David Lynch dürfte den meisten nicht zuletzt durch seine skurill-surrealistischen Fernseh- und Filmwerke, wie Lost Highway, Mulholland Drive oder Twin Peaks bekannt sein, doch weiß der US-Amerikanische Filmemacher noch weit mehr mit seinem Talent anzufangen als die Filmwelt zu bereichern. Ob Werbespots, Malerei, Fotografie, Musik oder gar Möbel, was Lynch anfasst, scheint zu Gold zu werden, zumindest für Fans des Virtuosen, denn der breiten Masse konnte Lynch trotz des einen oder anderen größeren Erfolges bislang noch nicht den großen Zugang gewähren.
Kunst kommt von Können
Auch wenn in der Kunst immer wieder von Naturtalenten die Rede sein mag, dürften auch diese nicht ohne die handwerklichen Grundlagen ihrer Zunft auskommen, so auch nicht David Lynch. Der 1946 in Missoula, USA, geborenen Ausnahmekünstler studierte ab 1966 Kunst an der „Pennsylvania Academy of the Fine Arts“ in Philadelphia, während dessen vor allem Fotografien, Skulpturen und Werke aus der Malerei entstanden. Erst gegen Ende seines Studiums widmete sich Lynch den bewegten Bildern und fertigte in einem Kurs für experimentelle Kunst seinen ersten Animationsfilm „Six Figures Getting Sick“ für seinen erfolgreichen Abschluss. Im Anschluss an das Studium folgte ein weiterer Kurzfilm und im Jahr 1970 ein Stipendium des American Film Institute für den 35 minütigen Film „The Grandmother“, der den eigentlichen Beginn Lynchs Filmkarriere markiert.
Vom Midnight Movie zum Oscar
Für sein erstes Werk in abendfüllender Spielfilmlänge ließ sich David Lynch ganze fünf Jahre Zeit, wobei diese lange Periode nicht ganz freiwillig geplant war, sondern die Dreharbeiten immer wieder aufgrund mangelnder Finanzen unterbrochen werden mussten. Betrachtet man das Ergebnis, dürfte sich der zähe Verlauf der Produktion allerdings sowohl für die Filmschaffenden als auch für die Fans gelohnt haben, ist in der Zeit von 1971 bis 1976 kein geringerer Film als „Eraserhead“ entstanden, der noch heute Cineasten rund um den Globus begeistert. Und das obwohl Produzenten und Filmvertriebe nur wenig begeistert von Lynchs Erstlingswerk waren. Denn ein Kunstfilm in schwarz/weiß, durchzogen voller Symbolik und surrealer Elemente, mit einem hämmernden, verstörenden Industrial-Soundtrack, sowie einer morbiden Atmosphäre mit beklemmendem Handlungsverlauf schien wohl denkbar unpassend für einen fröhlichen Familienabend und entsprechend ungeeignet für die regulären Kinokassen. Also reihte sich „Eraserhead“ neben die sogenannten Midnight Movies und avancierte in nur kurzer Zeit zum Kultfilm.
Auch wenn Lynchs Kunst an sich einen gnadenlos anderen als den kommerziellen Weg einschlug, konnten seine handwerklichen Fähigkeiten auf voller Linie überzeugen. Im Auftrag von Mel Brooks folgte nur vier Jahre später Lynchs Regiearbeit „Der Elefantenmensch“. Auch für diesen Film wählte der Regisseur ein eher düsteres Schwarz-Weiß, das eine erneute eher drückende Atmosphäre unterstrich. Dennoch wurde der Film mit seiner eher konventionell gehaltenen Erzählweise für massentauglicher erachtet und mit der Nominierung von acht Oscars bedacht, woraufhin David Lynch mit neuen Angeboten überschwemmt wurde.
Der Meisterregisseur, wie ihn die Fachpresse schon seit „Eraserhead“ nannte, wählte seine folgenden Werke aber äußerst bedacht aus und bewahrte auch bei kommerzielleren Werken stets seine Handschrift. Es folgten Filme wie „Dune – Der Wüstenplanet“, „Blue Velvet“, „Wild at Heart“, „Lost Highway“ oder „Mulholland Drive“, welche die Stellung des Regisseurs in den Herzen seiner Fans festigten.
Als Produzent, Drehbuchautor und Gastregisseur der Fernsehserie „Twin Peaks“ schuf David Lynch einen weiteren Kult, der gleichzeitig aber auch erfolgreicher als das Erstlingswerk „Eraserhead“ werden sollte. Denn die verwegene Krimi-Serie mit Mystery-Elementen kassierte nicht nur weltweiten Ruhm, sondern wird von einer riesigen Fangemeinde noch heute bewundert. Neben Kino und Fernsehen widmete sich David Lynch auch anderen Bereichen des bewegten Bildes, veröffentlichte zwischenzeitlich weitere Animations- und Kurzfilme und drehte einige Werbespots, sowie Musikvideos. Auch die Fotografie kam nicht zu kurz, wurde durch Ausstellungen gewürdigt und seit einiger Zeit ist der Ausnahmekünstler unter die Musikmacher gegangen.
Der fliegende Künstler
Während das künstlerische Schaffen Lynchs überwiegend auf positive Kritik stößt, wird die „David Lynch Foundation“ keineswegs durchgehend bejubelt. Die Stiftung ist nicht künstlerischer, sondern esoterischer Natur und soll das weltweite Lehren der „Transzendentalen Meditation“ fördern. Diese von dem Inder „Maharishi Mahesh Yogi“ gegründete Organisation beschäftigt sich mit dem Studium des Bewusstseins. In der perfektionierten Stufe der Meditation ist es dem Meditierenden möglich, frei über dem Erdboden zu schweben. Vorgeführt konnte dieses Phänomen bislang noch nicht werden, jedoch wurde die wissenschaftliche Seriosität bereits durch Institute bestätigt – Institute allerdings, die selbst der Bewegung angehören beziehungsweise auf deren Gehaltslisten stehen. Insgesamt sieht sich die esoterische Bewegung häufiger Kritik ausgesetzt, weil die angebotenen Lehren nicht umsonst sind, sondern viel Geld kosten und mit zunehmendem Aufstieg innerhalb der inneren Hierarchien immer teurer werden, sodass sich die elitäre Spitze nicht nur auch besonders weisen und erleuchteten, sondern in erster Linie aus besonders reichen Menschen zusammensetzt. In der Dokumentation „David wants to fly“ nimmt ein junger Filmemacher David Lynch und dessen Transzendentale Meditationsbewegung genau unter die Lupe und gibt damit interessante Einblicke in die verschrobene Esoterik seines großen Vorbildes. Doch wie auch immer man selbst zu dem esoterischen Engagement Lynchs stehen mag, hat er aus künstlerischer Sicht großartiges geleistet und es bleibt zu hoffen, dass noch einiges folgen mag.
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