Wenn schon Kapitalismus, dann richtig, so zumindest, wenn es nach den Ansichten des ehemaligen US-Finanzministers Henry Paulson geht. Der smarte Investment-Banker sammelte einiges an Erfahrung an den größten Finanzmärkten der Welt und ist überzeugt davon, dass keine Regierung in die freien Märkte eingreifen sollte. Doch nur kurz nach seinem Antritt als Finanzminister der Vereinigten Staaten von Amerika kam es zu einer Finanzkrise mit globalen Folgen. Die Weltwirtschaft war vom Untergang bedroht und forderte einiges von dem frischgebackenen Finanzminister, darunter auch vieles, das dem Verfechter der freien Marktwirtschaft nicht geschmeckt hat.
Von klein auf gebildet und engagiert
Geboren wurde der US-amerikanische Politiker und Geschäftsmann am 28. März 1946 in Palm Beach im sonnigen Florida, verbrachte seine Kindheit aber auf einem Landsitz im Staat Illinois. Während seines Studiums im Dartmouth College, das er 1968 mit dem Bachelor of Arts abschloss, gehörte er den beiden Studentenverbindungen „Phi Beta Kappa“ und „Sigma Alpha Epsilon“ an und war sowohl Mitglied der Vereinigung „All Ivy-League“ – eine Verbindung der acht Elite-Universitäten der USA – als auch der „All East-League“, welche die renommiertesten Universitäten der Vereinigten Staaten von Amerika verband. Als gläubiger Christ übernahm Henry Paulson den Vorsitz der christlichen Wissenschaftsvereinigung der Universität und unterstütze die Gruppe zum Schutz der Umwelt „Green Key Society“ mit seiner Mitgliedschaft. Bis 1970 studierte Paulson an der Harvard Business School und legte mit seinem Abschluss des MBA – Master of Business Administration den Grundstein einer steilen Karriere.
Der Weg an die Spitze
Mit dem Harvard Abschluss in der Tasche trat Paulson 1970 in die Verwaltung das Pentagon ein und startete seinen beruflichen Werdegang als Assistent des Staatssekretärs im Verteidigungsministerium. Nur zwei Jahre später erklomm der junge Republikaner die nächste Sprosse der Karriereleiter und wurde in der Verwaltung des Weißen Hauses beschäftigt, bevor er ab 1974 zu der Investment Bank Goldman Sachs wechselte, wo er sich schnell empor arbeiten konnte. Pauslon leitete zunächst verschiedene regionale Niederlassungen und wurde zügig in die Chicagoer Zentrale der Goldman Sachs berufen. Als Paulson nach nur 20 Jahren den Managerposten der Goldman Sachs für sich beanspruchen konnte, war der Weg zum Thron nicht mehr weit und im Jahre 1998 folgte die Übernahme der Posten des General-Direktors und Exekutiv-Direktors der Bank.
Aus wirtschaftlicher Sicht war Hank Paulson – so der Spitzname des Geschäftsmannes – am Ziel angekommen und der nächste, konsequente Schritt in seiner Karriere führte in die Politik, wo er es seinen Vorgängern aus der Spitze von Goldman Sachs gleichtat und 2006 in George W. Bushs Kabinett als neuer Finanzminister berufen wurde. Für einige war es wohl etwas überraschend dass der republikanische Vollblutkapitalist Henry Paulson in einer seiner ersten Reden auf die Schere zwischen Arm und Reich verwies und damit die sogenannte „Ungleichheits-Debatte“ auslöste. Doch nicht nur der Eintritt in sein Amt als Finanzminister sollte spektakulär verlaufen, sondern zwei Jahre später auch die Lösung eines schwerwiegenden Problems mit weltweiter Auswirkung: die Finanzkrise. Gigantische Banken und Versicherungen gerieten ins Wanken, brachten die Wirtschaft nahe des Abgrunds und riefen sämtliche Finanzexperten auf den Plan, schnell einen Weg aus der Misere zu bahnen. Rasches Handeln war gefragt und neben Henry Paulson, stand auch der Chef der US-amerikanischen Zentralbank FED Ben Bernanke in der Verantwortung.
