Die Zeit von 1871 bis 1918 ist nicht nur für Schüler und Historiker von großer Bedeutung, sondern vor allem auch für Numismatiker oder Sammler von Medaillen und Militaria. Denn kaum eine andere Zeit in der Deutschen Geschichte war von einer Vielfältigkeit geprägt, wie sie in der Zeit an der Schwelle zur Moderne herrschte. Die industrielle Revolution, gesellschaftlicher Wandel, Deutsche Kolonien, die Währungseinheit und die Gründung der Reichsbank sind nur wenige Beispiele einer überaus ereignisreichen Zeit.
Die Basis und die Gründung
Den ersten Impuls zur Gründung eines vereinten Deutschen Reiches gab der Sieg der verbündeten Deutschen Streitmächte im Krieg gegen Frankreich. Nachdem der französische Kaiser Napoleon III. besiegt war, begann der damalige Bundeskanzler des Norddeutschen Bundes Otto von Bismarck mit den süddeutschen Ländern zu verhandeln, um eine „kleindeutsche Vereinigung“ herbeizuführen. Das ständige Gerangel mit Frankreich speziell um das Land Elsaß-Lothringen stärkte den nationalen Gedanken der deutschen Länder und vereinfachte die Versuche Bismarcks die Vereinigung unter preußischer Führung zu erreichen. Zwar musste Bismarck den süddeutschen Ländern Zugeständnisse einräumen, doch unterzeichneten diese im November 1880 die sogenannten Novemberverträge und waren fortan Teil des Norddeutschen Bundes. Die Streitmächte wurden im Kriegsfall unter die preußische Flagge gestellt und einer weitreichenden Vereinigung stand formal nichts mehr im Wege. Zwar gab es an der einen oder anderen Stelle ein Zweifel und Widerwille, doch dank des Geschicks von Bismarck konnten die Königreiche, Herzog- und Fürstentümer unter eine Krone gebracht werden, nämlich unter die des preußischen Königs Wilhelm des I. Offiziell gegründet wurde das Deutsche Kaiserreich dann am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal des Versailler Schlosses, wo Wilhelm der I. zum deutschen Kaiser ernannt wurde. Die Verfassung des Deutschen Kaiserreiches wurde am 16. April 1871 vom neuen Kaiser abgesegnet und beim sogenannten Friede in Frankfurt am 10. Mai 1871 wurde der Krieg mit Frankreich offiziell als beendet erklärt.
Viele Länder, eine Währung
Zum vereinten Deutschen Kaiserreich zählten 25 Bundesstaaten. Dazu gehörten die vier Königreiche Preußen, Bayern, Württemberg und Sachsen, sowie die sechs Großherzogtümer Baden, Mecklenburg-Schwerin, Hessen, Oldenburg, Sachsen-Weimar-Eisenach und Mecklenburg-Sterlitz. Weiterhin waren fünf Herzogtümer, sieben Fürstentümer, die Freien Städte Hamburg, Lübeck und Bremen und zu guter Letzt auch das Reichsland Elsaß-Lothringen. Wie bereits erwähnt traten einige Länder dem Deutschen Kaiserreich aber nur unter bestimmten Voraussetzungen bei, sodass Bayern beispielsweise in Friedenszeit selbst über seine Armee verfügte und auch das eigene Postsystem inklusive Wertzeichen zugestanden wurde. Dem neuen Reichsmünzgesetz unterlagen allerdings alle Mitglieder, sodass Mark und Pfennig zur gemeinschaftlichen Währung des Deutschen Kaiserreich wurden. Dieser Aspekt ist besonders für die Münzsammler interessant, weil es zwar einige grundsätzliche Regelungen für die Nominale oder auch das Wappen auf den Münzrückseiten gab, jedes Land aber seine eigenen Münzen prägen durfte. Entsprechend gibt es bei den Münzen des Kaiserreiches eine große Vielfalt zu entdecken. Hinzu kommt, dass die neue Währung des Kaiserreiches auf dem Goldstandard basierte, das heißt, dass eine 10 Mark Münze zum Beispiel den Goldgehalt im Gegenwert von 10 Mark besaß. Kleinere Einheiten, wie die 3 Mark oder 2 Mark Stücke enthielten Silber, kleinere Pfennigbeträge überwiegend gewöhnliche Kupfer-Nickel Legierungen. Für gut erhaltene Münzen mit geringer Auflage wird unter Sammlern ein vielfaches vom reinen Materialwert bezahlt, während weniger gut erhaltene Stücke aus Massenprägungen, wie sie in Preußen getätigt wurden, nicht ganz so beliebt sind und teilweise sogar unter ihrem Materialwert gehandelt werden.
Viele Länder, viel Ärger
Neben den positiven Entwicklungen der industriellen Revolution, dem wirtschaftlichen Aufschwung und der gesellschaftlichen Neustrukturierung, wird dem expansionistischen, militärischen Reich aus heutiger Sicht auch viel Kritik entgegengebracht. Denn es kriselte an allen Ecken und Enden, ständig gab es kriegerische Absichten und Auseinandersetzungen und innenpolitisch handelte es sich oftmals um Kompromisse statt echter Einigkeit. Besonders auch die Kulturlandschaften waren von widersprüchlichen Strömungen geprägt und spiegelten im Grunde nur die politische Hin- und Hergerissenheit zwischen Moderne und konservativer Tradition wider, verliehen dem vereinten Land also einen ambivalenten Aspekt, der auch dem dritten deutschen Kaiser Wilhelm dem II. in hohem Maße vorgeworfen wird. Zu wechselhaft sei der junge Herrscher gewesen, ohne klare Linie und zu sehr auf die eigenen Interessen fixiert. Die innen- und außenpolitischen Krisen spitzten sich immer weiter zu und nach nur 47jährigem Bestehen rauschte das Kaiserreich übermütig in den Ersten Weltkrieg und gleichzeitig seinem Untergang entgegen. Und während sich Schüler heute durch die politischen Meilensteine des Kaisers quälen, Historiker noch immer über so manch kleinem Detail der Könige brüten, erfreuen sich die Münzsammler mit größter Faszination an den Moneten und erleben damit auch gut 90 Jahre nach Ende des kontroversen Kaiserreiches ein Stück lebendige Geschichte.
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