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Statistiken:

Die Unstatistik des Monats

Offizielle Statistiken müssen nicht immer falsch sein, aber auf ihre Interpretation kommt es an. Die Unstatistik prüft regelmäßig Statistiken auf deren Sinn oder Unsinn.

Unstatistik: Analyse und Auswertung von Statistiken.

Zahlen und Fakten – Statistiken müssen nicht immer zutreffend sein. Das zeigt die Unstatistik. Bild: © fotolia.de

Zur Untermauerung von Argumenten wird oftmals mit Statistiken jongliert, doch sind keineswegs alle offiziellen Zahlen auch zu gebrauchen. Jeder Zehnte hat dies, jeder Fünfte das und siebzehn Prozent aller Männer können irgendetwas ganz tolles, was die restlichen nicht können. Zahlen und Statistiken sind für Nachrichten und Meldungen so etwas wie das Salz in der Suppe, denn Zahlen lügen nicht, heißt es. Aber ist das auch so? Schon Winston Churchill äußerte schließlich, dass er keiner Statistik glaubt, die er nicht selbst gefälscht hat. Doch Zahlen müssen nicht unbedingt gefälscht sein, um falsche Eindrücke zu vermitteln. Oft reicht eine Gewichtung in die eine oder andere Richtung, eine nicht eindeutig zu interpretierende Angabe oder schlicht und ergreifend Fehler, die aus einer Statistik eine Unstatistik werden lassen und die entsprechende Information verfälschen.

Alles halb so wild oder schlimmer als es scheint?

Der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer und RWI-Vizepräsident Thomas Bauer prüfen regelmäßig, wie sinnvoll oder sinnlos offizielle Statistiken einzustufen sind. Solche, die eher zweifelhafter Natur sind werden dann entsprechend zur „Unstatistik des Monats“ gekürt. Im Dezember traf es Zahlen, die für ganz schönes Aufsehen in der Öffentlichkeit sorgten. Denn in Schokoladen-Adventskalendern hätte man Mineralölrückstände mit Werten von 10 Milligramm pro Kilogramm Schokolade festgestellt. Verheerend, eine Katastrophe und unzumutbar meinte die Stiftung Warentest und prangerte die Hersteller an, die um schlimmeres zu vermeiden, ihre Produkte kurzfristig wieder vom Markt nahmen. Die Schäden, die dadurch entstanden, dürften sich im Bereich mehrerer Hunderttausend Euro abspielen. Doch hatte das alles Hand und Fuß?

Behörden lenkten ein

Die Bundesanstalt für Risikobewertung (BfR) reagierte schnell und nahm wider Erwarten die Kohle aus dem Feuer, anstatt sie zu schüren. Denn offenbar gingen von den Mineralölrückständen keine zusätzliche Gesundheitsgefahr aus. Ja, was denn nun, prangert das Fragezeichen auf den Köpfen der Verbraucher. Die einfache Erklärung der Behörde: Mit den Rückständen in der Schokolade nehme man nicht mehr und nicht weniger „Schadstoffe“ zu sich als mit anderen Lebensmitteln auch. Aber was ist mit der beunruhigenden Info, dass die Rückstände krebserregend seien? Auch hier sei die Menge der Schadstoffe entscheidend und diese reicht nicht aus, um besorgniserregende Warnungen zu verbreiten. Denn würde man derart argumentieren, so könne man gar nichts mehr essen, weil dank modernster Analysemethoden wohl alles in allem gefunden werden kann, wenn auch nur in kleinsten Mengen. So schrieb es der „Spiegel“ schon vor Jahren und so hat es noch immer Gültigkeit.

Die Unstatistik belegt: die Menge macht’s

Wer zu viel Salz auf einmal isst, der wird daran sterben. Dennoch würde kaum jemand auf die Würze in seinen Speisen verzichten. Und ähnlich verhält es sich laut den Statistikexperten auch bei „Schadstoffen“ in Lebensmitteln. Diese sind quasi immer in unschädlichen Mengen vorhanden und werden nur dann gefährlich, wenn sie bestimmte Grenzwerte überschreiten. Entsprechend bezeichnete man die diversen Giftfunde in Nahrungsmitteln als „kontraproduktive Panikmache“, die gar geeignet sei, die Desinformation zu erhöhen. Und was ist die Moral von der Geschichte? Der Verbraucher weiß trotzdem nicht, was ihm alles vorgesetzt wird und er kann sich jeden Tag aufs Neue entscheiden, welcher Position er nun mehr Glauben schenken mag.

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Über Stephan Lenz

Stephan Lenz studierte Philosophie, Soziologie und Anglistik an der Universität Mannheim. Es folgten schriftstellerische Fortbildungen und die freiberufliche Arbeit als Autor und Journalist. Neben unzähligen Artikeln in diversen Magazinen, veröffentlichte er Prosa im Charon Verlag, Hamburg, sowie im Wortkuss-Verlag, München. Er gehört seit vielen Jahren zum festen Stamm der Redaktion des Artikelmagazins.