Sanft bewegt ein leises Lüftchen die sattgrünen Blätter der Kastanien, treibt den Lindenduft in die Reihen der Lachenden, Schwatzenden, Essenden und Trinkenden: Es ist wieder Biergartenzeit.
München ist die Mutter aller Biergärten, und Bayernkönig Ludwig I. (das ist der, zu dessen Hochzeit das Oktoberfest erstmalig stattfand) sowie der Erfindergeist der bayerischen Brauer sind die Väter. Kein Wunder, dass es hier über 100 Biergärten gibt, darunter so traditionsreiche Häuser wie der Augustiner-Keller, der Hofbräukeller oder der Biergarten am Viktualienmarkt.
Der echte Biergarten
„Das Idealbild des Biergartens ermöglicht, unter großen Bäumen im Schatten zu sitzen“, konstatiert die Bayerische Biergartenverordnung von 1999 und fährt fort: „Biergärten erfüllen wichtige soziale und kommunikative Funktionen, weil sie seit jeher beliebter Treffpunkt breiter Schichten der Bevölkerung sind und ein ungezwungenes, soziale Unterschiede überwindendes Miteinander ermöglichen.“ Na also.
Ein weiteres Kennzeichen der bayerischen Biergärten ist, dass man dort seine selbst mitgebrachte Brotzeit verspeisen darf – nur das Bier (das übrigens traditionell in einem Krug mit Deckel serviert wurde, damit Insekten und Blätter aus den schattenspendenden Bäumen nicht hineinfallen) oder andere Getränke muss man kaufen.
Biergärten haben sich von Bayern mittlerweile in die ganze Republik verbreitet, wenn auch nicht immer mit der Selbstverpflegungs-Regel.
Biergartengeschichte
Zu König Ludiwigs Zeiten trank man in Bayern überwiegend untergäriges Bier, das zum Gären Temperaturen zwischen 4 und 9° Celsius benötigt. Die Brauerei war zudem von der Obrigkeit auf den Zeitraum „zwischen Michaeli (29. September) und Georgi (23. April)“, also das Winterhalbjahr, beschränkt. Denn im Sommer war die Brandgefahr durch Siedefeuer für die Städte zu groß.
Damit das Bier für den Sommer auch noch reiche, musste es gekühlt werden. Dafür nutzten die Brauer zum Beispiel natürliche Höhlen, die sie mit winterlichem Eis vom See auffüllten (wie das bis ins 20. Jahrhundert z. B. noch in der Eifel gemacht wurde). Oder sie gruben sich Erdkeller für die Bierfässer.
In München war das Problem der Grundwasserspiegel – man konnte nicht tief genug graben, um einen ganzjährig kühlen Keller zu bekommen. Also ließen sich die findigen Münchner Brauer etwas einfallen: Sie pflanzten Kastanien über ihre Keller und bestreuten den Boden mit hellem Kies, um die Sonnenwärme schon oberirdisch zu bremsen. Kombiniert mit See-Eis reichte das dann aus, um das Bier schön kühl zu halten.
Und weil sich unter den Bäumen auch die Menschen in der Sommerhitze wohlfühlten, schenkten die Brauer das Bier gleich selber aus. Das führte fast zu einem Aufstand der Wirte, die ihr Geschäft bedroht sahen – und König Ludwig I. erließ eine Biergartenverordnung, um die Rebellion abzuwenden.
Er erlaubte den Brauern zwar, weiterhin Bier auszuschenken – aber sie durften kein Essen dazu anbieten. Stattdessen konnte sich jeder Besucher seine eigene Brotzeit mitbringen. Und so schmecken Radi und Obatzda aus dem eigenen Picknickkorb in München und Umgebung auch heute noch im Biergarten.
Biergärten in der Pfalz
Weil Biergärten eine bayerische Erfindung sind, verwundert es kaum, dass in der an sich eher weinseligen Pfalz gerade die Kaiserstadt Speyer, die zwischen 1816 und 1945 bayerisch regiert war, mit besonders schönen Biergärten verlockt: Gemütlich sitzt man beispielsweise im Biergarten der Domhofbrauerei unter Linden und Kastanienbäumen und genießt ein frisch gezapftes Domhof-Bier aus eigener Herstellung.
Oder man lässt im „Alten Hammer“, Speyers ältestem Biergarten, den sommerlichen Blick wie andere Gäste schon seit 1919 nach unten auf die Rheinpromenade und den Rhein schweifen.
In Schifferstadt bietet das „Bistro Chalet“ einen schnuckeligen kleinen Biergarten mit 102 Plätzen im Kopfsteinpflasterhof neben dem Fachwerk-Restaurant. Hier schmecken auch ein deftiger Flammkuchen und statt einem Bierchen eine erfrischende Weinschorle. Die Oxe Tapasbar hat zwar keinen Biergarten im Bayerischen Sinne, aber man kann in einem schönen Hof unter Schirmen sitzen und den Blick auf das Alte Rathaus, einen historischen Fachwerkbau von 15?? Und den Garten des Rathauses genießen.
Unter Platanen sitzt man im „Gasthaus am Fluss“ in Mannheim, nur etwa rund 500 Meter vom Hauptbahnhof und 200 Meter von der Jugendherberge entfernt. Der Blick auf den Rhein und das mediterran angehauchte Ambiente mit Buchsbäumchen in bauchigen Amphoren und blühenden Pflanzen überall ist genau richtig für einen gemütlichen Ausklang des Arbeitstages.
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