Es gibt wohl kaum einen Haushalt, der frei ist von Produkten aus dem Hause Nestlé. Diverse Sparten der Lebensmittelindustrie werden vom Schweizer Konzern abgedeckt, gerne auch immer in der Position des Marktführers. Von Tiefkühlpizza über Babynahrung, Milchprodukte, Schokolade und Tafelwasser – überall hat Nestlé seine Finger im Spiel. Bekommt aber auch regelmäßig auf diese gehauen. Der 1866 gegründeten Firma haftet schon lange das Etikett des Bösen an. Die Marketingmethoden werden kritisiert, wie auch die Verwendung gentechnisch veränderter Zutaten, das Dulden von Kinderarbeit und die Meinung, dass Trinkwasser eine Ware sei und vermarktet werden kann und muss – dies sind nur Beispiele.
Vor einigen Jahren brachte der Konzern eine Idee auf den Markt, die auf den ersten Blick so skurril anmutet, dass man sich fragen muss, warum sie sich trotzdem verkauft – Kaffeekapseln mit dazugehörigen Automaten. Die Firma bietet zwei Systeme an, eins für den Espressoliebhaber, das andere für den Durchschnittskaffeetrinker. Der Konsument legt pro Tasse Kaffee eine Kapsel in die Maschine, der Rest geschieht automatisch. Prominenter Werbeträger ist George Clooney. Selbstverständlich können die Geräte nur mit Originalkapseln betrieben werden und sind nicht mal mit hauseigenen Systemen kompatibel. Das erhöht die Bindung der Kunden ans Produkt und sorgt für beständigen Absatz.
Was mit Kaffee funktioniert, soll nun auch mit Tee gehen
Erstaunlicherweise hat Nestlé auf dem Teemarkt bislang keine Position, die über der Wahrnehmungsgrenze liegt. Aber das soll sich ändern, denn ab dem 1. November 2012 ist die Special. T Maschine in Deutschland erhältlich. Im Prinzip funktioniert das Gerät wie die anderen Kapselautomaten auch, ist aber für Tee gedacht. Selbstverständlich ist auch dieses System in sich geschlossen und nur mit hauseigenen Kapseln zu betreiben. Diese sind größer als die Kaffeekapseln, dreieckig und abgerundet. Es werden „25 feine Teesorten“ angeboten und „optimale Bedingungen“ für die „perfekte Tasse Tee“ versprochen.
Immerhin zwei Läden in Deutschland, die Nespresso Boutiquen in Düsseldorf und Hamburg, laden ein, den Tee vor Ort zu verkosten und die Maschine zu bestaunen. Diese erkennt, laut Pressemitteilung, die Teesorte der eingelegten Kapsel selbstständig und passt Wassertemperatur und Brühzeit entsprechend an. Der Teeliebhaber ist allerdings skeptisch, ob so ein Tee auch schmeckt. Zeit für einen Ortstermin.
Tee aus der Maschine
Nespresso Boutique Hamburg, Freitag Vormittag. Der Laden ist voll, viel Verkaufspersonal wuselt durch den Raum. Der Kaffee wird eher inszeniert als zum Verkauf angeboten, vielleicht ein Zeichen der Wertschätzung unserer Nahrung gegenüber. Wer die Kapseln begehrt, stellt sich dazu in lange Schlangen, dirigiert durch Absperrbänder, wie man sie vom Flughafen kennt. Alles wirkt sehr betulich und nobel.
Für die neue Teemaschine ist im hinteren Teil des Raumes Platz. Eigens abgestellte Verkäufer erklären gerne, wie das System funktioniert – dass die meisten von ihnen keinen Schimmer von Tee haben, wird schnell klar. Die Aussprache von durchaus gängigen Teeanbaugebieten ist ihnen unbekannt, auch die Unterschiede zwischen verschiedenen Teesorten. Aber das muss ja nichts heißen.
Wie so eine Maschine funktioniert, erfährt man auf Anfrage prompt, darf sich auch eine Kapsel aussuchen und aus dieser einen frischen Tee bereiten. Kapsel in die Maschine legen, Tasse drunter stellen, Deckel schließen, Knopf drücken, warten – einfacher geht es nicht. Aber mathematisch ist es doch etwas schwierig. Wie verhält es sich mit den Ziehzeiten? Der Tee, ein schwarzer mit Verbene aromatisiert, ist nämlich nach zwei Minuten fertig. Die Kapseln beinhalten nicht nur den Tee, weiß der Verkäufer, sondern auch Sensoren. Deshalb erkennt die Maschine, welche Sorte eingelegt wurde, mit welcher Wassertemperatur diese aufzugießen ist und wie lange sie zu ziehen hat. Allerdings beginnt der fertige Tee schon nach wenigen Sekunden langsam aus dem Hahn zu tropfen.
