Im Ruhrpott gibt’s nicht nur Kicker, Kohle und Karneval, sondern auch großartige Musik, die zwar nicht Untertage entstanden ist, aber über weite Strecken mindestens so schwermütig klingt, als wäre im Bergwerk gerade das Licht ausgegangen. Das Mühlheimer Quartett „Bohren und der Club of Gore“ hat sich mit seinen jazzigen Düster-Tracks schon lange in die Herzen seiner Fans gespielt und ist vom Parkett der musikalischen Ausnahmekünstler nicht mehr wegzudenken.
Der Ursprung
Bereits im Jahre 1988 fanden sich die vier Schulfreunde Morten Gass, Thorsten Benning, Robin Rodenberg und Reiner Henseleit zusammen, um die Musikwelt zu bereichern. Wahrscheinlich ahnten sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass sie mit ihrer düsteren, anspruchsvollen Musik künftig Maßstäbe setzen und dadurch treue Fans um sich scharen würden. Doch beginnen wir von vorn.
Zunächst nannten sich die vier Musiker nur „Bohren“ und spielten das, was sie am liebsten hörten: Extremen Metal, wie Grindcore, Hardcore, Death- oder Doom-Metal. Auf Dauer schien die Musikrichtung aber nicht für kreative Befriedigung zu sorgen und die vier ambitionierten Jungs strebten nach einem eigenen, einzigartigen Stil, der nicht lange auf sich warten lassen sollte.
Langsam, Langsamer, Bohren
Schon 1992 wandten sich die Mühlheimer Künstler also wieder von den harschen, metallischen Klängen ab und feilten an ihrem persönlichen Stil. Sie erweiterten ihren Namen zu „Bohren und der Club of Gore“ und verbanden typische Jazz-Klänge von Piano, Bass, Saxophon und Schlagzeug mit der Gitarren-Schwere des Doom-Metals. Zusätzlich schwängerten sie ihren Sound mit atmosphärischen Ambient-Klängen.
Nach der Demo und einer 7 Inch Single folgten 1994 und 1995 die ersten beiden Longplayer mit dem neuen Soundgewebe aus Jazz, Doom und Ambient. 1996 gab es dann den personellen Wechsel im Line-Up der Band und mit Reiner Henseleit verschwand auch die Gitarre vollständig aus den Werken der Mühlheimer Künstler. Dafür stieß 1997 Christoph Clöser hinzu und das folgende Album „Sunset Mission“ legte dann den Grundstein des intensiven, gitarrenlosen Düster-Jazz für den Bohren und der Club of Gore so sehr geschätzt werden.
Zwei Jahre später wurde mit dem Album „Black Earth“ dann noch einmal kräftig an der Stimmung der Musik und damit auch an der Geschwindigkeit gedreht und zwar kräftig nach unten. Das Album fand schnell viele Fans aus den unterschiedlichsten Musikrichtungen. Musikjournalisten und Hörer gleichermaßen suchten nach Begriffen, den Sound von Bohren zu beschreiben und kreierten ihrerseits Genrebezeichnungen, wie „Dark-Jazz“, „Slow-Jazz“, „Doom-Jazz“ oder gar „Necro-Jazz“ und „Horror-Jazz“. Doch wie auch immer Außenstehende oder die Band selbst ihren Stil bezeichneten, war mit „Black Earth“ ein Meilenstein entstanden, der die musikalische Messlatte ziemlich hoch legte.
Mit Spannung wurde dann auch das nächste Album erwartet und es sollte den Befürchtungen, dass sich die Band selbst kopieren oder festfahren könnte energisch die Stirn bieten. Mit dem konzeptionellen Album „Geisterfaust“ wartete die konsequente Fortsetzung der „schwarzen Erde“ auf ihre Hörerschaft und bildete wahrlich keinen Aufguss des Vorgängers, sondern eine neue Herausforderung des Hörens. Noch langsamer, noch reduzierter und noch komprimierter stellte das Album auf eine Geduldsprobe, die bei intensivem Hören mit einem erneut hervorragenden Gesamtkunstwerk belohnte. Entstanden war ein eindrucksvolles Beispiel, wie Künstler es schaffen mit so wenig Tönen, so viel Musik zu produzieren.
