Migräne zu haben, ist schrecklich, aber gleichzeitig gesellschaftlich anerkannt. Wer als Migränepatient einmal mehr von einer vernichtend schmerzhaften Attacke berichtet, dem ist das uneingeschränkte Mitgefühl und die Anteil nehmende Aufmerksamkeit seines sozialen Umfelds sicher. Andererseits gibt es auch Krankheiten, mit denen man in unserem Kulturkreis besser nicht hausieren geht. Egal, wie schlimm und quälend die Symptome auch sein mögen. Erkrankungen einer ganz bestimmten anrüchig bis peinlich empfundenen Art sind nämlich komplett tabu. So käme wohl kaum jemand auf den Gedanken, sich mit der blumig ausgeschmückten Schilderung seiner Blasenschwäche, oder mit der erschöpfenden Beschreibung seiner Erektionsstörungen Sympathiepunkte und Mitgefühl zu verschaffen. Warum aber sind bestimmte Krankheiten ein totales soziales No-Go? Bei der Antwort auf diese Frage spielen sowohl tradierte Vorurteile als auch schlichte psychologische Mechanismen eine zentrale Rolle.
Arschloch!
Dieses viel gebrauchte Schimpfwort, gerne auch mal vollmundig mit dem bekanntesten Zitat des Götz von Berlichingen kombiniert, stellt sehr eindrucksvoll zur Schau, mit wie viel Ekel und Abscheu der Darmausgang psychisch besetzt ist. Mit der menschlichen Po-Region werden solche Unannehmlichkeiten wie Schmutz, Gestank und Abfall assoziiert. Um wie viel schlimmer kommt es da noch, wenn in dieser ohnehin bereits hochgradig stigmatisierten Gegend noch Erkrankungen auftreten? Dann kennt das Grausen keine Grenzen mehr. Der Leidende mit den im Analbereich verorteten Gesundheitsbeschwerden wird durch diesen Psychomechanismus so stark verunsichert, dass er sich oftmals noch nicht mal dazu durchringen kann, sich beim Arzt vorzustellen. So verzweifeln viele Patienten ganz still in der Abgeschiedenheit ihrer Privatsphäre an solchen Qualen wie beispielsweise Blähungen, Feigwarzenbefall, Hämorrhoiden oder Analfissuren.
Shocking!
Nicht minder unbeliebt sind die Geschlechtskrankheiten. Wer sich „da unten“ einen Tripper, die Syphilis oder eine andere schwere Infektion zugezogen hat, wird von der Gesellschaft mit den berühmten Aussätzigen auf eine Stufe gestellt. Denn wie bekommt man wohl nach landläufiger Meinung eine Geschlechtskrankheit? Doch nur durch mehr als mangelhafte Hygiene in Kombination mit unverantwortlich hemmungslos häufig wechselnden Intimpartnern zweifelhafter Herkunft. Und mit solchen ebenso lasterhaften wie hochgradig ansteckenden und moralisch verkommenen Subjekten will keiner etwas zu tun haben. Dabei wird leider außer Acht gelassen, dass sich auch der anständigste Bürger auf einer nachlässig und nur oberflächlich gereinigten WC-Brille die herrlichsten Keime anlachen kann.
Das große Krabbeln
Der Fuchsbandwurm: Kleiner Parasit mit großer Wirkung
Juckendes und peinliches Übel – Kopfläuse
Kopfläuse: Hilfe, mein Kind hat Läuse, was kann ich tun?
Ein weiterer „primus inter pares“ in der Hitliste der Tabukrankheiten ist der Parasitenbefall. Allein das schlichte beim Namen nennen von Läusen, Wanzen, Würmern und Flöhen löst bei sensiblen Gemütern bereits einen unwiderstehlichen Juckreiz und ein mentales Grauen aus. Auch hier ist nach landläufiger Meinung „das große Krabbeln“ einer bestürzenden Abwesenheit von Sauberkeit und Hygiene bei deutlich sichtbaren Tendenzen zur kompletten Verwahrlosung geschuldet. Tatsächlich ist es aber so, dass jene Personen, die täglich mit großen Gruppen von Kindern zu tun haben, oder die die Eltern dieser Kinder sind, das mit Abstand größte Risiko für einen Parasitenbefall tragen. Denn gerade unter den lieben Kleinen sind Kopfläuse und Darmparasiten beliebte Mitbringsel aus dem Kindergarten oder aus der Schule.
Tabukrankheiten sind immer doppelt fürchterlich. Umso wichtiger ist es da, sich rechtzeitig vertrauensvoll an einen Facharzt zu wenden. Der hat nämlich wirksame Therapiemöglichkeiten statt kontraproduktiver Vorurteile im salutogenen Angebot.
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