Es ist der Anblick einer typischen Großbaustelle: Ein riesiger Kran wurde in Stellung gebracht, es wird geschweißt, gefräst, geschraubt und geschleppt. Doch wenige Meter von der Küste der italienischen Insel Giglio geht es nicht darum, etwas zu erbauen oder instand zu setzen. Ganz im Gegenteil. Die Arbeiten zur Demontage des 290 Meter langen Wracks des havarierten Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia haben begonnen.
Ein gewaltiges Unternehmen startete
Im Juni startete das Bergungsprojekt, das etwa Jahr dauern soll. Für die Kosten von mindestens 230 Millionen Euro muss die Versicherung von Costa Crociere aufkommen. Zunächst gilt es, die Costa Concordia zu sichern: 60 Stahlträger werden in den Meeresgrund getrieben und das Wrack daran durch Stahlseile fixiert. So soll einem Abrutschen des Wracks während der Bergungsarbeiten vorgesorgt werden, bei denen es darum gehen wird, den Schiffskörper aufzurichten, um ihn abschleppen zu können.
Bewerkstelligt werden soll das Aufrichten durch Anschweißen von Stahlcontainern, die mit Luft gefüllt werden und so für Auftrieb und ein Ausbalancieren sorgen sollen. Unnötiger Ballast wird zuvor entfernt und bereits jetzt liegt die Costa Concordia ohne Mast, Radaranlage und Schornstein ausgeschlachtet da, aller Pracht beraubt.
Makabere Touristenattraktion
Hunderte von Arbeitern, die auf der bizarren Baustelle ihrer Arbeit nachgehen, scheinen Hauptdarsteller in einer publikumswirksamen Vorstellung zu sein: Die Touristenströme reißen nicht ab, für viele ist das havarierte Kreuzfahrtschiff zu einer Hauptattraktion ihrer Urlaubsreise geworden ist.
Die Restaurants und Cafes sind voll und man meint, das Unglück sei ein makabrer Segen für den Tourismus in Giglio. Doch die Hotelbesitzer widersprechen: Nur Tagestouristen sind es, die aus Sensationslust herkämen; die gewohnten Langzeiturlauber, die hierher ins Naturschutzgebiet der Toskana kamen, um zu tauchen, zu baden und die Natur zu genießen, bleiben aus.
Es ist zu keiner Ölkatastrophe gekommen, wie lange befürchtet wurde, doch die Angst, dass viele Reste der chemischen Reinigungsmittel und Flüssigkeiten von Bord des Schiffes nun im Wasser lauern, ist bei vielen geblieben.
Schuld oder nicht schuld?
Neben den regen Tätigkeiten rund um das Wrack gehen die Verfahren um Beweissicherung und die Klagen auf Schadensersatz weiter. Auch nach einem halben Jahr konnten die Vorkommnisse noch immer nicht geklärt werden, die am 13. Januar 2012 zum Tod von mindestens 32 Menschen führten. Mittlerweile wurde der damals diensttuende Kapitän Schettino aus dem Hausarrest entlassen, gibt Interviews und weist die Schuld am Unglück weit von sich.
Inwieweit er wirklich selbst nicht mehr als ein unglückliches Opfer ist, wie er behauptet, wird in lange währenden Prozessen zu klären sein. Vermutlich wird die Costa Concordia bis zum Ergebnis nicht mehr als Mahnmal im Wasser liegen.
Foto: © Flickr – Il Fatto Quotidiano
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