Mit den folgenden Veröffentlichungen „Dolores“ und „Mitleid Lady“ öffneten sich Bohren und der Club of Gore wieder ein wenig ihren Hörern und überraschten mit einem frischeren, zugänglicheren Sound. Die einzelnen Stücke waren deutlich kürzer als die Vorgänger und wurden um Orgelklänge bereichert, die hin und wieder für eine sakrale Stimmung sorgen. Trotz aufblitzender Momente der Helligkeit tragen aber auch diese Werke die unverkennbare Handschrift von Bohren, wirken zwar etwas strukturierter und melodiöser, bleiben dabei aber düster und schwermütig.
Beileid – Das aktuelle Mini-Album
Mit dem aktuellen Silberling „Beileid“ – einem 3-Song Album von rund 40 Minuten Länge – geschah dann für viele Fans der Mühlheimer Combo das Unerwartete, beinahe Unfassbare. Mit dem Cover des Songs „Catch my Heart“ der legendären Heavy Metal Formation „Warlock“ um Frontfrau Doro Pesch, lieferten Bohren nicht nur eine grandiose Neuinterpretation des Klassikers, sondern seit sie die jazzigeren Wege eingeschlagen hatten auch zum ersten Mal Gesang. Für eingefleischte Fans des Düster-Quartetts wahrscheinlich ein kleiner Schlag vor den Kopf, aber bei Leibe kein Grund zur Beunruhigung. „Faith No More“-Sänger Mike Patton höchstpersönlich hat sich des Gesangs angenommen, um die Texte der Musik würdigend gefühlvoll und kraftvoll zugleich in das Mikrofon zu hauchen. Herausgekommen ist ein ungewohnter, aber nicht untypischer Bohren-Track von gewohnt epischer Länge und typischer Langsamkeit.
Keine Musik für die Massen
All das, was einen erfolgreichen Pop-Song ausmacht, all das, was möglichst viele Hörer anziehen soll, all das, was genretypischen Reglements entspricht, ja, all das wird man bei „Bohren und der Club of Gore“ nicht finden können und das ist auch gut so. Die Stücke sind nicht nur aufgrund ihrer Länge von bis zu 20 Minuten pro Song absolut radiountauglich, sondern allem voran weil sich die Band funktionierender Unterhaltungsmechanismen und Strukturen total verweigert. Aber genau das macht die Mühlheimer schließlich aus, dass sie eben keine Hörgewohnheiten mit dem silbernen Tablett bedienen, sondern künstlerisch spielend großartige, anspruchsvolle Musik schaffen.
„Bohren und der Club of Gore“ bieten keine eingängige Musik, um sich berieseln zu lassen und keine leichtfüßigen Pop-Melodien, um einfach mal abzuschalten. Vielmehr fühlt man sich beim Hören in einen verlassenen, verqualmten Jazz-Club versetzt oder sieht sich vereinsamt mit dem Auto durch die dunkle, bedrohliche Großstadt fahren. Man muss sich schon ein Stück weit auf die Musik der Mühlheimer einlassen, darf sich anschließend aber auch auf eine musikalische Offenbarung freuen.
Foto: Bohren und der Club of Gore
Discographie
1993: Luder, Samba und Tavernen – DEMO
1994: Bohren und der Club of Gore – 7” e.p.
1994: Gore Motel – CD
1994: Bohren / Wald – Split 7” e.p.
1995: Midnight Radio– Doppel CD
2000: Sunset Mission – CD
2002: Black Earth – CD und Doppel LP
2005: Geisterfaust – CD
2008: Dolores – CD
2010: Mitleid Lady – CD
2011: Beileid – CD
Weiterführender Link zum Thema „Bohren“:
Homepage der Band – Bohren & der Club of Gore
http://www.bohrenundderclubofgore.de
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