Leckere Getränke gibt es viele, aber wohl kaum eines, das mit solch Legenden und Mythen umschmeichelt wird, wie der Absinth. Ursprünglich als Medizin gedacht, entwickelte sich das alkoholische Getränk schnell zum Kult und fand neben dem inspirierenden Gebrauch in der Kunst- und Intellektuellen-Szene vergangener Tage auch zunehmenden Zuspruch in der übrigen Bevölkerung, wobei der maßlose Missbrauch und die folgenden Alkoholschäden die Regierungen alarmierten. Das Getränk wurde verboten und erlebte erst vor ein paar Jahren eine Renaissance. Die „grüne Fee“ trat zwar etwas schwächer auf den Plan als noch vor ein paar Hundert Jahren, aber an Faszination hat sie nicht eingebüßt.
Die Geburt der grünen Fee
So ganz einig ist man sich bis heute nicht, wer genau den Absinth erfunden hat, da sich mehrere Quellen in ihrer erstmaligen Erwähnung der speziellen Rezeptur widersprechen. Worin sich viele Experten aber durchaus einig sind ist der Ursprungsort des Absinths. So soll dieser etwa in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts im heutigen Schweizer Kanton Neuenburg, genauer im dortigen Bezirk Val de Travers, entstanden sein. Verschiedenen Quellen nach zu urteilen kommen als Personen ein französischer Arzt namens Dr. Pierre Ordinaire, eine gewisse Familie Henriod, sowie eine Dame mit dem Namen Suzanne Marguerite Motta in Frage. Der Arzt Dr. Ordinaire und die Familie Henriod standen in unmittelbarem Zusammenhang, sodass vermutet wird, der Medizinkundige könnte eventuell ein Familienrezept der Henriods optimiert und salonfähig gemacht haben. Während der Verantwortliche für den Absinth nur schwer exakt zu bestimmen ist, kann die erste Absinth Brennerei deutlich einfacher benannt werden. Ein gewisser Major Dubied kaufte 1797 das Absinth-Rezept von einem Familienmitglied der Henriods und gründete zusammen mit seinem Sohn Marcellin und seinem Schwiegersohn die erste Brennerei für den noch unbekannten Kräuterschnaps. Frankreich entpuppte sich zügig als großer Abnehmer des neuen Getränkes und um den Zollformalitäten aus dem Weg zu gehen, verlegte der Schwiegersohn des Majors die Destillerie nach Frankreich, wo unter seinem Namen Henri Louis Pernod einer der berühmtesten und besten Absinthe bis heute entstehen sollte. Die Bezeichnung als „grüne Fee“ erhielt der Absinth angeblich aufgrund seiner überwiegend grünen Farbe. Einige Quellen berichten aber auch davon, dass den Konsumenten des Getränkes eine grüne Fee während des Rausches erschienen sei.
Die Wirkung des Absinths
Absinth war zunächst ein hochprozentiger Alkoholextrakt aus Kräutern, die rein medizinischen Zwecken dienen sollten. Gesunde und typische Zutaten waren Anis und Fenchel, die Verwendung zusätzlicher Kräuter hing von der Rezeptur einzelner Hersteller ab. Der namensgebende Hauptbestandteil war aber der Wermut, im Lateinischen als absinthium bezeichnet und verdient besonderes Augenmerk. Denn im Wermut ist das Stereoisomer Thujon enthalten, wobei es sich einfach ausgedrückt um ein Nervengift handelt, das in hoher Dosierung Symptome wie Schwindel, Wahnvorstellungen oder Halluzinationen auslöst und ich schweren Fällen gar zu Verwirrtheit oder epileptischen Anfällen führt. In niedrigerer Dosierung wird dem Thujon allerdings eine euphorisierende und aphrodisierende Wirkung zugeschrieben, die unter den späteren Konsumenten durchaus erwünscht war. Viele Künstler aus dem Frankreich des 18. und 19. Jahrhunderts schworen auf die berauschende und beflügelnde Wirkung des Absinths und fertigten nicht selten ihre Werke unter dessen Einfluss an. Dem Maler Vincent van Gogh wird zum Beispiel nachgesagt, dass er sich sein Ohr während eines Absinthrausches abgeschnitten hatte.
