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Reaktorsicherheitskommission

Stresstest Atomkraftwerke: Ernsthafter Prüfkatalog oder Nebelgranate?

Bundesumweltminister Norbert RöttgenSind unsere Atomkraftwerke denn nun sicher oder nicht? Um über das Wohl und Wehe der deutschen AKWs zu entscheiden, will die Bundesregierung sie in den kommenden Wochen sogenannten Stresstests unterziehen. Dabei sollen sie (natürlich nur theoretisch) ihre Sicherheit und Widerstandskraft bei Katastrophen und Zwischenfällen jeder Art unter Beweis stellen.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen präsentierte in Berlin den Anforderungskatalog, den die Reaktorsicherheitskommission zusammengestellt hat und der die Grundlage für diese Überprüfung der Kernkraftwerke sein wird.

Dreimonatige Frist zur Überprüfung der deutschen Atomkraftwerke

Im Vorspann des Prüfberichtes geht die Kommission darauf ein, was denn letztendlich der  japanischen Reaktorkatastrophe an Versäumnissen zugrunde liegt, um darauf fußend dann Erkenntnisse für Sicherheitsanforderungen zu ziehen. Die Tests und Überprüfungen werden auf einen Zeitraum von drei Monaten angesetzt, während der die ältesten sieben Atommeiler vorsorglich vom Netz genommen werden. Einen ersten Bericht kündigte Röttgen für den 15. Mai an.

Schlichte fünf Seiten Anforderungskatalog

Ein Blick auf den fünfseitigen Anforderungskatalog lässt zunächst stutzen und nach weiterführenden Links oder Verweisen suchen: Ist man sonst von offiziellen Verlautbarungen und Dokumenten detaillierte, umfassende und erschlagende Ausarbeitungen gewöhnt, kommt dieses Papier ausgesprochen simpel daher und erweckt zunächst den Anschein, Einleitung oder Überblick zu sein.

Doch wer mehr erwartet hat, wird enttäuscht: Die fünf Seiten mit vergleichsweise schlichter Strukturierung sind das komplette Instrument, anhand dessen die Zukunft der Energiepolitik der Bundesrepublik bestimmt werden soll. Nur zum Vergleich: Der „Landesweit einheitliche Rahmenprüfkatalog zur Überwachung von Betreuungseinrichtungen“, den das Land Nordrhein-Westfalen herausgegeben hat, umfasst 72 Seiten.

Weder neue Prüfszenarien noch nachvollziehbare Prüfwerte enthalten

Stresstest für Kernkraftwerke in DeutschlandWenn dazu aufgefordert wird, die Auswirkungen von Hochwasser oder Flugzeugabstürzen zu prüfen, sind das wahrhaftig keine neuen, bisher noch nicht in Sicherheitsüberlegungen einbezogenen Szenarien. Das Thema „Terroristische Einwirkungen“ ist der Kommission immerhin drei Zeilen wert! Im Grunde handelt es sich um eine reine Aufzählung möglicher Probleme und Einwirkungen von außen. Es werden keinerlei näheren Kriterien geschweige denn Prüfwerte genannt. Unklar bleibt auch, wie und mit welchen Methoden denn eigentlich diese Überprüfungen von statten gehen.

Und ganz gleich, welche Zahlen letztendlich nach Abschluss des Berichts genannt werden: Die Einstufung und abschließende Beurteilung dann objektiv nachzuvollziehen, wird nicht möglich sein, da die zu erfüllenden Richtwerte nicht vorher definiert werden.

Absolut verständlich also, dass der Experte Wolfgang Renneberg, langjähriger Abteilungsleiter für Reaktorsicherheit im Umweltministerium, diesen Prüfkatalog als unzureichend kritisiert. Jürgen Trittin, Vorsitzender der Grünen-Fraktion fand deutlichere Worte und bezeichnete den seiner Meinung nach völlig ungenügenden Stresstest als „Nebelgranate“.

Foto: Laurence Chaperon

Weiterführende Links zum Thema „Stresstests AKWs“:

Anlagenspezifische Sicherheitsüberprüfung deutscher Kernkraftwerke unter Berücksichtigung der
Ereignisse in Fukushima-I (Japan)

AKW-Stresstests simulieren Flugzeugabsturz und Erdbeben
http://de.reuters.com/article/domesticNews/idDEBEE72U0D320110331

Reaktorexperte kritisiert Röttgens Prüfprogramm
http://www.focus.de/politik/deutschland/atom-reaktorexperte-kritisiert-roettgens-pruefprogramm_aid_614141.html

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