Banken am Abgrund – Die Finanzkrise
Paulsons und Bernankes Ansichten liefen weit auseinander, doch erlaubte die Krise kein Kräftemessen, sondern forderte den Tribut für die Fehler der Banken und der FED in der Vergangenheit. Paulson selbst war ein Vertreter des erdigen Kapitalismus, der den Regeln des Marktes unterworfen ist und grundsätzlich keinen Eingriff von außen erlaubt. Doch Bernanke forderte Finanzspritzen für die fallenden Großbanken, um Schlimmeres zu verhindern. Plötzlich sah sich Henry Paulson der sogenannten Moral Hazard gegenüber, die er von Grund auf ablehnte. Moral Hazard heißt übersetzt so viel wie „sittliche Gefährdung“ und beschreibt unter anderem die Abwägung der Notwendigkeit einer ökonomischen Intervention im Verhältnis zum drohenden Risiko. Salopp ausgedrückt, liegt dabei der Gedanke zu Grunde, warum ein Unternehmen nicht noch einmal den gleichen Fehler begehen sollte, wenn man ihm zuvor aus einer selbstverschuldeten Misere geholfen hat.
Paulsons Ansicht eines kompromisslosen, freien Marktes zu Folge lehnte er eine direkte Hilfe also zunächst ab und ließ sich auf einen Kompromiss ein. Die erste fallende Bank „Bears Stern“ erhielt folglich keine rettende, finanzielle Unterstützung vom Staat, sondern sollte entsprechend Bernankes Plan von der „J.P. Morgan“ Bank übernommen werden, die einen speziellen Kredit von der FED dafür erhielt. Doch ganz straflos wollte Paulson den zweifelhaften Deal nicht über die Bühne gehen lassen und legte, den Verkaufspreis der Bears Stern auf magere zwei US-Dollar pro Aktie fest, was einen unglaublichen Verlust bedeutete. Die Banken waren entsetzt, aber Paulson blieb konsequent.
Die Pleite von Bears Stern markierte allerdings nur den Anfang der bevorstehenden Krise und nur wenig später, begann mit der Bank „Lehman Brothers“ ein wahrer Weltriese zu schwanken. Dieses Mal pokerte Paulson hoch, lehnte jegliche Hilfe seitens des Staates ab und verdeutlichte in einer einberufenen Versammlung mit den mächtigsten Bankern der Wallstreet, dass sie auf einem freien Markt ihren Mist selbst wieder zusammen kehren müssen. Die Botschaft war klar, das Ergebnis ernüchternd. Die Wallstreet Banker schafften es nicht die „Lehman Brothers“ zu retten und mit ihrem Bankrott riss die einflussreiche Investmentbank die globale Finanzwirtschaft mit in den Abgrund. Paulson hatte die Pleite der Bank unterschätzt und die Situation spitzte sich weiter zu, anstatt sich wie erwartet zügig zu verbessern. Weltweit brachen die Finanzinstrumente ein und schlugen sich massiv auf die Realwirtschaft nieder. Als dann das größte Versicherungsunternehmen der USA – die AIG – ebenfalls zu fallen drohte, geriet Paulson unter Druck und war gezwungen eine noch größere Katastrophe zu verhindern.
Zähneknirschend musste er gegen seine „No Moral Hazard“-Politik arbeiten, um letztlich doch die Fehler der Banken auszubügeln und die schwerste Finanzkrise seit der Großen Depression wieder in den Griff zu bekommen. Unter großem Gerangel gelang es schließlich mithilfe des sogenannten „Paulson-Plans“, einem Notplan zur Rettung der Wirtschaft, der 700 Milliarden US-Dollar in den Finanzmarkt pumpte. Die Krise saß tief, die Weltwirtschaft war massiv angeschlagen, aber konnte sich langsam wieder erholen. Unter der neuen Regierung von Barack Obama schied Paulson wieder aus dem Amt des Finanzministers aus, aber was blieb, war sein Ruf als „kapitalistischer Krieger, der versuchte den freien Markt zu verteidigen und zum größten, intervenistischen Finanzminister seit der Weltwirtschaftskrise wurde“. Auf den ersten Blick mag das einen negativen Beigeschmack suggerieren, zeugt bei genauerem Hinsehen aber von echter Größe. Denn Fehler machen die meisten Politiker, sich diese aber einzugestehen und wenn es darauf ankommt auch gegen die eigene Überzeugung zu handeln, das können nur die wenigsten.
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