Getränk mit Einheitswerten
Die Lösung ist einfach: Das erhitzte Wasser aus dem Wassertank wird in kleiner Menge in die Kapsel gepresst, verweilt dort kurz und fließt dann in die Tasse, neues heißes Wasser fließt in die Kapsel nach – so geht das weiter, bis die Tasse voll ist. Wie man dabei auf zwei Minuten Ziehzeit kommt, bleibt wohl ein Rätsel der höheren Mathematik. Als der Tee in die Tasse fließt, riecht es sehr intensiv – nach Bergamotteöl. Vermutlich lief durch diese Maschine vorher ein anderer Tee. Dass aber eine Sorte die andere geschmacklich beeinflussen könnte, weil sie nun mal beide durch die gleiche Düse laufen, halten die Verkäufer für unmöglich. Nun denn.
Die ansprechende Tasse mit der dazu passenden Untertasse wandert in Kundenhände. Andere Kunden haben schon eine Meinung: „Hm, sehr gut“, „Eine schöne Tasse Tee“, „Ja, kann man trinken“, „Mal was anderes“ und „Ich glaube, für mich ist das nichts“. Klar, viele Menschen, viele Meinungen. Und über Geschmack lässt sich bekanntlich ohnehin nicht streiten. Da muss also eine eigene Erfahrung her – „Tja, das ist auf jeden Fall sehr kräftiger schwarzer Tee, aber sollte der nicht eigentlich mit Verbene aromatisiert sein?“ Der Verkäufer nickt. „Interessant, dass er dann nach Bergamotte schmeckt. Aber warten Sie, ganz zum Schluss kommt Verbene, dann aber mit dem bitteren Holzhammer.“ Der Verkäufer nickt wieder.
Tee ist nicht gleich Tee
Wir werden uns schnell einig, die Tasse muss nicht ausgetrunken werden, es kann nun mal nicht jedem schmecken. Aber es gibt ja auch Fakten, die nicht dem Geschmack unterliegen. Die Maschine gibt es in zwei Ausführungen – wer es farbig mag, kann sie für 119 Euro bekommen, die Chromvariante kostet 139 Euro. Zum Start der Teemaschine gibt es Angebote: Die Geräte kosten 89 respektive 109 Euro, dazu gibt es noch zwei Tassen mit Untertassen und eine Auswahl von 40 Kapseln zum Probieren. Der Gratisversand gehört ebenfalls zum Angebot.
In den Boutiquen können sowohl Maschinen als auch Kapseln bestellt werden, geliefert wird per Post nach Hause. Dass man das Gerät nicht tragen muss, kann ja noch als verständliches Argument für den Versand gelten, warum aber die gleiche Begründung auch für die Teekapseln gilt leuchtet nicht recht ein. Auch wenn man neue Sorten probieren möchte, wird es schwierig. In Düsseldorf und Hamburg ist das vor Ort möglich, der Rest der Republik muss die Kapseln in Zehnerpacks für 3,50 Euro im Internet bestellen. Wenn es nicht schmeckt, dann ist das eben Pech.
Die Sache mit der Nachhaltigkeit
Die größte Ungereimtheit fällt bei der Verpackung ins Auge. Die Kapseln werden sortiert in Pappkartons versendet, sie selbst bestehen allerdings aus Aluminium. Nestlé weist extra darauf hin, dass es sich um wiederverwendbares Material handelt und dass es spezielle Kapselsammelstellen in Deutschland gibt. Dort abgegebene Verpackungen werden dem Recyclingkreislauf zugeführt. Außerdem beteiligt sich der Konzern in Deutschland am „Grünen Punkt“. Der Maschine wird attestiert, Wasser und Energie sparsam zu verwenden, das sei Nestlé wichtig. Dass aber die Produktion und das Recycling von Aluminium ein Vielfaches dessen verbraucht, was die Teemaschine jemals wird einsparen können, wird mit keiner Silbe erwähnt. Abgesehen von den Kapseln, die nicht wie vorgesehen entsorgt werden und im normalen Müll landen.
Fazit: Wer bereit ist, viel Geld auszugeben, um eine zusätzliche Maschine im Haushalt zu haben, die Tee kocht, dem ist hiermit vielleicht geholfen. Teeliebhaber und nachhaltig denkende Menschen werden hier eher nicht fündig.
Fotos: © Nestlé
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