Seit den 1950er Jahren hat sich in Japan ein Phänomen breit gemacht, das wie die kriminelle Version der hiesigen Tuner-Szene anmutet: die Bosozoku. Diese japanischen Motorradgangs haben meist jugendliche Mitglieder, die als Schulabbrecher gegen die Normen und Werte der japanischen Gesellschaft rebellieren. Zum Frust der Bürger und Behörden sind die Bosozoku auf immer kriminellere Abwege gekommen. Bis heute verbreiten die Gangs noch Angst und Schrecken auf den nächtlichen Straßen japanischer Großstädte.
Ein Kult nimmt seinen Lauf
Übersetzt bedeutet Bosozoku so viel wie „rasendes Volk“. Seinen Ursprung findet dieses rasende Volk in der Gegend um das japanische Yokohama, wo sich zu Beginn der 1950er Jahre die ersten Jugendlichen zu lärmenden Motorradgangs zusammenschlossen. In ihren Anfangszeiten beschränkten sich die Gangs auf illegale Straßenrennen mit ihren getunten und vor allem sehr lauten Maschinen, wobei diese wirklich einen Höllenlärm verursachten und die Anwohner teilweise massiv belästigten. Doch war es gerade diese Faszination, die immer mehr Jugendliche anzog und aus einem anfänglichen Unsinn eine ganze Kultur erwachsen ließ. Denn die Gangs fanden rasche Verbreitung und erreichten Ende der 1950er Jahre neben allerlei Großstädten und ländlicher Gegenden dann schließlich auch die Hauptstadt. Entsprechend wurden im Jahre 1959 die ersten Bosozoku in Tokyo gesichtet.
Die Rennen der Bosozoku
Die Motorradgangs bestanden überwiegend aus 15 bis 21 Jahre alten männlichen Mitgliedern. Die Besonderheit hierbei ist, dass die Strafmündigkeit in Japan ähnlich wie bei uns bis zum 21. Lebensjahr unter das Jugendstrafrecht fällt und jugendliche Straftäter überwiegend milde Urteile zu erwarten hatten. Für die Mitglieder der Bosozoku war dies natürlich fast wie ein Freibrief und die Gesetzesübertretungen häuften sich zunehmend. So wurden regelmäßige boso-Fahrten veranstaltet, also illegale Rennen durch die Straßen Tokyos, die nicht nur für die Fahrer selbst, sondern auch für die Passanten eine gefährliche Angelegenheit darstellen. Denn bei den boso-Fahrten ist es nicht von Bedeutung ein bestimmtes Ziel zu erreichen, sondern das Rasen selbst ist das Ziel. Entsprechend planen die Mitglieder der Gangs Hochgeschwindigkeitsrouten, auf denen Nacht für Nacht das eigene Leben und fremde dazu aufs Spiel gesetzt werden. Nicht selten heizen die Mitglieder dann mit guten 100 Stundenkilometern durch verkehrsberuhigte Zonen, die mit den deutschen 30er Zonen vergleichbar sind. Ein besonderes Highlight bei den rasanten Fahrten ist das Überfahren von Stoppschildern und roten Ampeln, was für einen zusätzlichen Kick, aber auch verantwortungslose Gefahr sorgt. Zwar sind auch häufig PKW-Fahrer unter den Gangs zu finden, die in speziellen Aktionen den Verkehr an Kreuzungen blockieren, damit die Motorräder freie Fahrt haben, doch ist dies auch nicht immer ungefährlich, besonders nicht für Fußgänger. Meist finden die boso-Fahrten zwischen verschiedenen Gangs statt, die sich eine Art Kräftemessen liefern. Das Thema der Bosozoku ist ein oft genutztes Motiv in japanischen Filmen, Büchern oder Mangas. Als Beispiel sei hier nur der Klassiker „Akira“ genannt, der auch in Deutschland große Erfolge erzielte.
Überschäumende Kriminalität
Die illegalen Straßenrennen sind für sich genommen schon kriminell genug, jedoch findet sich hierin bei weitem noch nicht die Grenze. Nicht alle Bosozoku, so aber doch eine Großzahl der Mitglieder, wird immer wieder in anderen Straftaten auffällig. Angefangen beim Drogenverkauf und Konsum über Gewaltdelikte, wie Überfälle und Körperverletzung, bis hin zum organisierten Verbrechen ziehen die Straftaten teilweise enorme Kreise durch die verschiedenen Motorradgangs. Vor allem die Verbindung zwischen den Bosozoku und der Yakuza wird von den japanischen Behörden als alarmierend bezeichnet. So tätigen die Mitglieder der Motorradgangs häufig Botendienste für die japanische Mafia, übernehmen kleinere Aufgaben innerhalb des organisierten Verbrechens und sind in oft Hauptabnehmer von Amphetaminen oder anderen Drogen. Nicht wenige der Bosozoku werden später selbst zu Mitgliedern der Yakuza. Die Polizei kann dabei kaum in das Geschehen eingreifen. Zwar wurden die Richtlinien gegen die illegalen Straßenrennen in den letzten Jahren deutlich verschärft, doch ist den Ermittlern ein Zerschlagen der Gangs nicht möglich. Denn zu viele verhaftete Gangmitglieder rücken nach und die ungebrochene Faszination für die Großstadtrowdys zieht immer wieder neue Mitglieder an. So dürfte es vor allem für den Japan-Urlauber von größtem Interesse sein, größere Motorradgruppen zur späten Stunde lieber zu meiden. Denn in das Bild des freundlichen, zuvorkommenden Japaners passen die Rowdys garantiert nicht.
© Pixel Trader Ltd. 2013 Alle Rechte vorbehalten