Die menschliche Sexualität (Objektophilie) kennt zahlreiche Varianten und Spielarten. Manche davon erfordern mehr, manche weniger persönliche Toleranz vom Betrachter. Doch am unbegreiflichsten erscheint wohl die erotische und emotionale Beschränkung auf Partner, in denen gewöhnlich Sterbliche lediglich eine Brücke, ein Haus oder eine Lokomotive erkennen könnten. Diese außergewöhnliche Form der Liebe bezeichnen Sexualforscher als Objektophilie. Und die ist weiter verbreitet, als man denken könnte.
Die Geburtsstunde der Objektophilie
Als sich die schwedische Modellbauerin Eija-Riitta Wallis Winther Arja Nikki Lee Eklöf mit Leib und Seele in die Berliner Mauer verliebte, reifte in ihr der Wunsch, mit dem Objekt ihrer Begierde den Bund fürs Leben einzugehen. Und so gab sie der Berliner Mauer, nach eigenen Angaben, das hochoffizielle Ja-Wort. Gleichzeitig prägte sie den Begriff der Objektsexualität und gilt damit als erster bekannter und bekennender objektophiler Mensch der Moderne. Ihre mehr als außergewöhnliche Liebesgeschichte inspirierte den norwegischen Künstler Lars Laumann zu dem Film „Berlinmuren“, der seinerzeit auf der Berliner Biennale für einiges Aufsehen und natürlich auch für das Bekanntwerden dieser Art von Zuneigung sorgte.
Was lieben Objektophile?
Jeder unbelebte Gegenstand kann hier zum potenziellen Partner avancieren. Meist handelt es sich aber um imposante Maschinen, attraktive Fahrzeuge oder stattliche Bauwerke. So sind Fälle bekannt, in denen sich objektophile Menschen in eine alte Eisenbahn, in ein mächtiges Containerschiff oder in den Eiffelturm höchstpersönlich verliebt haben. Welche schier unüberwindlichen Probleme solche Partnerschaften in einen regulären und üblichen Alltagsvollzug bringen, kann man sich leicht vorstellen.
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Ist Objektophilie eine Form von Fetischismus?
Nein. Denn während der Fetisch oft nur als erotisches Stimulans und als Symbol für einen real existierenden Liebes- oder Sexualpartner dient, nimmt der Objektophile seinen gegenständlichen Partner als lebendiges, beseeltes und empfindungsfähiges Wesen wahr, das echt gefühlte Liebe empfängt und auch gibt. Der objektophile Mensch fühlt sich von seinem Traumpartner aus Stahl oder Stein erotisch und menschlich direkt und unmittelbar angezogen.
Das gibt’s doch gar nicht!
Doch, das gibt es, wie man sogar schon im TV auf RTL 2 in „exklusiv – die Reportage – Skurrile Liebe – Darauf steht Deutschland!“ mit eigenen Augen sehen konnte. Und es wäre herabwürdigend, den Objektophilen ihr ganz persönliches Recht auf ihre höchsteigene sexuelle Ausrichtung streitig zu machen oder gar abzuerkennen. Der Sinnspruch „Wo die Liebe hinfällt“ gilt nämlich ohne Ausnahme für jeden Menschen. Auch dann, wenn er lieber mit einer verrußten alten Dampflok als mit einer „echten“ Dame knutscht.
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