Der erste große kirchliche Festtag im Herbst ist der Martinstag am 11. November. Am Vorabend des 11. Novembers ist es wieder so weit: In katholischen Gegenden sieht man Gruppen kleiner Kinder liedersingend und bunte Laternen tragend durch die Straßen ziehen zu einem zentralen Platz, an dem ein als römischer Soldat verkleideter Reitersmann seinen schönen roten Umhang mit einem Schwert zerteilt und einem Bettler die Hälfte abgibt.
Mit diesem Brauchtum wird die Legende des Heiligen Martin nachgespielt. Martin, Bischof im französischen Tours (*ca. 316, + 397), wollte der Sage nach nicht Bischof werden, die Gänse aber verrieten ihn. Weshalb es angeblich den fedrigen Tieren an seinem Namenstag an den Kragen geht.
Doch was hat es mit dem Mantelteilen auf sich? Wie es die Sage will, soll Martin in Amiens einem frierenden Bettler die Hälfte seines Soldatenmantels geschenkt haben – wegen dieser sozialen Ader wollte die Bevölkerung ihn als Bischof haben und ernannte ihn irgendwann auch zum Heiligen.
Doch der Martinstag wird nicht nur bei Katholiken gefeiert: Der Festtag zum 200jährigen Jubiläum der Reformation im Jahr 1717 war der Martinstag nach dem neuen Kalender, nach dem alten, julianischen Kalender zugleich der 31. Oktober, das Reformationsfest. Vielleicht ist neben der Namensverwandtschaft auch das eine Ursache dafür, dass die Evangelischen den Martinstag feiern. In Thüringen jedenfalls wurde der Martinstag außerdem zum Gedenktag an Martin Luthers Geburtstag.
Laternegehen, Martinsfeuer, Gansschlagen: Brauchtum rund ums Martinsfest
Rund um den Martinstag gab es früher und gibt es z. T. noch heute zahlreiche Bräuche. Neben dem obligatorischen Martinsfeuer gab es etwa im Schwabenland eine Art ‚Blindekuh-Spiel’: Eine Gans wurde festgebunden und jeder durfte mit verbundenen Augen drei Mal versuchen, sie mit einem Stock zu schlagen – wer drei Mal traf, bekam die Martinsgans geschenkt.
Das Laternegehen hat sich von Norddeutschland und den Niederlanden aus verbreitet. So liefen im Emsland die Kinder früher mit geschnitzten Runkelrüben und Kürbissen herum, die heute durch Laternen ersetzt sind.
Martinstag ist Zahltag und Schmaustag
Um St. Martin herum ist die Wintersaat bestellt und das bäuerliche Jahr weitgehend beendet. Deshalb war noch bis Ende des 19. Jahrhunderts war St. Martin ein wichtiger Zahltag. Martini war der Abrechnungstag am Ende der Erntezeit: Die Bauern mussten ihre Zehnten sowie Zinsen zahlen, das Schulgeld wurde bezahlt und die Lehrer bekamen z. B. in Göppingen oft auch eine Martinsgans als Bezahlung, oder wie es in einem alten Vertrag heißt, „ vff sant Martinstag ain ganss oder sechs kreutzer“.
Die Knechte und Mägde machten sich mit Abschluss des alten Arbeitsjahres auf den Weg zu einem neuen Arbeitgeber oder bekamen ein paar Tage frei. So hieß die Martinswoche in manchen Gegenden auch „Schlamperwoche“, sprich, eine Zeit, in der das Gesinde Urlaub bekam und nach Herzenslust „geschlampt“, also geschmaust und getrunken wurde.
Denn der Martinstag markierte auch den Beginn der fleischlosen Zeit: Bischof Perpetuus von Tours (+ 491) legte den Martinstag als Beginn der adventlichen Buß- und Fastenzeit 40 Tage vor Weihnachten fest.
Genau der richtige Zeitpunkt also, um noch einmal ein richtiges fettes Festmahl zu sich nehmen, bevor die adventliche Fastenzeit begann. Eine leckere Martinsgans am besten, die praktischer Weise um diese Zeit auch richtig schön fett ist.
Bauernregeln rund um den Martinstag
Um den Martinstag ranken sich zahlreiche Wetterregeln. Ein estnisches Sprichwort besagt, dass das kommende Jahr eine gute Ernte beschert, wenn am Martinstag die Plejaden, das Siebengestirn, klar untergeht.
Bauernregeln aus deutschsprachigen Gebieten sagen folgendes übers Wetter: „Wenn an Martini Nebel sind, wird der Winter meist gelind“, „ Ist Martini trüb und feucht, wird gewiss der Winter leicht“, oder, lakonisch knapp, „ Martini trüb – Winter lieb“. Stimmt das auch?
Der Martinitag vor der Kalenderreform entspricht in etwa dem heutigen 21. November, der Lostag hat sich seit der Entstehungszeit der Bauernregeln also verschoben. Der Meteorologe und Klimatologe Horst Malberg hat diverse Martini-Bauernregeln aus meteorologischer Sicht geprüft und stellt fest, „Tritt um Martini Nebel, also feucht-trübes Wetter auf, so ist mit 65 %, bei einem um 10 Tage verschobenen Lostag (also um den 21. November) sogar mit 75 % Wahrscheinlichkeit ein insgesamt zu milder Winter zu erwarten.“
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