislang – ich bin ja erst rund fünf Wochen im Amt – noch niemanden nach Hause einladen können, weil ich manchmal einfach bis kurz vor Mitternacht im Büro bin oder mit Leuten und Verbänden rede, um bestimmte Entscheidungen vorzubereiten. Trotzdem will ich diesen Stil auch in Zukunft beibehalten, weil ich glaube, dass es gerade in der Politik wichtig ist, dass man menschliche Begegnungsmöglichkeiten schafft. Und da schmeckt ein Glas Bier in der eigenen Wohnung eben doch anders als irgendwo in einem Hinterzimmer. Deshalb will ich versuchen, mir diesen Freiraum wieder zu schaffen. Die erste Einladung, die ich jetzt wieder ausgesprochen habe, geht an meinen alten Juraprofessor aus Saarbrücken, der nach Berlin kommt, wo wir uns mit seinen ehemaligen Schülern dann in meiner Berliner Wohnung treffen werden.
Wagner: Als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer haben Sie über die Jahre hinweg natürlich immer viele Dinge erklärt und gerechtfertigt. Sie waren es, der beispielsweise Sonnntagabend im Konrad-Adenauer-Haus stand und in einer Live-Schalte das Ergebnis der Landtagwahlen im Saarland oder in NRW erläutert hat. Jetzt will ich Sie doch mal prüfen, ob sie es noch können: Hat Frau Merkel bei den Verhandlungen auf dem Eurogipfel gestern Nacht in Brüssel verloren? Einige Zeitungen schreiben ja genau Dieses.
Altmaier: Angela Merkel kämpft seit zweieinhalb Jahren mit einem unglaublichen Einsatz für den Euro, aber auch für deutsche und europäische Interessen. Sie hat dabei riesige Probleme überwinden müssen. Die Krise ist sicherlich noch nicht beendet, aber ich persönlich glaube, dass Angela Merkel auf dem richtigen Weg ist. Und ich werde alles tun, damit sie Erfolg hat.
Wagner: Das heißt, Sie hat gestern tatsächlich nicht mehr Zugeständnisse gemacht, als verabredet war?
Altmaier: Nein, ich glaube, dass Angela Merkel gestern in allem, was Sie gemacht hat, richtig gehandelt hat. Ihr Vorgehen in Brüssel hat nicht nur gestern, sondern auch schon viele, viele Male davor dazu beigetragen, dass der Euro als starke Währung überlebt hat und dass die Bundesrepublik Deutschland trotz der Krise in vielen Nachbarstaaten immer noch ein blühendes und prosperierendes Land mit niedriger Arbeitslosigkeit und ordentlichem Wachstumszahlen ist. Insofern glaube ich, hat Angela Merkel bis jetzt alles richtig gemacht.
Wagner: Sie verwenden häufig die Formulierung „meine Kanzlerin“, etwa, wenn Sie sagen: „Ich muss jetzt zu meiner Kanzlerin ins Schloss Meseberg“. Diese Formulierung lässt auf eine gewisse Vertrautheit schließen. Wie innig ist Ihr Verhältnis?
Altmaier: Wir kennen uns schon sehr lange. Ich hatte vor rund zehn Jahren die Möglichkeit, ihr Justiziar zu sein, als sie Fraktionsvorsitzende war. Seither hat sie mich mehrfach mit Aufgaben betraut und ich hatte Gelegenheit, mit ihr zusammenzuarbeiten. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass Angela Merkel ihr Amt als Bundeskanzlerin nicht nur sehr Ernst nimmt, sondern dass Sie auch mit viel Herzblut dahintersteht. Ich teile Ihre politischen Auffassungen. Für mich ist es ganz wichtig, dass meine Arbeit auch dazu beiträgt, dass sie als Bundeskanzlerin weiter Erfolg hat.
Wagner: Wie schaffen Sie sich zu Ihrer Arbeit eigentlich noch einen privaten Ausgleich, wenn Sie, wie neulich, in Rio unterwegs sind und auch in Berlin regelmäßig bis nachts arbeiten? Haben Sie eigentlich ein Privatleben?
Altmaier: Ja, das will ich doch hoffen! Früher habe ich am Wochenende im Saarland stundenlang Rasen gemäht. Das geht derzeit gar nicht. In Berlin habe ich außerdem sehr gerne für Freunde gekocht. Ich hoffe, dass ich dazu vor allem in der sitzungsfreien Zeit hin und wieder Gelegenheit habe. Ansonsten lese ich sehr gerne, vor allen Dingen auch Bücher, die 100 Jahre und älter sind. Das Hobby kann mir keiner nehmen, auch die Berufung zum Bundesumweltminister nicht. Sie können morgens beim Frühstück lesen oder abends beim Zubettgehen. Das bedeutet für mich immer auch so ein bisschen ein Eintauchen in eine fremde Welt und damit Abstand zu den Problemen des Tages.
Wagner: Man liest immer über Sie, sie seien „ledig“. Damit ist das Privatleben meist schon abgehakt. Haben Sie eine Beziehung, sind Sie verbandelt oder Ähnliches, wollen Sie dazu mal etwas sagen?
Altmaier: Ich bin ledig, das stimmt, das wissen auch alle. Ich lebe auch in keiner festen Beziehung, sondern ich investiere meine Arbeitskraft in meine Beziehung zu den Menschen zu Hause im Wahlkreis und als Minister zu denen in ganz Deutschland. Das füllt mich ausgesprochen aus und das macht mir auch wunderbar Spaß.
Wagner: Das heißt, Ihnen fehlt keine Frau beziehungsweise kein Mann als feste Beziehung?
Altmaier: Also, wenn ich verheiratet wäre, dann würde ich wahrscheinlich der Frau fehlen. Das bedeutet, dass einem manchmal dann auch so eine Situation, die im Laufe von vielen Jahren entstanden ist, ganz gut zu pass kommt – wenn es nämlich darum geht, sich voll und ganz einer Sache zu verschreiben.
Wagner: Sie sind also mit der Situation so, wie sie jetzt ist, auch glücklich?
Altmaier: Ja.
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