Dass der US-amerikanische Durchschnitts-Kinogänger nicht viel mit dem europäischen Kino anfangen kann ist kein Geheimnis, wobei die fremdsprachigen Filme wohlbemerkt nicht wie bei uns synchronisiert werden, sondern in ihren Originalsprachen mit Untertiteln laufen. Was macht man dann aber mit Filmen aus Europa, die extrem erfolgreich waren und mit denen man auch das heimische Publikum in den Vereinigten Staaten ins Kino locken will? Richtig, man dreht den Film einfach neu, in Hollywood, mit mehr Budget, bekannteren Schauspielern und natürlich pompöseren Effekten, unterm Strich eben einfach handwerklich perfekter und insgesamt schlichtweg „besser“. Diese hollywoodsche Arroganz ist jedoch nichts Neues und findet sich bei einem Blick durch die Filmgeschichte immer wieder. Trotzdem oder gerade deshalb freuten sich viele auf die Neuverfilmung des ersten Romans „Verblendung“ vom schwedischen Erfolgsautor Stieg Larsson.
Verblendung im Hollywood Style
Zugegeben, mit David Fincher ließ man bei dem Hollywood-Remake des europäischen Überraschungs-Erfolgs zumindest keinen Dilettanten ans Werk. So glänzte der Regisseur bereits in der Vergangenheit mit Erfolgen wie „Sieben“, „Fight Club“ oder jüngst auch „The Social Network“ und Filmfans, welche die Handschrift Finchers mögen werden sich ohnehin schon auf die Neuverfilmung gefreut haben als diese angekündigt wurde. Aber kennt man den Original-Film bereits und sieht sich die Neuverfilmung mit gespannter Erwartung im Kino an, erlebt man quasi ein Deja Vu, und wird nicht wirklich einen Grund finden können, warum das Original ein Remake erfahren sollte. Doch der Erfolg gibt Hollywood einmal mehr Recht, denn das Remake von „Verblendung“ rangiert auf den ersten Plätzen der Kinocharts und hat sein europäisches Vorbild schon überholt.
Die Story
An der Story des Romans wurde auch im Remake nichts verändert. „Verblendung“ erzählt die Geschichte des Journalisten Blomkvist, der von einem reichen Unternehmer für die Aufklärung eines Mordfalls angeheuert wird. Der Mord liegt zwar schon Jahre zurück, doch da Blomkvist aufgrund einer brisanten Enthüllungsgeschichte und darauffolgender Gerichtsverhandlung gerade sein gesamtes Vermögen verloren hat, nahm er den ungewöhnlichen, aber durchaus lukrativen Auftrag an. Während seiner Ermittlungen erhält der Journalist Unterstützung von der Hackerin Lisbeth, die frischen Wind sowohl in den Fall als auch in das Leben Blomkvists zu bringen vermag. Die beiden gelangen auf die Fährte eines Serienkillers, der schon Jahrzehnte zuvor wütete und geraten selbst in größte Gefahr. Die Geschichte des Films ist also so einfach, wie fesselnd und wer den Original-Film nicht kennt, darf sich auch garantiert auf knappe drei Stunden beste Unterhaltung aus Hollywood freuen, doch mehr aber auch nicht.
Die Vorlagen
Der Autor der Vorlagen hieß mit vollem Namen eigentlich Karl Stig-Erland Larsson, doch änderte diesen für seine Romane in Stieg Larsson, um Verwechslungen mit dem schwedischen Drehbuchautor Stig Larsson zu vermeiden. Vom Erfolg seiner Roman-Trilogie, deren Geschichte ursprünglich sogar zehn Bände umfassen sollte, bekam Larsson aber leider gar nichts mehr mit. Denn der erfolgreiche Autor starb bereits im Jahre 2004 in einem Alter von nur 50 Jahren an einem Herzinfarkt in Stockholm. Erst nach seinem Tod wurden seine Werke, die als „Millenium-Trilogie“ bezeichnet werden veröffentlicht – „Millenium“ aus dem Grunde, weil dies der Name der Zeitschrift ist, die in den Romanen einen nicht unwesentliche Rolle spielt.
Larsson wuchs bei seinen Großeltern in einem kleinen Dorf in Nordschweden auf, bevor er mit acht Jahren zu seinen noch jungen Eltern zurückkehrte. Den Aussagen des guten Freundes und Biographen Kurdo Baksi zufolge, soll Larsson im Alter von 14 Jahren dabei zugesehen haben, wie seine Freunde ein Mädchen vergewaltigten. Der spätere Autor schritt jedoch nicht in das Geschehen ein, was zu lebenslangen Schuldgefühlen führte. Um der Schuld Herr zu werden, entwickelte sich Larsson zum Moralisten, der er sich zum unbeirrbaren Ziel setzte gesellschaftliche Missstände aufzudecken. So ist es nicht verwunderlich, dass Larssons beruflicher Weg letztlich zu dem des Journalisten führte. Als Korrespondent für die antifaschistische Zeitung „Searchlight Magazine“ entwickelte sich Stieg Larsson zum weltweit renommierten Experten für faschistische und rechtsextreme Bewegungen. Seit dem Jahre 1995 war Larsson selbst Herausgeber des antifaschistischen Magazins „Expo“.
Die drei fertigen Kriminalromane „Verblendung“, „Verdammnis“ und „Vergebung“ wurden erst nach dem Tod Larssons veröffentlicht, wobei mit dem Vermächtnis des Schriftstellers auch ein Erbschaftsstreit einherging, der sich um die Buchrechte drehte und zwischen seinem Vater, seinem Bruder und seiner Lebensgefährtin ausgefochten wurde. Die Fortsetzung der Geschichte in Form des vierten Teils konnte Larsson nur zu etwa drei Vierteln fertigstellen, wobei das unvollendete Werk bislang unter Verschluss gehalten wird. Die Chancen, dass ein Verlag früher oder später die Rechte an dem Stück erwerben und es von einem anderen Autoren zu Ende bringen lässt, dürften jedoch als sehr hoch eingeschätzt werden. Übrigens entspringen die deutschen Titel der Romane und Filme, der Phantasie der Verleger. Im Original heißen die Romane nämlich „Männer, die Frauen hassen“, „Das Mädchen, das mit dem Feuer spielte“ und „Das Luftschloss, das gesprengt wurde“. Für den deutschen Markt schienen die knackigeren, reißerischen Titel wohl verkaufsfördernder und auch hier gibt der Erfolg den Machern Recht. Denn der hiesige Erfolg der Romane und Filme spricht für sich. Wer sich übrigens für Krimis und spannende Geschichten begeistern kann und die Werke von Stieg Larsson noch nicht kennt, sollte das schleunigst nachholen.
DVD Tipp: „Stieg Larsson – Millennium Trilogie (Director’s Cut) [3 DVDs]“ (ASIN B004FHEKGY) von Stig Larsson (Autor) mit Noomi Rapace, Michael Nyqvist (Darsteller), Niels Arden Oplev, Daniel Alfredson (Regisseure). Die DVDs wurden von Warner Home Video produziert und kosten 17,97€.
Fotos: © 2012 Sony Pictures Releasing GmbH
© Pixel Trader Ltd. 2013 Alle Rechte vorbehalten