Pilgern – klingt eigentlich altmodisch, ist aber beliebt wie selten zuvor. Immer mehr Menschen begeben sich auf Pilgerreisen. Allein, in Gruppen, zu Fuß oder mit dem Rad, Alt oder Jung – alles begibt sich auf den Weg, um ans Ziel zu kommen. Doch was sind die Ziele der Pilger und warum nimmt man eigentlich eine derartige Belastung auf sich?
Der Weg ist das Ziel
Der Spanische Jakobsweg ist wohl der bekannteste und meist gelaufene aller Pilgerwege, aber auch in zahlreichen anderen Ländern gibt es namhafte Wege wie beispielsweise den Franziskusweg in Italien – mit der verehrten Stadt Rom als Reiseziel. Unzählige, oft schmerzhafte Schritte werden Tag für Tag zurückgelegt, um die nächste Station, eine Unterkunft oder eben das Etappenziel zu erreichen.
Blasen, Hitze, steinige und steile Wege sind nur einige der Unannehmlichkeiten, denen Pilgern auf ihrer Reise zumindest einmal begegnen. Es wird auch berichtet, dass zumindest einmal in der Zeit des Pilgerns Tränen fließen werden und vor allem an den ersten Tagen oft ans Kapitulieren gedacht wird. Trotz aller Anstrengungen schaffen es dann doch die meisten bis ans Ziel. Und fühlen sich leicht. Frei von Ballast, die Seele ist gereinigt.
Ballast abwerfen und bei sich selbst ankommen
Was ist wohl der Grund für das Pilgern: Weg vom Alltag, weg von all den Problemen und Sorgen, die einen zuhause belasten? Fern von Leuten, die glauben unsere Meinung beeinflussen zu müssen? Endlich Zeit für sich selbst haben! Eine Reise in sein spirituelles Ich vornehmen, Dinge und Wertigkeiten neu überdenken können! Wieder bewusst Gerüche, Geräusche und Schönheiten des Alltags wahrnehmen!
Aber auch das Kennenlernen von Menschen verschiedener Nationen und vielleicht auch Leute, mit denen man im normalen Leben nie zu einem Gespräch kommen würde. Das alles prägt wohl einen Menschen und man lernt neu für sein zukünftiges Leben. Man kann sich endlich von Altlasten befreien und mal so richtig „ausmisten“. Wer kennt das nicht von zuhause, wie befreiend z.B. allein ein intensiver Frühjahrsputz sein kann? Sich von alten Dingen zu trennen und neu zu beginnen. Viele erliegen genau aus dem Grund der Faszination Pilgern und denken sich: Ich bin dann mal weg…
Die Jakobswege in Europa – Hauptverkehrsadern für Pilger des Mittelalters
In Europa wimmelt es von historischen Jakobswegen, die alle in Richtung der Kathedrale der im Nordwesten der iberischen Halbinsel gelegenen Stadt Santiago de Compostela führen.
In einer Urkunde aus dem Jahr 1047 wurde erstmals erwähnt, dass ein bestimmter Weg in Nordspanien seit alters her von Pilgern begangen wurde, die zu Ehren der Heiligen Jakobus, Peter oder Paul unterwegs waren.
In einer Handschriftensammlung aus dem 12. Jahrhundert, dem so genannten Codex Calixtinus, ist ein Pilger-Reiseführer enthalten, der verschiedene Wegstrecken innerhalb Europas beschreibt und Orte nennt, an denen der müde Pilger übernachten kann, wo er gutes Trinkwasser findet etc.
Vier Wege sind allein im heutigen Frankreich genannt, einer etwa von Ste-Marie-Madeleine in Vézelay über St-Léonard im Limousin und die Stadt Périgeux, ein anderer von St-Martin in Tours über St-Hilaire in Poiters, St-Jean in Angély, St-Eutrope in Saintes und die Stadt Bordeaux.
Aber auch in Deutschland gab es Jakobswege – beispielsweise im heutigen Rheinland-Pfalz. Hier führte der Weg vom Bischofssitz Mainz über den Bischofssitz Worms bis zur alten Kaiser- und Bischofsstadt Speyer. Hier gabelte sich der Weg zum Kloster im pfälzischen Hornbach in eine nördliche und eine südliche Route.
Die heute wieder ausgeschilderte Nordroute führt von Speyer aus 148 km über Neustadt an der Weinstraße, Elmstein und Homburg nach Hornbach. Die Südroute ist mit 144 km etwas kürzer und streift auf dem Weg nach Hornbach Germersheim, Landau, Bad Berzabern, Bruchweiler und Eppenbrunn.
In Hornbach teilte sich der Weg abermals: Eine Route führte weiter über Straßburg nach Lyon, wo sie sich wieder in eine nördliche Route über Le Puy und eine südliche über Arles teilte.
Die zweite Route von Hornbach führte die Pilger zunächst nach Metz, verzweigte sich dort ebenfalls südlich bis Lyon und nördlich über Limoges. All diese Wege liefen in Puente la Reina zusammen und führten von dort geradewegs auf dem Camino Real oder Camino Francas nach Santiago.
1987 erhielt der Jakobsweg vom Europarat den Titel „Erste Europäische Kulturstraße“,1993 erklärte ihn die UNESCO zum geistigen Weltkulturerbe. Weil die Pilger früher als Kennzeichen neben dem Pilgerstab auch eine Jakobsmuschel mit sich führten, werden die heute wieder aktivierten Jakobswege mit einem Muschel-Logo gekennzeichnet.
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