Krumme oder mehrbeinige Karotten, bucklige Kartoffeln, große Knollen roter Beete oder kleine Äpfel landen im zweitbesten Falle in Tiermägen, im schlechtesten Falle gleich im Müll. 20 bis 40 Prozent jeder Ernte werden nach Schätzungen von Experten so entsorgt, berichtet der Naturschutzbund NABU. Damit ist so manche(r) nicht einverstanden.
Seit auch außerhalb der Landwirte bekannter ist, dass die EU den Krümmungsgrad von Bananen oder Gurken oder die verkaufbare Größe von Äpfeln oder anderen Naturprodukten vorschreibt bzw. vorgeschrieben hat, sind viele Menschen genervt von dieser Normierung. Denn die sorgt dafür, dass hervorragend essbare Lebensmittel einfach weggeworfen werden.
Einfalt statt Vielfalt nutzt nur wenigen und schadet vielen
Eigentlich nutzt die Normierung nur einer hochindustrialisierten Landwirtschaft, die möglichst viel mit Maschinen statt Menschen bearbeiten will. Je weniger man Maschinen an eine Vielfalt von Forman anpassen muss, desto billiger und schneller arbeiten die.
Bauern sind dadurch gezwungen, Teile ihrer Ernten zu entsorgen, weil die Natur wächst wie sie will. Sie sind gezwungen, nur eine geringe Menge Sorten anzubauen, die den Vorgaben entsprechen. Monokulturen aber sind anfälliger für Schädlinge und anfälliger für große Ernteausfälle.
Die so genannten Endverbraucher sind über die Jahre an eine bestimmte, kaufreizende Optik gewöhnt worden – sofern sie nicht selbst im eigenen Gärtchen etwas anbauen und wissen, dass auch sonderlich gewachsene Früchte und Gemüse schmecken.
Mittlerweile sind sie durch die beschränkte und einseitige Ausrichtung im Angebot z. B. gezwungen, große Äpfel zu kaufen statt kleiner und müssen mit einer stark reduzierten Vielfalt an Sorten leben.
Weniger Geschmack, weniger Vielfalt in den Inhaltsstoffen. Dafür aber mehr unnötiger Müll, der die Preise der ins Raster passenden Früchte und Gemüsesorten erhöht.
Das wollen zwei junge Designerinnen aus Berlin ändern.
Culinary misfits aus Berlin rettet nicht perfekte Lebensmittel per Catering-Service
Da Behörden der aktuellen Entwicklung oft hinterherhinken, wenn es darum geht, solchen bürokratischen Übereifer wieder einzudämmen, hilft nur Eigeninitiative. „Culinary misfits“ ist eine solche Initiative – und zugleich ein Start-up-Unternehmen.
Lea Brumsack und Tanja Krakowski haben ein Herz für die kulinarischen Außenseiter. 2012 riefen die Produktdesignerinnen eine Reihe von Food-Events ins Leben, um die Sonderlinge aus Obst- und Gemüseanbau ins rechte Licht zur rücken und ihre kulinarischen Qualitäten zu feiern.
Von Biobauern aus der Region um Berlin bekommen sie „alles, was nicht der Norm entspricht, vom Wetter überrascht oder überproduziert wurde“, schreiben sie auf ihrer Webseite culinarymisfits.de. Der Teltower Rübchen Hof und SpeiseGut berechnen ihnen für die optischen Sonderlinge geringere Preise.
Kulinarische Leckereien aus kulinarischen Sonderlingen
So können die beiden Designerinnen mit ihrem Catering-Service qualitativ hochwertiges Essen anbieten, das je nach Rezept auch noch erkennbar ungewöhnlich ist, wie etwa dreibeinige gegrillte Möhrenspießchen.
Alles Verhagelte, Geplatzte, Krumme, Übergroße oder Winzige oder üblicherweise verschmähtes wie Radieschenblätter verschwindet dagegen in cremigen Süppchen, würzigem Pesto oder leckeren Chutneys.
„Wir wollen Esskultur nachhaltig gestalten, indem wir gutes gesundes Essen im Kontext seiner Herkunft und mit Verständnis für die Produktionsbedingungen verbreiten“, schreiben die beiden Jungunternehmerinnen auf Startnext. „Frei nach dem Motto ‚Esst die ganze Ernte!’ verarbeiten wir beispielsweise auch Möhrchengrün zu Pesto und Radieschenblätter zu Suppe.“
Mit ihrer mobilen vegetarischen Küche haben sie die kulinarischen Qualitäten der ‚misfits’ z.B. schon in der Markthalle Neun in Kreuzberg, der Konferenz re:campaign, der Tagung ‚Stadt der Ströme’ in Potsdam oder beim ‚Kampnagel Festival’ in Hamburg gezeigt und schmecken lassen.
Jetzt planen die beiden Culinary misfits einen eigenen Laden in Berlin-Kreuzberg, der voraussichtlich im Frühjahr/Sommer 2013 eröffnet wird.
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