Rein pflanzlich und trotzdem tierisch gut, so präsentiert sich jedenfalls das Sortiment eines der ersten veganen Supermärkte mit dem Namen Veganz in Berlin. Denn im Einkaufsparadies für Veganer sind tierische Produkte absolut tabu und entsprechend ausschließlich Lebensmittel aus Pflanzen oder auf pflanzlicher Basis zu finden. Fisch, Fleisch, Butter, Milch oder Eier wird man dort vergebens suchen. Aber lohnt sich so ein Laden dann überhaupt?
Keine Produkte aus tierischen Stoffen, bitte
Mittlerweile gibt es viele Menschen, die sich ausschließlich vegetarisch ernähren und immer mehr Verbraucher kommen auch den einen oder anderen Tag einmal ohne Fleisch auf dem Essensteller aus, doch sind konsequente Veganer eher rar gesät. Kein Wunder, waren die Supermarktregale bisher auch eher spärlich mit veganen Produkten bestückt. Denn vegan leben bedeutet absolut keine tierischen Produkte zu nutzen und zu den Tabus zählen der Fertigkuchen, der mit Eiern gebacken wurde ebenso wie auch die Süßigkeiten mit Gelatine, die Handtasche aus Echtleder, das Parfum mit Moschus und selbst die gewöhnliche Seife. Denn auch wenn die Produkte auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein könnten, sind alle auch tierischen Rohstoffen hergestellt. Da kann es schon Mal Zeit und Mühen in Anspruch nehmen, geeignete Produkte für die eigene Lebensweise zu finden. Was wäre da aber naheliegender als veganen Verbrauchern das Leben ein wenig zu erleichtern und die Pforten für einen rein veganen Supermarkt zu eröffnen, wo der geneigte Einkäufer nach Herzenslust shoppen kann ohne die Etiketten der Produkte minutenlang studieren zu müssen? Das dachte sich auch der 39-jährige Jan Bredack, ehemaliger Manager bei Daimler und seit kurzem Geschäftsführer von Veganz, dem ersten veganen Supermarkt Europas. Der Unternehmer lebt selbst vegan und war trotz hohen Erwartungen an seinen Supermarkt dennoch von der überwältigenden positiven Resonanz in Form vieler Besucher überrascht. Der Supermarkt für Veganer ist scheinbar also ein Konzept, das funktioniert.
Vielfalt auch ohne Tiere
Denkt man nun daran, wie viele Produkte von tierischen Rohstoffen abhängig sind, sollte man meinen, im Veganz einen kleinen, fast leeren Laden vorzufinden. Doch weit gefehlt. Denn so abhängig sind die Produkte gar nicht von ihren tierischen Rohstoffspendern. Ganz im Gegenteil findet sich im veganen Supermarkt eine riesige Auswahl an Produkten und ein wirklicher Mangel an Vielfalt lässt sich gewiss nicht feststellen. Vom Schokoriegel namens Halo über die sündhaft leckere Eiscreme mit dem bezeichnenden Namen Purely Decadent, zu Deutsch „vollkommen Dekadent“, bis hin zu diversen Käse-Ersatz-Produkten und schmackhaften Pizzen ganz ohne tierische Zusätze: Das Veganz bietet eine unglaubliche Auswahl und viele importierte Produkte, die darauf warten entdeckt zu werden und den veganen Gaumen zu schmeicheln. Einziger Wehrmutstropfen im Sortiment des veganen Supermarktes sind die teilweise hohen Preise. Aufgrund der vergleichsweise noch niedrigen Nachfrage in Deutschland und dem Import verschiedener Lebensmittel aus ganz Europa und Übersee, muss man für einen Einkauf im Veganz ein wenig tiefer in die Tasche greifen. Doch der Veganer zahlt den kleinen Aufpreis natürlich gern, ist der Supermarkt doch nicht nur Konsumstätte, sondern eine ideelle Repräsentation einer Lebenseinstellung und Moral.
Die Philosophie des Veganer-Tempels
Geschäftsführer Bredack sieht in seinem Kaufhaus für Veganer also weit mehr als einen bloßen Konsumtempel für temporäre Hobby-Veganer, nämlich einen Dreh- und Angelpunkt, der an einem möglichen Wandel der Gesellschaft ansetzt. Denn neben überzeugten Veganern sind es auch viele interessierte Touristen, die den Laden aufsuchen, sowie Menschen, die sich bewusst ernähren oder von ihrem Arzt zu einer Ernährungsumstellung bewegt werden konnten. Bredack sieht in der Vielfalt und Aufgeschlossenheit seiner Kunden einen erfreulichen Aufschwung im gesamtgesellschaftlichen Wandel, der sich vom massiven Fleischkonsum weg und hin zu einer ausgewogenen, gesunden und rein pflanzlichen Ernährung hin bewegt. Aus Sicht eines Veganers durchaus erfreulich, doch bringen genau hier Ernährungsexperten auch ihre Kritikpunkte an.
Eine Frage der Moral?
Dass die Massentierhaltung und Schlachtung nicht sein müsste und die steigende Weltbevölkerung mit noch weiter steigendem Fleischkonsum ein Problem darstellt, das sich noch ausweiten wird, ist nicht von der Hand zu weisen. Doch im umgekehrten Fall den Fleischkonsum zu einer rein moralischen Frage zu degradieren wäre ebenso fahrlässig, wie das Konsumproblem zu ignorieren. Denn, dass sich die fleischfressenden Tiere eben nicht vegetarisch oder vegan ernähren, dem liegen keine moralischen Fragen zu Grunde, sondern schlicht biologische, so enthält Fleisch Nährstoffe, die bei einer fleischlosen Ernährung ersetzt werden müssen. Und dies ist aus ernährungswissenschaftlicher Sicht eben nicht ganz so einfach, wie es sich die veganen Verbraucher vorstellen. Vordergründig wird immer wieder auf Sojaprodukte verwiesen, die zumindest das tierische Eiweiß adäquat ersetzen sollen. Das tun sie in der Regel auch, wenn auch nicht ganz so effizient, doch werden dies und auch Studien, wie beispielsweise die der Harvard Universität aus dem Jahre 2008, die belegt, dass sich Soja nachhaltig negativ auf die Fruchtbarkeit des Mannes auswirkt einfach beiseitegeschoben. Böse Zungen könnten hier eine ebensolche Ignoranz unterstellen, wie sie seitens der Veganer oftmals den „Tierverwertern“ vorgeworfen wird. Der Mensch mag in Hinblick auf Ersatznahrung vielleicht anpassungsfähig oder robust sein, doch kann die Aussicht auf das Aussterben einer ganzen Spezies durch Unfruchtbarkeit sicherlich nicht im Sinne einer fleischlosen Ernährung sein. Doch ganz gleich auf welche Seite man sich auch schlagen mag, so enden Diskussionen zwischen überzeugten Vegetariern beziehungsweise Veganern und überzeugten Fleischessern fast immer in einer wenig fruchtbaren Diskussion, die früher oder später vor Emotionalität überkocht, wobei die schlagkräftigen Argumente beider Seiten schon fast zur Nebensache werden. Fakt ist, dass Veganz, der Laden für Veganer, brummt und für den geneigten Konsumenten ein riesen Gewinn darstellt, auf den man in Zukunft auch sicher nicht mehr verzichten möchte.
Fotos: © M. Gräser / Veganz
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