Absinth-Verbot – Die grüne Fee als Sündenbock
Aus heutiger Sicht werden die Wirkung und Nebenwirkung des Absinths überwiegend dem hohen Alkoholgehalt zugeschrieben, doch zur damaligen Zeit rückte sich das Getränk aufgrund seiner übrigen Inhaltsstoffe in ein unbeliebtes Licht. Absinth war deutlich günstiger als Wein und drohte diesen in Frankreich sogar zu verdrängen. Für die Weinindustrie wurde der Kräuterschnaps entsprechend zum schmerzhaften Dorn im Auge und Verantwortliche begannen eine Hetzjagd gegen den Absinth. Während sich immer mehr einflussreiche Gemüter gegen den Kräuterschnaps wandten und sogar Initiativen gegen das Getränk gründeten, kam es im Jahre 1910 letztendlich zu einem Absinthverbot in der Schweiz. Auslöser war die Ermordung von Frau und Kind eines Familienvaters, der zu dem Tatzeitpunkt zwei Gläser Absinth zu sich genommen hatte. Dass er aber größere Mengen Wein und Branntwein getrunken hatte, wurde unter den Tisch fallen gelassen. In den folgenden Jahren wurde der Absinth dann auch in Frankreich und in fast allen anderen europäischen Ländern verboten. Erst ab dem Jahr 1998 wurden die Herstellung und der Verkauf des Absinths wieder nach und nach erlaubt, wobei für den Thujongehalt strenge Richtlinien festgelegt wurden. So darf Wermut zwar weiterhin im Absinth enthalten sein, der Thujongehalt darf in Bitter-Spirituosen allerdings die Menge von 35mg pro Kilogramm nicht überschreiten. In gewöhnlichen Branntweinen sind die Richtwerte noch deutlich niedriger angesiedelt.
Die stilechte Zubereitung
Absinth wurde und wird nicht einfach nur pur getrunken, sondern mit Wasser verdünnt. Dabei haben sich bestimmte Formen und Rituale entwickelt. Das Schweizer Trinkritual ist relativ schlicht und findet nur selten Anwendung. Dabei wird der Absinth einfach in einem Verhältnis von 1:1 bis 1:5, je nach persönlichem Geschmack, mit Wasser verdünnt und getrunken.
Das französische Ritual hingegen ist schon ein wenig aufwändiger. Auch hier wird das Mischungsverhältnis beibehalten, jedoch wird der Absinth mit Zucker gesüßt. Dafür werden ein bis zwei Zuckerwürfel auf einem speziellen Absinthlöffel mit Löchern platziert und auf das Absinthglas gelegt. Der Schnaps wird dann über die Zuckerwürfel in das Glas gegossen, das durch das Beträufeln der Zuckerwürfel mit eiskaltem Wasser ganz langsam gefüllt wird. Das ätherische Öl des Anis reagiert mit dem Zuckerwasser und sorgt für die typische milchig-grüne Trübung des Getränkes. Da der Zucker wirklich tröpfchenweise aufgelöst werden sollte, kann das Auffüllen des Glases mit Wasser durchaus mehrere Minuten in Anspruch nehmen. Für das französische Ritual ist daher eine sogenannte Fontäne geeignet. Diese wird mit Eiswasser gefüllt, das durch kleine Hähne ausgelassen werden kann. So muss das Glas nur unter einem Hahn platziert werden und man gemütlich dabei zusehen, wie Tropfen um Tropfen der trinkfertige Absinth entsteht.
Zu diesen beiden traditionellen Trinkritualen kam Ende der 1990er Jahre ein drittes, modernes hinzu, nämlich das tschechische. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um eine klassische Zubereitung, sondern um eine Werbemaßnahme tschechischer Absinthhersteller, um das Getränk vor allem unter jüngeren Konsumenten attraktiver zu gestalten. Die Vorbereitungen werden ähnlich dem französischen Ritual getroffen, jedoch werden die Zuckerwürfel nach dem Übergießen mit dem Schnaps angezündet. Sobald diese zu schmelzen beginnen, wird mit Wasser gelöscht und das Glas aufgefüllt.
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